TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/30 92/18/0319

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Veröffentlicht am 30.07.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z3;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12;
SGG §14a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des N (geboren am 15. April 1956) in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 27. Mai 1992, Zl. Frb-4250/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein Aufenthaltsverbot "auf unbestimmte Zeit" erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Juni 1991 wegen des Vergehens nach § 14a erster und zweiter Fall Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und wegen des Vergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe von S 2,560.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Monate) verurteilt worden. Der Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer 1 kg Heroin erworben bzw. 8 kg Heroin besessen habe, und zwar jeweils mit dem Vorsatz, daß die angeführten Mengen in Verkehr gesetzt würden. Dies stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar, sodaß durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen gewesen, daß der Beschwerdeführer seit 1972 in Österreich lebe und daher im Bundesgebiet integriert sei. Seine Eltern, sein Sohn und seine Schwester befänden sich ebenfalls in Österreich, seine Ehefrau, von der er sich scheiden lassen wolle, sowie zwei weitere Kinder hingegen in der Türkei. Bis zum Jahre 1990 sei er in Vorarlberg durchgehend einer Arbeit nachgegangen, seither sei er arbeitslos. Eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers im Falle der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes spreche somit "nicht zu seinen Gunsten", wohl aber die familiäre Bindung zu seinen in Österreich lebenden Verwandten. Trotz dieser nicht unerheblichen persönlichen Einwendungen wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Anbetracht des vom Beschwerdeführer begangenen schwerwiegenden Suchtgiftdeliktes sowie des Umstandes, daß die Gefahr einer Wiederholung bzw. eines Rückfalles nachgerade zum Wesen eines solchen deliktischen Verhaltens gehöre, unverhältnismäßig schwerer als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Gegen den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet spreche auch, daß er straffällig geworden sei, obwohl ihm mit dem Schreiben der erstinstanzlichen Behörde vom 7. Mai 1982 mitgeteilt worden sei, daß aus Anlaß einer rechtskräftigen Verurteilung wegen des Vergehens nach § 107 Abs. 2 StGB von fremdenpolizeilichen Maßnahmen abgesehen werde, er aber bei erneuter Straffälligkeit mit einem Aufenthaltsverbot zu rechnen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Die belangte Behörde hat aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz angenommen. Aufgrund der genannten bestimmten Tatsache war die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider.

Der Beschwerdeführer bekämpft die im Grunde des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommene Interessenabwägung; sein Vorbringen vermag jedoch der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, weil das öffentliche Interesse an der Verhängung des Aufenthaltsverbotes in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0105, und die dort zitierten Entscheidungen). Diese besondere Gefährlichkeit ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht nur beim SuchtgiftHANDEL, sondern auch bei Delikten nach § 14a Suchtgiftgesetz gegeben, setzen diese doch den Vorsatz voraus, daß Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt werde. Angesichts der Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlung käme auch dem von ihm behaupteten Umstand, daß er Aussicht habe, nach seiner Haftentlassung eine Arbeitsstelle in einem bestimmten Unternehmen in Lustenau zu erhalten, kein entscheidendes Gewicht zu. Ob es - wie der Beschwerdeführer weiter vorbringt - völlig unwahrscheinlich sei, daß er "innerhalb nützlicher Frist" in der Türkei einen Arbeitsplatz erhalte, und ob er, selbst wenn ihm dies gelänge, wegen des niedrigen Lohnniveaus in der Türkei weder in der Lage wäre, seinen finanziellen Verbindlichkeiten nachzukommen, noch seiner Familie einen angemessenen Unterhalt zu gewähren, ist gleichfalls nicht von maßgebender Bedeutung, ist doch nicht erkennbar, daß er nicht auch in anderen Ländern berufstätig sein könnte. Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich wurden von der belangten Behörde berücksichtigt, ebenso seine Absicht, sich von seiner in der Türkei lebenden Ehefrau scheiden zu lassen. Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß es sich um sein erstes Suchtgiftdelikt handle und die von der belangten Behörde angenommene Gefahr des Rückfalles bzw. der Wiederholung der Straftaten nicht begründet sei, vermag nicht durchzuschlagen, ließ sich doch der Beschwerdeführer trotz des Umstandes, daß ihm anläßlich einer früheren gerichtlichen Verurteilung für den Fall erneuter Straffälligkeit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Aussicht gestellt wurde, nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180319.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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