TE Vfgh Beschluss 1990/2/27 B1089/89

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Veröffentlicht am 27.02.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid BAO §111 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde mangels Bescheidcharakter der angefochtenen Androhung einer Zwangsstrafe iSd §111 Abs2 BAO

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Das Finanzamt für den I. Wiener Gemeindebezirk richtete mit Schreiben vom 28. Juni 1989 an den Beschwerdeführer eine Aufforderung folgenden Wortlauts:

"Da bis dato unter Hinweis auf die berufliche Verschwiegenheitspflicht als Angehöriger des Berufsstandes der Ziviltechniker/Architekten der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gem. §119 BAO (Mitwirkungspflicht) nicht im vollen Umfange nachgekommen wurde, ergeht nochmals die Aufforderung gem. §119 BAO, die für die Durchführung des Betriebsprüfungsverfahrens, d. h. zur Sachverhaltsermittlung und Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte, notwendigen Unterlagen vollständig und im Original bis zum 23. August 1989 vorzulegen.

In dem Zusammenhang wird auf die Vorhalte vom 31. Okt.1988 und 13.Jän.1989, auf die Niederschriften vom 31. Okt.1988 und 21.Nov.1989 sowie auf die Besprechungen vom 24. Okt.1988 und 1.Febr.1989 hingewiesen.

Falls der Aufforderung bis zum oben angeführten Zeitpunkt nicht Folge geleistet wird, wird gem. §111 BAO eine Zwangsstrafe von S 3.000,-- festgesetzt werden. Gegen die Androhung der Zwangsstrafe ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig."

2. Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet, die Aufhebung der als Bescheid qualifizierten Erledigung begehrt und hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden.

2. Gemäß §111 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, idF BGBl. 412/1988, sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen (Abs1). Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muß der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden (Abs2). Gegen die Androhung einer Zwangsstrafe ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (Abs4).

3. Die im §111 Abs2 BAO vorgesehene Androhung der Zwangsstrafe ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Androhung einer Zwangsstrafe auf Grund der mit §111 Abs2 BAO wortgleichen Vorschrift des §89 Abs2 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. 7/1963, mit Beschluß vom 18. Oktober 1967, 1155/67, ausgesprochen hat, kein Bescheid, da mit einer solchen Erledigung weder ein bestehendes Rechtsverhältnis festgestellt noch ein Rechtsverhältnis begründet, geändert oder aufgehoben wird (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch die ständige Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 5183/1965, 9349/1982) und des VwGH (zB 27. 5. 1965, 1715/62; 18. 3. 1975, 329,330/75), wonach der Androhung der Ersatzvornahme iS des §4 Abs1 VVG 1950 kein Bescheidcharakter zukommt; ferner die Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 5183/1965, 7225/1973) und des VwGH (zB VwSlg. 6038 A/1963; 17. 10. 1983, 83/10/0244), wonach die Androhung einer Zwangsstrafe nach §5 Abs2 erster Satz VVG 1950 kein Bescheid ist).

Dem Beschwerdeführer steht die Möglichkeit offen, die behauptete Rechtswidrigkeit der Androhung der Zwangsstrafe mit Berufung gegen den die Zwangsstrafe festsetzenden Bescheid geltend zu machen (s. etwa VfSlg. 10.840/1986; vgl. ferner etwa VwGH 19. 4. 1977, 2331/76).

4. Da der angefochtenen Erledigung nicht die Qualität eines Bescheides zukommt, ist die Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

5. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, ist abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Finanzverfahren, Zwangsstrafe Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1089.1989

Dokumentnummer

JFT_10099773_89B01089_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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