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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1220;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des J in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. November 1990, GZ. GA 5 - 2322/89, betreffend Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem Lohnsteuerfreibetragsantrag für das Jahr 1988 beantragte der Beschwerdeführer, ein seinem Sohn E hingegebenes "Heiratsgut" in Höhe von S 140.000,-- als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Aus den Beilagen zu diesem Antrag ging hervor, daß die Verehelichung des Sohnes am 4. Dezember 1986 erfolgte und daß das "Heiratsgut" in vier Teilbeträgen zu S 30.000,-- am 12. September 1988,
5. Oktober 1988, 5. Dezember 1988 und 15. Dezember 1988 sowie einem Teilbetrag von S 20.000,-- am 28. Dezember 1988 ausbezahlt worden war.
In einer Eingabe vom 26. Juli 1989 gab der Beschwerdeführer an, die Hingabe des "Heiratsgutes" im Jahre 1986 sei deshalb nicht möglich gewesen, weil die Eheschließung für den Beschwerdeführer völlig überraschend gekommen und sein Jahreseinkommen bereits erschöpft gewesen sei. Außerdem sei nicht sicher gewesen, wo die Eheleute ihren neuen Wohnsitz begründen werden. Die Schwiegertochter habe in Wien gewohnt, wo sie auch beschäftigt gewesen sei, während der Sohn teilweise in Wien und teilweise beim Beschwerdeführer wohnte. Erst Ende des Jahres 1988 habe sich abgezeichnet, daß die Schwiegertochter im Raum N einen Arbeitsplatz bekommen werde. Die Ehegattin des Beschwerdeführers, R, habe daher zu Beginn des Jahres 1989 näher bezeichnete Grundstücke dem Sohn E und der Schwiegertochter zur Errichtung eines Eigenheimes geschenkt. Die Übergabe der Grundstücke sei bereits am 10. Dezember 1988 erfolgt. Die (bis dahin als Weingarten genutzten) Grundstücke seien seit 1984 an den Sohn W verpachtet gewesen, der darauf Investitionen im Ausmaß von S 95.000,-- getätigt hatte. E habe an seinen Bruder W S 143.465,-- zur Ablösung dieser Investitionen und als Wertausgleich für die Schenkung der Liegenschaft geleistet. Das "Heiratsgut" sei zur Bezahlung dieses Betrages verwendet worden. Weiters gab der Beschwerdeführer in der genannten Eingabe an, er habe infolge seiner Krankheit im Jahre 1987 hohe zusätzliche Ausgaben gehabt, sodaß er ein "Heiratsgut" nicht hingeben konnte.
Das Finanzamt anerkannte das "Heiratsgut" nicht als außergewöhnliche Belastung, da es nicht im Zeitpunkt der Eheschließung gegeben worden war.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wiederholte der Beschwerdeführer die in der Eingabe vom 26. Juli 1989 gemachten Angaben. Ergänzend führte er aus, daß die Eheleute bereits am 5. Dezember 1986 eine Urlaubsreise antraten, von der sie erst Ende Jänner 1987 zurückkehrten. Die Hingabe einer Heiratsausstattung im Jahre 1986 sei daher faktisch nicht mehr möglich gewesen. Im Jahre 1987 habe sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (er leide an morbus parkinson) zusehends verschlechtert, sodaß die gesamten Ersparnisse aus dem Einkommen dieses Jahres für die Anschaffung von Medikamenten, speziellen Hilfseinrichtungen etc. verwendet werden mußten.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, es habe keine zwingende Notwendigkeit bestanden, die Heiratsausstattung im Kalenderjahr 1988 hinzugeben, zumal die Übergabe der bezeichneten Grundstücke erst im Kalenderjahr 1989 wirksam geworden sei. Baurechnungen seien im Zeitpunkt der Hingabe des Geldbetrages auch nicht zu begleichen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 1991, B 25/91, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Beschwerdeergänzung werden Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In ähnlich gelagerten Fällen, die jeweils im Bereich der Änderung der Rechtslage durch Aufhebung des § 34 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972 in der Fassung BGBl. Nr. 587/1983 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, G 52/87, Slg. 11.368/1987, angesiedelt waren, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß das Merkmal der Zwangsläufigkeit im Sinn des § 34 Abs. 3 leg. cit. nicht nur dem Grunde und der Höhe nach gegeben sein müsse, sondern der Aufwand auch nicht willkürlich in ein anderes Kalenderjahr verlagert werden dürfe als in jenes, in dem die Zahlung zu leisten gewesen wäre. Das Heiratsgut bzw. die Ausstattung werden im Zeitpunkt der Eheschließung des Kindes fällig. Die Zahlung in einem späteren Kalenderjahr als dem der Eheschließung kann nur dann als zwangsläufig angesehen werden, wenn für diese spätere Zahlung triftige Gründe vorliegen (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1992, 89/14/0079, mit weiteren Hinweisen).
Als derartige triftige Gründe können zwingende wirtschaftliche Umstände angesehen werden, die der Entrichtung des Ausstattungsbetrages im gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt entgegenstehen und den Dotationspflichtigen dazu berechtigen, eine spätere Zahlung des Ausstattungsbetrages oder ratenweise Entrichtung vom Berechtigten zu verlangen. Für die Frage, ob dem Dotationspflichtigen ein Anspruch auf ratenweise oder spätere Abstattung des Heiratsgutes zusteht, kann auch eine Abwägung zwischen der Dringlichkeit des Bedarfs des Ausstattungsberechtigten auf der einen Seite und der Belastbarkeit des Ausstattungspflichtigen auf der anderen Seite entscheidend sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1991, 90/14/0279).
Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, daß die belangte Behörde lediglich festgestellt habe, die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Gründe reichten für die Annahme der Zwangsläufigkeit nicht aus, ohne sich mit diesen Gründen näher auseinanderzusetzen. Die belangte Behörde hat insbesondere nicht begründet, warum die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände der Eheschließung - mangelnde Vorhersehbarkeit durch den Beschwerdeführer zum Jahresende 1986 - unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit nicht maßgebend waren. Ebensowenig hat sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen über die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers und die dadurch ausgelöste angespannte Finanzlage näher befaßt. Mit diesen Begründungsmängeln hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im vorletzten Absatz zitierten Erkenntnisse tragen ihre rechtliche Beurteilung nicht.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die weiteren Beschwerdeausführungen näher einzugehen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130096.X00Im RIS seit
05.08.1992