Index
L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;Norm
KanalG NÖ 1954 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der Marktgemeinde Marbach a.d. Donau, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. März 1988, Zl. II/1-BE-273-17/6-88, betreffend Kanaleinmündungsgebühr (mitbeteiligte Partei: D & S Gesellschaft mbH., vertreten durch Dr. M , Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 12. März 1987 wurde der mitbeteiligten Partei für ihre näher bezeichnete Liegenschaft eine Kanaleinmündungsgebühr vorgeschrieben.
Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung. Unter dem Gesichtspunkt einer bereits eingetretenen Verjährung des Abgabenanspruches wird darin vorgebracht, das Grundstück sei seit Jahren an die Gemeindekanalisation der beschwerdeführenden Gemeinde angeschlossen. Anläßlich des Anschlusses der Liegenschaft sei eine Kanaleinmündungsgebühr nicht eingehoben worden.
Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 25. März 1987 keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung, im gegenständlichen Fall seien die Abwässer über eine Hauskläranlage und ein verrohrtes Gerinne direkt in die Donau eingeleitet worden. Zur Bauzeit des Kanalhauptstranges und des Nebenstranges sei im Februar 1983 ein Kanalanschlußverpflichtungsbescheid erlassen worden, der in Rechtskraft erwachsen sei. Die Trasse des Hauptstranges verlaufe entlang des verrohrten Gerinnes und es seien alle Hauskanaleinmündungen vom Gerinne getrennt und in den neu verlegten Mischwasserkanal eingeleitet worden. Im Zuge dieser Arbeiten sei auch die Hauskanalisation der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei an diesen neu verlegten Kanal angeschlossen worden.
Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Schriftsatz vom 1. April 1987, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.
Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde gab mit dem mit 1. Juni 1987 datierten Bescheid der Berufung keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Katastralgemeinde Krummnußbaum sei bis 1971 eine selbständige Gemeinde gewesen, die weder über einen öffentlichen Kanal noch über eine öffentliche Kläranlage verfügt habe. Die Abwässer der Liegenschaft seien über eine Hauskläranlage, die mit Bescheid vom 1. Jänner 1961 baubehördlich bewilligt worden sei, in ein offenes Gerinne abgeleitet worden. Etwa zur gleichen Zeit sei anläßlich einer Straßenerweiterung das offene Gerinne verrohrt worden. Mit Wasserbuchbescheid vom 10. März 1964 sei die Ableitung von Abwässern aus dem Gießereibetrieb über eine Dreikammeranlage wasserrechtlich bewilligt worden, wobei in diesem Bescheid wörtlich angeführt werde: "Die Ableitung der geklärten Überlaufwässer erfolgt über den Entwässerungskanal des Betriebes in den Ortskanal". Hiezu habe der Altvizebürgermeister von Krummnußbaum anläßlich der Verhandlung vom 16. April 1987 angegeben, daß mit dem im Wasserbuchbescheid genannten Ortskanal das verrohrte Gerinne gemeint gewesen sei. Von einer weiteren Auskunftsperson sei bei dieser Verhandlung angegeben worden, daß die Trasse des neu verlegten Ortskanales, und zwar des Hauptstranges 8, entlang des verrohrten Gerinnes verlaufe. Im Zuge der Kanalherstellung (etwa Anfang 1983) seien alle Hauskanaleinmündungen von dem verrohrten Gerinne abgetrennt und in den neuen Mischwasserkanal eingeleitet worden.
Wie es in der Begründung des zuletzt genannten Bescheides weiters heißt, entstehe gemäß § 12 Abs. 1 NÖ-Kanalgesetz 1977, LGBl. Nr. 8230 (im folgenden: NÖ-KanalG 1977), die Gebührenschuld für die Kanaleinmündungsgebühr "im Gegenstande" mit Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß. Dieser Bescheid sei am 25. Februar 1983 der mitbeteiligten Partei zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen. Der Hauskanal sei dann im Zuge der Kanalarbeiten auch tatsächlich an den Ortskanal angeschlossen worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung. Zur Begründung wurde im wesentlichen vorgebracht, die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei sei zumindest seit 1964 an den Ortskanal angeschlossen. Mit dem faktisch und rechtlich vollzogenen Anschluß sei der Anspruch auf Einhebung der Kanaleinmündungsgebühr entstanden und mittlerweile gemäß § 156 Abs. 1 NÖ AO 1977 bereits verjährt. Die in der Begründung des bekämpften Bescheides erwähnte Anschlußverpflichtung sei allein schon deshalb nicht der Rechtskraft fähig, weil ein bestehender Kanalanschluß nicht bescheidmäßig aufgetragen werden könne. Überdies wäre der Bescheid vom 25. Februar 1983 ins Leere gegangen, weil zum damaligen Zeitpunkt die als Bescheidadressat genannte Firma D & S Gesellschaft mbH. nicht Eigentümerin der betreffenden Liegenschaft gewesen sei. Den tatsächlichen Liegenschaftseigentümern sei ein Kanalanschlußbescheid niemals zugestellt worden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter anderem, der Anschluß der betreffenden Liegenschaft an eine als "Ortskanal" bezeichnete Kanalanlage sei beispielsweise im Baubewilligungsbescheid der seinerzeitigen Gemeinde Krummnußbaum an der Donauuferbahn vom 5. Jänner 1961 als Auflage vorgesehen. Ebenso werde in der Baubeschreibung vom 16. Februar 1962, betreffend die Errichtung einer Lagerhalle auf dieser Liegenschaft, unter anderem ausgeführt, daß die Dachwässer in die bereits bestehende Kanalisation eingeleitet würden. Auch aus dem Wasserbuchbescheid vom 10. März 1964 gehe hervor, daß die Fäkalabwässer über eine Dreikammerkläranlage als geklärte Überlaufwässer in den Ortskanal eingeleitet würden. Aus all diesen Umständen ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß die betreffende Liegenschaft seit spätestens 1964 an eine Kanalanlage angeschlossen sei. Umstände, aus welchen hervorgehe, daß das anläßlich der Straßenverbreiterung verrohrte Gerinne keine Kanalanlage im Sinne des NÖ-KanalG 1977 sei, seien nicht hervorgekommen. Vielmehr sei ein künstlich errichtetes Wasserabflußsystem auch dann eine Kanalanlage, wenn diese anstelle eines bestehenden kleinen Baches (offenes Gerinne) errichtet würde und es sprächen im übrigen Baubewilligungsbescheide und ein nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes erlassener Bescheid von der Ableitung von Abwässern in den Ortskanal.
Für die beschwerdeführende Gemeinde sei nichts gewonnen, wenn sie darauf hinweise, daß der Anspruch auf die Kanaleinmündungsgebühr mit Rechtskraft des Kanalanschlußverpflichtungsbescheides entstanden sei. Es sei nämlich wesentlich, daß sich der abgabenrechtliche Tatbestand (der Anschluß an die öffentliche Kanalanlage) zu einem Zeitpunkt ereignet habe, welcher innerhalb des zeitlichen Bedingungs(Geltungs-)bereiches der Abgabeneinhebungsverordnung nach dem NÖ-KanalG 1977 liege. Die ehemalige Gemeinde Krummnußbaum an der Donauuferbahn habe aber überhaupt keine Abgabeneinhebungsverordnung erlassen. Die Kanalgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde, welche erst mit 1. Juli 1966 in Kraft getreten sei, könne sich logisch weder zeitlich noch örtlich auf den seinerzeitigen Anschluß der in der ehemaligen Gemeinde Krummnußbaum an der Donauuferbahn gelegenen Liegenschaft der mitbeteiligten Partei beziehen.
Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß die streitgegenständliche Liegenschaft an eine Kanalanlage, welche bei verständiger Wertung aller zur Verfügung stehenden Aktenunterlagen als öffentliche Kanalanlage im Sinne des NÖ-KanalG 1977 bezeichnet werden müsse, bereits zu einem Zeitpunkt angeschlossen gewesen sei, in welchem der maßgebliche abgabenrechtliche Tatbestand des § 2 Abs. 1 NÖ-KanalG 1977 mangels Erlassung einer Abgabeneinhebungsverordnung keine Rechtsfolgen nach sich ziehen habe können, wobei die spätere Erlassung einer Kanalgebühreneinhebungsverordnung auf vor Inkrafttreten dieser Verordung entstandene Sachverhalte keine Anwendung finde.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Das Beschwerdevorbringen kann dahin zusammengefaßt werden, die belangte Behörde sei unzutreffend der Ansicht, daß die Verrohrung des offenen Gerinnes die Herstellung eines künstlich errichteten Wasserabflußsystemes bedeute. Die belangte Behörde sei zu Unrecht und ohne eigenes Ermittlungsverfahren vom ermittelten Sachverhalt abgewichen und vom Vorliegen einer öffentlichen Kanalanlage im Sinne des NÖ-KanalG 1977 ausgegangen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist auf das Vorbringen der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift Bedacht zu nehmen, die Beschwerde sei als unzulässig zurückzuweisen, weil das zuständige Organ der beschwerdeführenden Gemeinde fristgerecht keinen Beschluß über die Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gefaßt habe. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1992, Zl. 88/17/0101, verwiesen werden. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Abgabenschuld nach dem NÖ-KanalG 1977 ist nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0126). Für die Gemeindeabgabenbehörden und die belangte Vorstellungsbehörde war dies im Beschwerdefall der Zeitpunkt, in dem der Bescheid über die Kanalanschlußverpflichtung der mitbeteiligten Partei vom 25. Februar 1983 - nach der Sachverhaltsannahme der Behörden im Verwaltungsrechtszug - rechtskräftig wurde.
§ 1 NÖ KanalG 1977, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 8230-0 (das ist jene Fassung, die im genannten Zeitpunkt in Geltung stand), lautet:
"Die Gemeinden werden, soferne ihnen das Recht zur Einhebung solcher Gebühren nicht bereits bundesgesetzlich eingeräumt ist, ermächtigt, Kanalgebühren (Kanaleinmündungs-, Ergänzungs-, Sonder- und Kanalbenützungsgebühren) von den Eigentümern jener Liegenschaften zu erheben, die nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Anschluß ihrer Liegenschaft an eine bestehende öffentliche Schmutz-, Misch- oder Regenwasserkanalanlage verpflichtet sind oder welchen über Ansuchen der Anschluß bewilligt wird".
§ 2 Abs. 1 leg. cit. bestimmt:
"(1) Für den Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine einmalige Gebühr (Kanaleinmündungsgebühr) zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat".
§ 12 Abs. 1 leg. cit. lautet:
"(1) Ist die Kanaleinmündungsgebühr (Ergänzungsgebühr, Sondergebühr) anläßlich einer Bauführung zu entrichten, so entsteht die Gebührenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde; in allen anderen Fällen mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß (§ 17 Abs. 3) bzw. bei der Ergänzungsgebühr mit dem Eintritt der Änderung."
Gemäß § 56 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-1 (im folgenden: NÖ-BauO), ist für jedes Gebäude Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer (Niederschlag-, Schmutz- und Fäkalwässer) zu treffen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind von Dächern abgeleitete Niederschlagswässer entweder in einen Kanal abzuleiten oder in entsprechender Entfernung von Gebäuden zur Versickerung zu bringen. Nach Abs. 4 erster Satz sind in Gemeinden, in denen zur Beseitigung der Abwässer öffentliche Kanäle bestehen, die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn die Anschlußleitung nicht länger als 50 m und die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne besondere technische Vorrichtungen möglich ist.
Damit im Zusammenhang normiert § 17 NÖ-KanalG 1977:
"(1) Die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, haben Gebäude gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen. Der Hauskanal mitsamt dem Anschluß an die Anschlußleitung (Absatz 2) ist auf Kosten des Liegenschaftseigentümers (Bauwerbers) nach den näheren Bestimmungen der NÖ-Bauordnung und den Anordnungen in der baubehördlichen Bewilligung und innerhalb der in derselben vorgeschriebenen Frist herzustellen. Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlußverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet, die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, daß ein Anschluß an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Bei Neubauten ist im vorhinein auf die Anschlußmöglichkeit Bedacht zu nehmen.
...
(3) Bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen 4 Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden.
..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 86/17/0090, dargelegt hat, läßt sich aus der Regelung des § 12 Abs. 1 NÖ-KanalG 1977 erkennen, daß der Gesetzgeber damit nicht verschiedene Abgabentatbestände geschaffen hat, sondern verschiedene Zeitpunkte für das Entstehen ein und derselben Gebührenschuld vorsieht. Ist die Gebührenschuld (bereits) "anläßlich einer Bauführung" entstanden, so vermöchte ein später erlassener Anschlußpflichtbescheid die (allenfalls bereits verjährte) Gebührenschuld nicht nochmals zu begründen. Die Rechtmäßigkeit der im Beschwerdefall von den Gemeindeabgabenbehörden auf den Anschlußverpflichtungsbescheid aus dem Jahre 1983 gegründete Abgabenvorschreibung hängt daher von der Beantwortung der Frage ab, ob die Gebührenschuld bereits "anläßlich der Bauführung" entstanden (und allenfalls verjährt) ist.
Dies wurde von den Behörden des gemeindebehördlichen Abgabenverfahrens sowie auch des aufsichtsbehördlichen Verfahrens an sich richtig erkannt. Die Rechtslage wurde jedoch insofern verkannt, als dabei auf den tatsächlichen Anschluß abgestellt wurde.
Bei der Fallgruppe, daß die Kanaleinmündungsgebühr (Ergänzungsgebühr, Sondergebühr) anläßlich einer Bauführung zu entrichten ist, kommt es nicht auf den tatsächlichen Anschluß an, sondern auf die Rechtskraft des Benützungsbewilligungsbescheides bzw. (wenn ein solcher nicht erforderlich ist) auf die tatsächliche Beendigung der Bauführung hinsichtlich des auf der anschlußpflichtigen Liegenschaft errichteten Bauwerkes (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 86/17/0090). Vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung bzw. der tatsächlichen Beendigung der Bauführung geltenden Kanalgebührenverordnung der hebeberechtigten Gemeinde wäre daher zu prüfen gewesen, ob bereits "anläßlich einer Bauführung" die Abgabenschuld entstanden ist.
Auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung haben die Gemeindeabgabenbehörden derartiges aber unterlassen. So fehlen jegliche Feststellungen, ob sowie zutreffendenfalls wann eine Benützungsbewilligung für die in Frage stehende Bauführung erteilt wurde bzw. ob hiefür eine Benützungsbewilligung gar nicht erforderlich ist, sodaß Anknüpfungspunkt für das Entstehen der Abgabenschuld (bereits) die tatsächliche Baubeendigung des auf der anschlußpflichtigen Liegenschaft errichteten Bauwerkes gewesen wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß im Zeitpunkt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung bzw. der tatsächlichen Baubeendigung eine Anschlußpflicht im Sinne des § 56 Abs. 4 NÖ-BauO bestand und zwar so, daß vor dem Hintergrund einer in diesem Zeitpunkt geltenden Kanalgebührenverordnung der Abgabenanspruch "anläßlich einer Bauführung" ausgelöst worden wäre.
Derartige Feststellungen wären aber auch aus einer anderen Sicht wesentlich gewesen. Sollte sich nämlich ergeben, daß anläßlich der Bauführung keine Gebührenpflicht entstanden ist, weil etwa eine Benützungsbewilligung, obwohl eine solche erforderlich war, gar nicht erteilt wurde, so läge der subsidiäre Fall des § 12 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz NÖ-KanalG 1977 vor, der auf einen Anschlußverpflichtungsbescheid abstellt. Ein solcher könnte rite nur bei Neulegung eines Hauptkanals erlassen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1985, Zl. 83/05/0151 sowie vom 5. November 1985, Zl. 83/05/0133). Diese Frage wäre allerdings keinesfalls mehr aufzurollen, wenn der Anschlußverpflichtungsbescheid in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 86/17/0090). In diesem Sinne ist es auch verfehlt, wenn die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 5. November 1985, Zl. 83/05/0133, ausführt, der Anschlußverpflichtungsbescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 25. Februar 1983 wäre nicht der Rechtskraft fähig, weil ein bestehender Kanalanschluß nicht bescheidmäßig aufgetragen werden könne. Mit dem zitierten Erkenntis wurde (lediglich) ausgesprochen, daß der Ausspruch einer neuerlichen Anschlußverpflichtung nicht der Rechtslage entspreche; es kann keine Rede davon sein, daß ein derartiger Ausspruch nicht der Rechtskraft fähig sei, und es wurde eine solche Aussage im zitierten Erkenntnis auch nicht getroffen.
In diesem Zusammenhang ist aber auch auf die Begründungsdarlegungen im angefochtenen Vorstellungsbescheid einzugehen, wonach der (seinerzeitige) "Anschluß" mangels Erlassung einer Abgabeneinhebungsverordnung keine Rechtsfolgen habe nach sich ziehen können.
Die belangte Vorstellungsbehörde hat zwar zutreffend erkannt, daß es auf eine Beschlußfassung des Gemeinderates der hebeberechtigten Gemeinde ankommt, ob von der gesetzlichen Ermächtigung zur Gebührenerhebung Gebrauch gemacht wird.
Da erst mit dem Inkrafttreten einer derartigen Verordnung die darin umschriebene Gebührenschuld entsteht, gibt es auch begrifflich keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt, der den Ausgangspunkt für die Entstehung der Gebührenschuld (und damit den Lauf der Verjährungsfrist) bilden könnte. Vor Inkrafttreten einer derartigen Verordnung vermag die Erfüllung des Tatbestandes einer der im § 12 Abs. 1 normierten verschiedenen Zeitpunkte für die Entstehung der Gebührenschuld daher auch keine Rechtswirkungen auszulösen.
Wenn aus diesem Grund "anläßlich einer Bauführung" auf der anschlußpflichtigen Liegenschaft eine Gebührenschuld nicht entstanden ist, so bedeutet dies aber nicht (wovon die belangte Vorstellungsbehörde offenbar auszugehen scheint), daß damit ein später erlassener Anschlußverpflichtungsbescheid überhaupt nicht die Gebührenschuld (erstmals) zu begründen vermag. In diesem Fall wäre ja eben die Gebührenschuld "anläßlich einer Bauführung" nicht entstanden und könnte auch durch einen späteren Anschlußverpflichtungsbescheid - ohne Widerspruch zum Grundsatz der Einmaligkeit der Kanaleinmündungsgebühr (vgl. § 2 Abs. 1 NÖ-KanalG 1977) - nicht nochmals begründet werden.
Für das fortzusetzende Verfahren sei noch bemerkt, daß sich die Behörde auch mit dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei in ihrer Vorstellung auseinanderzusetzen haben wird, daß der Anschlußverpflichtungsbescheid vom 25. Februar 1983 "ins Leere" gegangen sei, weil die mitbeteiligte Partei zum damaligen Zeitpunkt nicht Liegenschaftseigentümerin gewesen sei.
Aus den obigen Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Vorstellungsbehörde den angefochtenen gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes war das für Umsatzsteuer geltend gemachte Mehrbegehren abzuweisen; desgleichen das Begehren nach Ersatz der entrichteten Stempelgebühren, weil die beschwerdeführende Gemeinde zu deren Entrichtung zufolge § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 nicht verpflichtet war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1972, Zl. 75/71).
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1988170093.X00Im RIS seit
11.07.2001