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L20019 Personalvertretung Wien;Norm
EStG 1972 §16 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des Dr. S in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 15. März 1991, Zl. 6/3 - 3105/90-09, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht allein die Frage in Streit, ob die nach § 43 Abs. 3 des Wiener Landesgesetzes vom 14. Oktober 1985 über die Personalvertretung bei der Gemeinde Wien (Wiener Personalvertretungsgesetz - W-PVG), LGBl. Nr. 49/1985, vom Dienstgeber von den Monatsbezügen und Sonderzahlungen im Streitjahr einbehaltene und an den Personalvertretungsfonds abgeführte Personalvertretungsumlage als Pflichtbeitrag zu einer gesetzlichen Interessenvertretung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage nach § 16 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 anzusehen ist, der nach § 16 Abs. 3 letzter Satz EStG 1972 ohne Anrechnung auf den Werbungskostenpauschbetrag absetzbar und dementsprechend gemäß § 62 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 auch ohne diese Anrechnung von der Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen war.
Die belangte Behörde verneinte dies mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid aus der Erwägung, daß die Bestimmungen der ersten beiden Absätze des § 43 W-PVG die auf Antrag des Hauptausschusses zu beschließende Einhebung der Personalvertreterumlage ins Belieben der beschließenden Personalvertreterversammlung stellten; da diese Versammlung als Körperschaft öffentlichen Rechtes nicht angesehen werden könne, bilde ein von ihr gefaßter Beschluß auf Einhebung einer Personalvertreterumlage auch keine öffentlich-rechtliche Grundlage dieses beschlußgemäß eingehobenen Beitrags.
Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung dieses Bescheides. Er sieht sich in seinem Recht auf Berücksichtigung der Personalvertreterumlage als Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag des § 16 Abs. 3 EStG 1972 verletzt und führt dazu folgende Argumente ins Treffen: Die Personalvertretung sei durch Gesetz eingerichtet und bewirke Zwangsmitgliedschaft aller von ihr betroffenen Bediensteten des Dienststandes; diesen stünde eine Möglichkeit, sich der Verpflichtung zur Leistung der Umlage zu entziehen, nicht offen. Die Betrachtung einer Reihe von Bestimmungen des Wiener Personalvertretungsgesetzes zeige, daß der Gesetzgeber Organen der Personalvertretung Kompetenz zur Setzung genereller und individueller Verwaltungsakte zugewiesen und der Personalvertretung mit der Aufgabe der Wahrnehmung auch des öffentlichen Wohles die Besorgung öffentlicher Aufgaben aufgetragen habe. Dieser Umstand entkräfte neben anderen Unterschiedlichkeiten in der Rechtsstellung der Vertreter und der Vertretenen das Gewicht der Ähnlichkeit der Rechtslage mit jener Bestimmung des seinerzeit geltenden Betriebsrätegesetzes, zu welcher das der Betriebsratsumlage die öffentlich-rechtliche Grundlage absprechende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1972, 498/71, Slg. Nr. 4431/F, ergangen sei. Auch das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung spreche für die Subsumtion der Personalvertreterumlage unter die Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessensvertretungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Sollte der von der Personalvertreterversammlung der Hauptgruppe nach § 43 Abs. 2 W-PVG gefaßte Beschluß über Einhebung und Höhe der Umlage als öffentlich-rechtliche Grundlage nicht angesehen werden können, erwiese sich nämlich eine daraus resultierende Unzulässigkeit der Berücksichtigung der Personalvertreterumlage ohne Anrechnung auf den Werbungskostenpauschbetrag im Verhältnis zur gesetzlich solcherart eingeräumten Berücksichtigung einbehaltener Beiträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen als gleichheitswidrig, für welchen Fall der Beschwerdeführer eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der maßgebenden Gesetzesbestimmungen anrege.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Absetzbarkeit und Abzugsfähigkeit der in Rede stehenden Personalvertretungsumlage ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag nach den Bestimmungen der §§ 16 Abs. 3, 62 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 setzt ihre Eigenschaft als Pflichtbeitrag zu eienr gesetzlichen Interessenvertretung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage voraus. Der Charakter der Umlage als Pflichtbeitrag ist ebenso unbestritten wie jener der Personalvertretung als gesetzlicher Interessenvertretung.
Streitentscheidend ist somit die Frage, ob die Pflicht zur Entrichtung der Personalvertretungsumlage ihre Wurzel im öffentlichen Recht hat. Im Schrifttum wird dies - ohne Bezugnahme auf die Rechtslage nach anderen Landesgesetzen - lediglich für die nach § 31 Abs. 1 des NÖ Gemeinde-Personalvertretungsgesetzes, LGBl. 2002-1, einzuhebende Personalvertretungsumlage bejaht (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, TZ 17 zu § 62 EStG 1972, Sailer-Kranzl-Mertens-Bernold, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, 1988, S. 660). Als Begründung dieser Auffassung ist die vom niederösterreichischen Landesgesetzgeber in der zitierten Norm getroffene Regelung zu erkennen, die in der gesetzlichen Anordnung der Einhebung einer Personalvertretungsumlage in gesetzlich festgelegter Höhe den Organen der Personalvertretung keine Entscheidungskompetenz zur Beschlußfassung zuweist, sodaß Grund und Höhe der die Bediensteten treffenden Zahlungspflicht unmittelbar auf dem Gesetz beruhen.
Unterschiedlich beurteilt wird von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nun die Rechtsfrage, ob der Pflicht zur Leistung der Personalvertreterumlage nach dem Wiener Personalvertretungsgesetz die Grundlage im öffentlichen Recht deswegen fehlt, weil die Einhebung dieser Umlage und die Festsetzung ihrer Höhe im Rahmen des im Gesetz genannten Höchstbetrages von einem Beschluß der Personalvertreterversammlung abhängt. Die Lösung dieser Frage hängt davon ab, ob die Beschlußfassung des genannten Gremiums, welches gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4, § 9 W-PVG ein Organ der Personalvertretung ist, als eine Verwaltungstätigkeit gesehen werden kann, die einem öffentlich-rechtlichen Rechtsträger zuzurechnen ist. Diese Frage ist aus folgenden Erwägungen zu bejahen:
Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer eine Reihe von Anordnungen des Wiener Personalvertretungsgesetzes auf, in denen Organen der Personalvertretung Obliegenheiten zugemessen werden, mit denen sie nach verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen zu findende Entscheidungen zu treffen haben: So hat etwa der Dienststellenwahlausschuß nach § 20 Abs. 3 W-PVG über Einwendungen gegen die von ihm zu verfassende Wählerliste eine Entscheidung zu treffen, gegen die in § 20 Abs. 4 W-PVG das Rechtsmittel der Berufung an den Zentralwahlausschuß eingeräumt wird. Im Wahlprüfungsverfahren hat der zur Entscheidung berufene Zentralwahlausschuß gemäß § 28 Abs. 2 W-PVG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 anzuwenden. Nach § 36 Abs. 4 des genannten Gesetzes kann der Zentralausschuß mit einer - durch ordentliches Rechtsmittel nicht anfechtbaren Entscheidung - einem Personalvertreter wegen Verletzung der diesen treffenden Verschwiegenheitspflicht das Mandat aberkennen oder verfügen, daß ein Bediensteter für eine bestimmte Zeit als Personalvertreter nicht wählbar ist. Gemäß § 4 Abs. 3 W-PVG hat der Zentralausschuß bestimmte organisatorische Maßnahmen zu treffen, deren Ergebnis nach dem fünften Absatz dieses Paragraphen vom Magistrat kundzumachen ist.
Aus diesen beispielhaft dargestellten Bestimmungen wird deutlich, daß der Gesetzgeber des Wiener Personalvertretungsgesetzes Organen der Personalvertretung in gewissem Umfang hoheitliche Befugnisse eingeräumt hat. Wenngleich verschiedene rechtliche Elemente, wie die obligatorische Mitgliedschaft, die Mitbestimmung der Vertretenen einschließlich der Bestellung der Organe aus ihrer Mitte, die dargestellte Befehlsgewalt einschließlich des hier in Rede stehenden Rechtes, den Vertretenen finanzielle Leistungen vorzuschreiben, ebenso wie die relative Unabhängigkeit bei der Besorgung eigener Angelegenheiten und die finanzielle Selbständigkeit es nahelegten, die so eingerichtete Personalvertretung als verwaltungsrechtliche Organisationsform der Selbstverwaltung anzusehen - wofür auch die in § 47 Abs. 1 Z. 6 W-PVG statuierte Aufsichtsunterworfenheit spräche -, steht einem solchen Verständnis der Umstand entgegen, daß der Gesamtheit der von der Personalvertretung nach dem Wiener Personalvertretungsgesetz vertretenen Bediensteten Rechtspersönlichkeit nicht zukommt (vgl. dazu Antoniolli - Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, S. 351 ff). Der angesichts der Bestimmung des § 3 Abs. 5 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes wahrzunehmende körperschaftliche Einschlag in der Organisation der Personalvertretung der Bundesbediensteten (vgl. Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, S. 368) findet sich für das Personalvertretungsrecht der Wiener Gemeindebediensteten nicht.
Das ändert allerdings nichts am festzustellenden hoheitlichen Charakter der einzelnen Organen der Personalvertretung nach dem Wiener Personalvertretungsgesetz eingeräumten Befugnisse. Ihr Handeln ist damit mangels Vorhandensein eines anderen Rechtsträgers als Verwaltungshandeln der Gemeinde Wien selbst zuzurechnen, welche die ihr auf Grund der Art. 15 Abs. 1, 108 B-VG zur Vollziehung zukommende Angelegenheit des Personalvertretungsrechtes durch die im Gesetz bestimmten Organe der Personalvertretung besorgt.
Damit ist aber auch die nach § 43 Abs. 2 W-PVG auf Antrag des Hauptausschusses von der Personalvertreterversammlung der Hauptgruppe beschlossene Einhebung einer Personalvertreterumlage als Akt hoheitlichen Handelns anzusehen, der die Pflicht der Bediensteten zur Leistung dieser Umlage nach Grund und Höhe auf öffentliches Recht gründet. Mit der im hg. Vorerkenntnis vom 26. September 1972, 498/71, behandelten Betriebsratsumlage ist der den Gegenstand dieses Rechtsstreits bildende Pflichtbeitrag demnach nicht vergleichbar.
Dies erweist den angefochtenen Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, er war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Eingabengebühr ist nach § 14 TP 6 GebG von der Anzahl der Bögen unabhängig.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991130104.X00Im RIS seit
05.08.1992