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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des E in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. April 1991, Zl B 153-4/90, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe vons S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte für das Jahr 1988 die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf seiner Lohnsteuerkarte wegen außergewöhnlicher Belastung für die Ausbildung seines Sohnes zum Berufspiloten im Ausmaß von S 348.182,61. Der diesen Antrag mit der Begründung, die Finanzierung derartig hoher Kosten ginge über die rechtliche und sittliche Verpflichtung der Eltern hinaus, abweisende Bescheid des Finanzamtes wurde mit Berufung angefochten. Darin wurde ausgeführt, die im § 34 Abs 3 EStG 1972 normierten Voraussetzungen für eine Zwangsläufigkeit seien durch Vorliegen rechtlicher und sittlicher Gründe gegeben. In der Folge legte der Beschwerdeführer die Gründe dar, die ihn veranlaßt hatten, die Ausbildung seines Sohnes zu finanzieren. Diese lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß die dem ausgeprägten Berufswunsch des Sohnes entsprechende Ausbildung möglichst konzentriert (ohne Nebenbeschäftigung des Sohnes zur Geldbeschafffung) und kostengünstig (weswegen eine Ausbildung in den USA gewählt wurde, da die Ausbildung dort mit rund 60 % der in Österreich anfallenden Kosten zu veranschlagen gewesen wäre) absolviert werden sollte.
Nach abweisender Berufungsvorentscheidung und rechtzeitigem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid insoweit teilweise stattgegeben, als die Kosten der Berufsausbildung in Höhe von S 150.000,-- als zwangsläufig erwachsen beurteilt wurden. Nach Abzug der zumutbaren Mehrbelastung im Sinn des § 34 Abs 4 EStG 1972 in Höhe von S 43.537,-- wurde eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von S 106.463,-- anerkannt. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Sohnes des Beschwerdeführers nach der herrschenden Spruchpraxis der Zivilgerichte mit 22 % des wirtschaftlichen Einkommens des Verpflichteten begrenzt sei. Im Hinblick auf die einjährige Ausbildungszeit und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vaters vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß ein einmaliger Aufwand von 30 % des wirtschaftlichen Einkommens des Vaters für die Ausbildung des Sohnes gerechtfertigt erscheine und noch als Ausfluß des anständigen Unterhaltes angesehen werden könne. Dem diesem Prozentsatz entsprechenden Betrag von S 150.000,-- komme im Ausbildungsjahr das Merkmal der Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen zu. Den darüber hinaus aufgewendeten Beträgen fehle das Merkmal der Zwangsläufigkeit einerseits aus rechtlichen, andererseits aber auch aus sittlichen Gründen, weil "man bei billig und gerecht denkenden Menschen auf wenig Verständnis stoßen würde, wenn einem Steuerpflichtigen zu Lasten der steuerlichen Allgemeinheit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, die über die gesetzliche Unterhaltspflicht weit hinausgehen und nur deshalb gezahlt wurden, weil sich der Beschwerdeführer in einer finanziell günstigen Lage befand".
Der Beschwerdeführer erachtet sich in der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf volle Anerkennung der gesamten Aufwendungen für die Ausbildung seines Sohnes als außerordentliche Belastung insoferne verletzt, als sein Mehrbegehren abgewiesen wurde, und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem ersten Satz des § 34 Abs. 1 EStG 1972 werden außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig (Abs. 3) erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Gemäß dem ersten Satz des § 34 Abs. 2 EStG 1972 liegt eine außergewöhnliche Belastung, die zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führt, vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig (Abs. 3) größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs 3 EStG 1972 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Ausschließlich strittig ist im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes, ob die über die anerkannten S 150.000,-- oder rund 30 % des wirtschaftlichen Einkommens des Beschwerdeführers hinausgehenden Ausbildungskosten als dem Beschwerdeführer zwangsläufig erwachsen anzusehen sind. Der Beschwerdeführer meint diesbezüglich, daß im Hinblick auf die Einmaligkeit der getragenen Aufwendungen eine erhöhte Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn zu Lasten des Unterhalts der übrigen Familienmitglieder insbesondere als rechtlich gegeben anzuerkennen sein sollte. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die auf dem Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 10. April 1981, 13/3487/80, basierende Meinung zitiert, wonach unter anderem die vom Bundesministerium für Justiz errechneten Durchschnittsbedarfsätze nur eine Komponente der Unterhaltsfestsetzung darstellen, die eine darüber hinausgehende Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen oder die Berücksichtigung besonderer Umstände keinesfalls ausschließt, ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse ohnehin einen höheren Prozentsatz anerkannt hat, als die Zivilgerichte üblicherweise bei Ausmessung der Unterhaltsverpflichtungen ansetzen. Daß der Beschwerdeführer aus rechtlichen Gründen verpflichtet gewesen wäre, seinem Sohn einen Unterhalt in einem höheren als dem von der belangten Behörde angenommenen Ausmaß - statt 30 % nämlich (bei gleicher Basis) rund 69 % seines wirtschaftlichen Einkommens - zu gewähren, kann der Gerichtshof schon deshalb nicht finden, weil ein derartiger Unterhalt zu Lasten des zu berücksichtigenden anständigen Unterhaltes der übrigen (drei) Familienmitglieder ginge. Soweit der Beschwerdeführer meint, daß mit den restlichen rund 21 % des wirtschaftlichen Einkommens ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung standen, mag dies stimmen; inwiefern die übrigen Familienmitglieder - wie der Beschwerdeführer auch behauptet - keinerlei Einschränkungen ihrer persönlichen Verhältnisse zu erleiden verhalten gewesen wären, ist jedoch nicht nachvollziehbar.
Wenn der Beschwerdeführer überdies die Ansicht vertritt, daß über die von der belangten Behörde anerkannte rechtliche Verpflichtung hinaus wohl auch eine sittliche Verpflichtung anerkannt werden müsse, so ist darauf hinzuweisen, daß gerade auf dem Gebiet der Unterhaltsregelungen die gesetzlichen Vorschriften weitgehend von sittlichen Wertvorstellungen geprägt sind. Eine besondere, über die rechtliche Unterhaltspflicht hinausgehende sittliche Verpflichtung zur Übernahme von Unterhaltsleistungen kommt daher nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (vgl die hg Erkenntnisse vom 19. November 1979, 1378, 1431/78, und vom 20. April 1982, 81/14/0124). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil es dem Beschwerdeführer unbenommen geblieben wäre, seinem Sohn im Hinblick auf die ungewöhnlich hohen Ausbildungskosten hinsichtlich der die normalen Unterhaltsleistungen übersteigenden Kosten ein notfalls fremdfinanziertes Darlehen zu gewähren. Eine sittliche Verpflichtung vermag der Beschwerdeführer auch mit seinem Hinweis auf einen fiktiven Sachverhalt, wie er möglicherweise vorgelegen hätte, wenn die (nur) ein Jahr dauernde Berufspilotenausbildung vom Beschwerdeführer nicht finanziert worden wäre, und den daraus folgenden (höheren) Kosten für die "steuerliche Allgemeinheit" nicht darzutun, weil ein derartiger Fall gegenständlich nicht zu beurteilen war.
Bei Beurteilung der Frage, ob für den Beschwerdeführer eine sittliche Verpflichtung bestand, seinem Sohn die Berufsausbildungskosten in voller Höhe - zumal aus dem Einkommen - zu bezahlen, genügt es überdies nicht, daß die Leistung menschlich verständlich ist. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt vielmehr voraus, daß sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen zu der Leistung verpflichtet halten kann (vgl. das hg Erkenntnis vom 24. April 1990, 90/14/0064). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nicht alles, wozu sich Eltern ihren Kindern gegenüber verpflichtet fühlen, um ihnen die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen, als sittliche Verpflichtung im Sinne des § 34 Abs 3 EStG anzusehen ist (vgl. das hg Erkenntnis vom 24. Oktober 1990, 87/13/0081).
Soweit der Beschwerdeführer bemerkt, daß der gesamte Aufwand für die Berufsausbildung seines Sohnes als außergewöhnliche Belastung auch deshalb voll berücksichtigungsfähig sein müsse, weil künftige Linienpiloten durch Inanspruchnahme öffentlicher Gelder auch über den Umweg des Bundesheeres ihre Ausbildung praktisch kostenlos vom Staat erhalten, so ist darauf hinzuweisen, daß diese Möglichkeit einerseits nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, etwa bei langjähriger Verpflichtung zum Dienst beim Bundesheer, besteht, und andererseits die Pilotenausbildung in derartigen Fällen - ungeachtet einer späteren beruflichen Verwertung der erworbenen Kenntnisse - zunächst jedenfalls für Zwecke des Bundesheeres selbst dient. Abgesehen davon ist für die Zuerkennung einer außergewöhnlichen Belastung allein entscheidend, ob bzw. inwieweit die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34 EStG 1972 erfüllt sind.
Die weiteren Beschwerdeausführungen, wonach einem überdurchschnittlich verdienenden Steuerpflichtigen auch höhere Unterhaltsverpflichtungen zuzubilligen seien, sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, weil die belangte Behörde die Unterhaltsverpflichtungen des Beschwerdeführers nicht am Durchnittsverdienst der österreichischen Bevölkerung gemessen hat, sondern nach einem prozentuellen Anteil des Einkommens des Beschwerdeführers, wodurch das relativ hohe Einkommen des Beschwerdeführers in ausreichendem Ausmaß berücksichtigt wurde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl Nr 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991140120.X00Im RIS seit
07.08.1992