Index
L24006 Gemeindebedienstete Steiermark;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des NN in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Juli 1991, GZ. Präs. - K - 156/1990 - 1, betreffend Untersagung einer Nebenbeschäftigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Offizial in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz.
Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ersuchte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. Juli 1989 um Genehmigung einer Nebenbeschäftigung als "Bilanzbuchhalter"; diese Nebenbeschäftigung beabsichtige er fallweise an Samstagen, Sonn- und Feiertagen als kostenlosen Freundschaftsdienst für einen namentlich genannten Arzt zu erbringen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 12. November 1990 wurde dem Beschwerdeführer nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und Einräumung des Parteiengehörs die Ausübung der von ihm gemeldeten Nebenbeschäftigung "als Bilanzbuchhalter für die in G gelegene Privatordination von Univ.Prof. DDr. H gemäß § 23 Abs. 1 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz, LGBl. Nr. 30/1957 idF. LGBl. Nr. 37/1989 (DO)", untersagt.
Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei der gemeldeten Nebenbeschäftigung, die in der Erstellung der Monatsabrechnungen an Hand der Belege, der Errechnung der Umsatzsteuervoranmeldung sowie der Ermittlung des Betriebsergebnisses bestehe, um eine Tätigkeit handle, die auf Grund der Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO) nur von den in diesem Gesetz genannten Berufsgruppen ausgeübt werden dürfe. Da dem Beschwerdeführer jedoch die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen für eine solche Befugnis mangelten, falle seine Tätigkeit unter den Begriff der Pfuschertätigkeit gemäß § 56 WTBO und sei nach dieser Gesetzesstelle strafbar. Die Ausübung einer Pfuschertätigkeit stelle ebenso wie das Vortäuschen des Vorhandenseins einer Berufsbefugnis ein unstatthaftes Verhalten dar, durch das nicht nur das Ansehen des Beschwerdeführers, sondern auch der Beamtenschaft herabgesetzt werde.
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Behörde hätte den Sachverhalt mangelhaft und unvollständig erhoben, insbesondere hätte sie unterlassen, ein ordentliches Beweisverfahren durchzuführen und den Nebenbeschäftigungsgeber zu befragen, sowie Erhebungen hinsichtlich seiner Qualifikation sowie der tatsächlichen Tätigkeiten durchzuführen. Die Behörde sei ungerechtfertigterweise davon ausgegangen, daß es sich bei der gemeldeten Nebenbeschäftigung um Pfuschertätigkeiten im Sinne der WTBO handle. Tatsache sei aber, daß der Beschwerdeführer ausgebildeter Betriebsberater und Bilanzbuchhalter sei und für diese Tätigkeiten die notwendige Qualifikation mit sich bringe. Die Rechtsauffassung, daß der Beschwerdeführer deshalb Pfuschertätigkeiten ausübe, weil diese Tätigkeiten auf Grund der Bestimmungen der WTBO lediglich den dort angeführten Berufsgruppen vorbehalten sei, sei unrichtig.
Die vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens enthalten einen Amtsvermerk über eine telefonische Anfrage bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, zu deren Ergebnis aber dem Beschwerdeführer nicht Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist; das Ergebnis dieser Erhebungen wird auch dem angefochtenen Bescheid nicht zugrundegelegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung nicht stattgegeben.
Zur Begründung wird nach zusammengefaßter Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides, der Berufung und der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, eine Befragung des Nebenbeschäftigungsgebers habe sich mit Rücksicht auf die Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren erübrigt. Die Zulässigkeit der Nebenbeschäftigung im Sinne des § 23 Abs. 1 DO sei insbesondere dahingehend zu prüfen gewesen, ob sie im Widerspruch zu gesetzlichen Bestimmungen stünde. Diese Prüfung hätte ergeben, daß der Beschwerdeführer keinesfalls die Befugnis eines Wirtschaftstreuhänders besitze und auch nicht Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sei. Insbesondere erfülle er nicht die Voraussetzungen für die Zulassung zur Fachprüfung nach den §§ 9 und 10 WTBO. Im Sinne des § 33 Abs. 1 lit. d WTBO sei ihm daher die Anlage, die Führung und der Abschluß kaufmännischer Bücher für einen Auftraggeber nicht gestattet. Die vom Beschwerdeführer angestrebte Nebenbeschäftigung sei daher nicht als gesetzeskonform anzusehen und würde der dienstlichen Stellung des Beschwerdeführers widerstreiten.
Ob der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Nebenbeschäftigung im Verdacht stehe, Verwaltungsübertretungen nach den §§ 55 und 56 WTBO begangen zu haben, sei aus Zuständigkeitsgründen nicht zu prüfen gewesen; zu einer solchen Prüfung sei ausschließlich die nach den §§ 26 und 27 VStG zuständige Verwaltungsstrafbehörde berufen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Gemeinde Graz (DO), LGBl. Nr. 30/1957, idF. LGBl. Nr. 37/1989, darf der Beamte neben seinen dienstlichen oder sonst im Auftrag der Stadt zu besorgenden Aufgaben keine Beschäftigung ausüben und keine Stellung annehmen, die seiner dienstlichen Stellung widerstreiten, die ihn in der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindern, die die Vermutung seiner Befangenheit im Dienst hervorrufen können oder die sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährden oder bei denen die Vermutung von Kollisionen zwischen den Interessen der Stadt, insbesondere ihrer Interessen als Träger von Privatrechten - und den durch die Nebenbeschäftigung gegebenen Interessen des Bediensteten nicht ausgeschlossen ist.
Der Bürgermeister hat gemäß Abs. 5 der genannten Bestimmung die Ausübung einer Nebenbeschäftigung zu untersagen, wenn diese den Bestimmungen des Abs. 1 widerspricht.
Durch die im Abs. 1 der vorher genannten Bestimmung verwendete Konjunktion "oder" wird zum Ausdruck gebracht, daß bereits bei Vorliegen einer der im § 23 Abs. 1 DO genannten Tatbestände die Ausübung der Nebenbeschäftigung unzulässig ist.
Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, sieht die belangte Behörde durch die vom Beschwerdeführer gemeldete Nebenbeschäftigung den Tatbestand des Widerstreitens mit der dienstlichen Stellung des Beschwerdeführers verwirklicht.
Da bereits die Erfüllung eines der in § 23 Abs. 1 DO genannten Tatbestände die Unzulässigkeit der Nebenbeschäftigung bedingt, erübrigt sich die in der Beschwerde bemängelte fehlende Auseinandersetzung mit den anderen Tatbeständen des § 23 Abs. 1 DO.
Maßgebend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher,
1. ob die Ausübung einer rechtlich nicht zulässigen Nebenbeschäftigung der dienstlichen Stellung des Beschwerdeführers widerstreitet und
2. ob es sich bei der vom Beschwerdeführer gemeldeten Nebenbeschäftigung um eine solche Tätigkeit handelt.
Daß die regelmäßige Ausübung einer unrechtmäßigen Tätigkeit der Stellung eines Beamten widerstreitet, ergibt sich aus den allgemeinen Dienstpflichten, nach denen der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der Rechtsordnung zu besorgen und in seinem GESAMTEN (daher auch außerdienstlichen) Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (vgl. § 19 Abs. 1 und 2 DO). Die Ausübung einer nach gesetzlichen Bestimmungen unzulässigen Nebenbeschäftigung (Pfuschertätigkeit) durch einen Verwaltungsbeamten wie im Beschwerdefall ist geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit auch in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben als Verwaltungsbeamter zu erschüttern; eine solche Nebenbeschäftigung widerstreitet daher im Sinne des § 23 Abs. 1 DO der dienstlichen Stellung des Beschwerdeführers.
Die vorher unter Punkt 2 dargestellte Frage ist von der belangten Behörde - soweit dem Bedeutung zukommt - unter Heranziehung folgender Bestimmungen der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. Nr. 125/1955 (WTBO), gelöst worden:
Gemäß § 2 Abs. 1 WTBO sind Wirtschaftstreuhänder im Sinne dieses Bundesgesetzes die Angehörigen folgender Berufsgruppen:
1.
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater,
2.
Buchprüfer und Steuerberater,
3.
Steuerberater.
Die Bestimmungen der §§ 3 bis 15 a regeln die Erfordernisse für die Erlangung der Berufsbefugnisse sowie für die Berufsausübung der im § 2 genannten Berufsgruppen.
In den §§ 31 bis 33 WTBO sind die Befugnisse dieser Berufsgruppen aufgezählt, wobei bezogen auf den Beschwerdefall die Bestimmungen der §§ 32 Abs. 1 lit. a sowie 33 Abs. 1 lit. b und d WTBO von Bedeutung sind, wonach die berufsmäßige (sowohl hauptberufliche als auch nebenberufliche) Ausübung der darin angeführten Tätigkeiten den Buchprüfern und Steuerberatern vorbehalten ist.
Mit § 55 WTBO wird die unzulässige Führung bestimmter Berufsbezeichnungen unter Strafe gestellt. Nach § 56 WTBO begeht, wer ohne zu einer nach diesem Bundesgesetz den Wirtschaftstreuhändern vorbehaltenen Tätigkeit befugt zu sein, eine solche Tätigkeit anbietet oder ankündigt oder gewerbs- oder geschäftsmäßig ausübt, eine Verwaltungsübertretung.
Die belangte Behörde lehnte eine Wertung nach den §§ 55 und 56 WTBO ausdrücklich wegen Unzuständigkeit ab. Dies ist aber insofern rechtlich unzutreffend, weil im Sinne der vorstehenden Rechtsausführungen eine Beurteilung der gemeldeten Nebenbeschäftigung, insbesondere nach § 56 WTBO als Vorfrage hätte erfolgen müssen.
Sie stützt ihre Entscheidung vielmehr darauf, daß der Beschwerdeführer weder die Befugnisse eines Wirtschaftstreuhänders besitze, noch Kammermitglied sei und auch nicht die Voraussetzungen für die Zulassung zur einschlägigen Fachprüfung erfülle. Diesen Regelungen im Rahmen eines berufsständischen Sonderrechtes kann im gegebenen Zusammenhang aber keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommen. Maßgebend ist vielmehr, ob die vom Beschwerdeführer angestrebte Tätigkeit den (objektiven) Straftatbestand "Pfuschertätigkeit" nach § 56 WTBO in Verbindung mit §§ 32 und 33 WTBO erfüllt, wozu auch die Berufs- bzw. Gewerbs- oder Geschäftsmäßigkeit gehört.
Ausgehend von den Feststellungen der Behörde erster Instanz über Art und Umfang der beabsichtigten Nebenbeschäftigung (nämlich Erstellung der Monatsabrechnungen anhand der Belege, der Umsatzsteuervoranmeldung sowie Ermittlung des Betriebsergebnisses als Freundschaftsdienst mit einem geringen monatlichen Zeitaufwand) handelt es sich bei diesen Tätigkeiten ihrer Art nach zwar um solche, die im Sinne der vorher wiedergegebenen Bestimmungen der WTBO den Steuerberatern vorbehalten sind. Werden aber diese Tätigkeiten nur in dem vom Beschwerdeführer behaupteten geringen Umfang als kostenloser Freundschaftsdienst erbracht - darüber, daß dieses Vorbringen des Beschwerdeführers unrichtig wäre, hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen - so ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes weder die Tatbestandsvoraussetzung der Berufsmäßigkeit im Sinne der §§ 32 und 33 WTBO noch die Gewerbs- und Geschäftsmäßigkeit im Sinne des § 56 WTBO erfüllt.
Da die belangte Behörde in diesem Zusammenhang von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil es nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war (vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 7. Feber 1969, Slg. N. F. Nr. 7505/A).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991120211.X00Im RIS seit
16.05.2001