TE Vfgh Erkenntnis 1990/2/27 B651/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.1990
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Form der Beschwerde StGG Art9 StPO §141 Abs2 VfGG §15 Abs2

Leitsatz

Unschädlichkeit offensichtlicher Schreibversehen in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof; keine Verletzung des Hausrechtes bei Hausdurchsuchung unter der vertretbaren Annahme, eine vorzuführende Person halte sich in den zu durchsuchenden Räumen auf; Zurückweisung eines Teils der Beschwerde mangels Bestimmtheit des Begehrens

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist dadurch, daß am 18. Mai 1987 Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion Salzburg ihre Wohnung in Salzburg durchsuchten, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit 10.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt die Einschreiterin - sinngemäß zusammengefaßt - vor, daß am 18. Mai 1987 um ungefähr 5,45 Uhr Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion Salzburg Einlaß in ihre Wohnung in Salzburg, V-Straße , begehrt und erklärt hätten, H L zu suchen. Sie habe die Wohnungstüre nicht geöffnet und angegeben, daß L seit beinahe einem Jahr nicht mehr in ihrer Wohnung gewesen und auch jetzt nicht da sei sowie daß er sich vermutlich bei seinem in der F-Straße wohnhaften Bruder aufhalte. Die Beamten hätten sich hierauf entfernt, seien aber um etwa 6,30 oder 6,45 Uhr wieder erschienen und hätten neuerlich Einlaß begehrt. Nachdem ihnen die Wohnungstür geöffnet worden war, hätten die Polizeibeamten ihre Wohnung - erfolglos - nach H L durchsucht; ein Hausdurchsuchungsbefehl oder ein (L betreffender) Vorführungsbefehl sei ihr nicht vorgezeigt worden.

2. Die Beschwerdeführerin schildert weitwendig das Verhalten der beiden Sicherheitswachebeamten anläßlich der Durchsuchung ihrer Wohnung. Sie behauptet ua., daß ein Beamter sie gegen eine Kastentür gestoßen, die Bettdecke von ihrem Bett gerissen, sie zur Seite geschleudert habe (sodaß sie zu Sturz gekommen sei), eine Kastentüre aus den Angeln gerissen, sie gegen den Wohnzimmertisch gestoßen, einen Vorhang beschädigt habe, sie angeschrieen sowie am Morgenmantel ergriffen und geschüttelt habe; sie habe mehrere Verletzungen erlitten.

3. Die Beschwerde enthält - abgesehen von Verlangen auf Kostenersatz - folgendes Begehren:

"auszusprechen, daß die am 18.5.1987 um 6 Uhr 45, durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Salzbug sowie durch meine unmenschliche und erniedrigende Behandlung eine Verletzung meiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte stattgefunden hat."

4. Die Finanzprokuratur erstattete namens der belangten Bundespolizeidirektion Salzburg eine Gegenschrift, in welcher insbesondere auf einen gegen H L erlassenen gerichtlichen Vorführungsbefehl hingewiesen und der Antrag gestellt wird, die Beschwerde abzuweisen.

II. 1. Soweit sich die Beschwerde gegen die bei der Beschwerdeführerin vorgenommene Hausdurchsuchung richtet, ist sie, weil sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig. Daß in dem unter I./3. wiedergegebenen Begehren die Hausdurchsuchung nicht ausdrücklich erwähnt wird, verschlägt nichts, weil sich aus dem Zusammenhang klar ergibt, daß ein offenkundiges, in der Auslassung von etwa zwei oder drei Worten bestehendes Schreibversehen unterlaufen ist.

2. Die Beschwerde ist in diesem Umfang jedoch nicht gerechtfertigt.

Nach §2 Abs2 des Gesetzes zum Schutze des Hausrechts sowie dem damit übereinstimmenden §141 Abs2 StPO kann zum Zweck der Strafrechtspflege eine Hausdurchsuchung durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommen werden, wenn gegen jemanden ein richterlicher Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen wurde. Wie der Verfassungsgerichtshof hiezu schon ausgesprochen hat, müssen die Sicherheitsorgane vertretbarerweise annehmen können, daß sich die gesuchte Person in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten aufhält (zB VfSlg. 10082/1984). Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs im vorliegenden Fall gegeben.

Aus dem beigeschafften Akt 33 Vr 1718/88-Hv 98/88 des Landesgerichtes Salzburg ergibt sich, daß der Einzelrichter dieses Gerichtes an die Bundespolizeidirektion Salzburg am 29. April 1987 gegen H L (einen ehemaligen Lebensgefährten der Beschwerdeführerin) einen Vorführungsbefehl zu der für den 18. Mai 1987 um 9,30 Uhr anberaumten Hauptverhandlung erließ, in welchem in der Rubrik "wohnhaft in" angeführt war: "zul. V-Straße? bei J M, 5020 Salzburg". Aufgrund des insoweit übereinstimmenden Parteienvorbringens steht weiters fest, daß die Sicherheitswachebeamten, als sie zwecks Vorführung des H L das erste Mal bei der Beschwerdeführerin erschienen waren, von ihr den Hinweis erhielten, daß sich der Gesuchte allenfalls bei seinem in der F-Straße wohnhaften Bruder aufhalte. Erst nachdem die Beamten (wie der Verfassungsgerichtshof aufgrund des Vorbringens der belangten Behörde im Hinblick auf das zweimalige Erscheinen der Wachebeamten bei der Beschwerdeführerin und den dazwischen liegenden Zeitraum als erwiesen annimmt) von einer Bewohnerin der sodann aufgesuchten Wohnung in der F-Straße ("Freundin des Bruders") die (als Vermutung geäußerte) Mitteilung erhalten hatten, daß H L sich doch bei der Beschwerdeführerin befinde, schritten sie zur Durchsuchung der im Vorführungsbefehl angeführten Wohnung der Beschwerdeführerin. Die Zusammenfassung der eben dargelegten Umstände, nämlich die Angabe der Wohnung der Beschwerdeführerin im richterlichen Vorführungsbefehl, die früher bestandene Lebensgemeinschaft zwischen L und der Beschwerdeführerin sowie die Auskunft an der von der Beschwerdeführerin verwiesenen Adresse, zeigt, daß die Annahme der einschreitenden Sicherheitswachebeamten, der Gesuchte halte sich in der Wohnung der Beschwerdeführerin auf, vertretbar war.

Da im Beschwerdeverfahren auch nicht hervorkam, daß die Beschwerdeführerin durch die Hausdurchsuchung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder durch die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde im erörterten Umfang abzuweisen.

3. Im übrigen erweist sich die Beschwerde als unzulässig.

§15 Abs2 VerfGG zufolge hat der an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Antrag - mithin auch eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde - ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Wie der Gerichtshof schon ausgesprochen hat (VfGH 28.11.1988 B1621/88, 28.2.1989 B1505/88), gebietet dieses Erfordernis bei Beschwerden, die sich gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt richten, daß aus dem (auf Feststellung der Rechtsverletzung zielenden) Begehren die klare und unmißverständliche Bezugnahme auf jenes konkrete Verwaltungshandeln zu ersehen sein muß, das die beschwerdeführende Partei in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt haben soll. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht dazu berufen, Gegenstand und Umfang der Anfechtung, die allenfalls aus der Sachverhaltsschilderung herausgelesen werden könnten, - etwa nach den mutmaßlichen Vorstellungen der beschwerdeführenden Partei - als Beschwerdeessentiale selbständig festzulegen.

Beurteilt man das übrige Vorbringen der vorliegenden Beschwerde anhand dieser - auch hier beizubehaltenden - Rechtsauffassung, so zeigt sich, daß ihr ein bestimmtes Begehren im dargelegten Sinn fehlt. Der Beschwerde ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, welches - durchaus unterschiedliche - Verhalten von Organwaltern Gegenstand der Beschwerdeführung ist.

Da also im übrigen Teil der Beschwerde weder Gegenstand noch Umfang der Anfechtung deutlich und bestimmt angegeben und umschrieben sind und dem Verfassungsgerichtshof die selbständige Festlegung dieser Beschwerdeessentiale verwehrt ist, mußte die Beschwerde insoweit im Hinblick auf die beschriebene verfahrensrechtliche Lage als unzulässig zurückgewiesen werden.

III. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 Z2 bzw. §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne vorangegangene mündliche

Verhandlung getroffen.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, Auslegung eines Antrages, Hausrecht, Hausdurchsuchung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B651.1987

Dokumentnummer

JFT_10099773_87B00651_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten