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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über den Antrag der D GmbH in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der unter hg 92/14/0010 protokollierten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1992, 92/14/0010-5, zugestellt am 1. April 1992, wurde das Verfahren betreffend die von der Antragstellerin erhobene Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 9. Dezember 1991, Zl B 50 - 4/91, betreffend Umsatzsteuer für die Monate April bis Juni 1991, eingestellt, weil die Antragstellerin dem an sie ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht nachgekommen war, als sie innerhalb der gesetzten Frist nur eine unterschriftslose Ablichtung der Beschwerde vorlegte, ohne diese von ihrem Rechtsanwalt (in der Folge: Rechtsanwalt) unterfertigen zu lassen.
Mit dem nunmehrigen, am 14. April 1992 zur Post gegebenen Antrag begehrt die Antragstellerin unter Vorlage von vier vom Rechtsanwalt unterfertigten Ablichtungen der Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wobei sie im wesentlichen ausführt, die Erfüllung des vom Verwaltungsgerichtshof erteilten Auftrages zur Verbesserung der Beschwerde sei vom Rechtsanwalt überwacht worden. Darüber hinaus habe der Rechtsanwalt anläßlich der Abfertigung jedes Schriftstück einer zusätzlichen Kontrolle unterzogen. Da es für den Rechtsanwalt zweifelhaft gewesen sei, ob eine unterschriftslose oder eine von ihm unterfertigte Ausfertigung der Beschwerde zu übersenden sei, habe er sich im Zweifel entschlossen, beides beizulegen. Der Rechtsanwalt könne sich wegen der anläßlich der Abfertigung bei ihm bestandenen Zweifel genau erinnern, daß an den Verwaltungsgerichtshof eine unterschriftslose und drei unterfertigte Ablichtungen der Beschwerde übersandt worden seien. Zum Beweis der Richtigkeit dieses Vorbringens bot der Rechtsanwalt seine Einvernahme vor dem Verwaltungsgerichtshof an und beantragte überdies, die zuständigen Beamten zu befragen. Der Rechtsanwalt schloß mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, daß jener Kanzleikraft, mit der er selbst die Schriftsätze sortiert habe, ein Fehler bei der Kuvertierung unterlaufen sei. Er sei sich absolut sicher, daß er dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze entsprochen habe.
Der Leiter der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes gab vom Berichter vernommen am 29. April 1992 zu Protokoll, er selbst habe den Eingangsstempel am 26. Februar 1992 auf die neuerlich vorgelegten Beschwerdeausfertigungen gesetzt, wobei der handschriftliche Vermerk "3" auf dem Eingangsstempel der ersten Ausfertigung bedeute, es seien drei Ausfertigungen der Beschwerde eingelangt. Er schließe es aus, daß entgegen dem handschriftlichen Vermerk auf dem Eingangsstempel eine vierte Ausfertigung der Beschwerde am 25. Februar 1992 zur Post gegeben und am nächsten Tag im Gericht eingelangt sei. Eine vierte Ausfertigung habe sich nicht im Kuvert befunden.
Die Antragstellerin erstattete eine Stellungnahme zu dem ihr übermittelten Protokoll vom 29. April 1992, wobei sie im wesentlichen ausführte, sie sei sicher, ihr Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entspreche den Tatsachen. Allerdings sei auch der Leiter der Einlaufstelle von der Richtigkeit seiner Ausführungen überzeugt. Es obliege daher nunmehr dem Verwaltungsgerichtshof in freier Beweiswürdigung zu entscheiden, ob der Fehler dem Rechtsanwalt oder dem Leiter der Einlaufstelle unterlaufen sei. Im Zweifel sollte jedoch eine Beweiswürdigung zu ihren Gunsten vorgenommen werden, um so die Möglichkeit zu eröffnen, über die Beschwerde gegen den bereits erwähnten Bescheid materiellrechtlich zu entscheiden.
Die von der Antragstellerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann, wie sich aus § 46 Abs 1 VwGG ergibt, nur auf Grund eines Antrages bewilligt werden. Für die Entscheidung, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist oder nicht, ist daher das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag maßgebend. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl das Erkenntnis vom 26. September 1990, 89/13/0240, mwA, das zum inhaltlich gleichen § 308 BAO ergangen ist), ist die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen der Wiedereinsetzungswerberin gesteckt ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muß daher bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht bzw müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (vgl den hg Beschluß vom 28. Juni 1989, 89/16/0093, mwA).
Wie die Antragstellerin, der das Verschulden des Rechtsanwaltes gleichzusetzen ist (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 656 f), in ihrer Stellungnahme zum Protokoll vom 29. April 1992 zu Recht ausgeführt hat, obliegt es dem Verwaltungsgerichtshof in freier Beweiswürdigung zu entscheiden, ob ein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht worden ist. Taugliche Bescheinigungsmittel hat die Antragstellerin nicht beigebracht. Im Antrag auf Einvernahme des Rechtsanwaltes wird nicht dargetan, was dieser über das im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits Gesagte hinaus bei einer Einvernahme vorgebracht hätte. Die beantragte Einvernahme erübrigte sich daher.
Der Verwaltungsgerichtshof geht aus folgenden Gründen davon aus, daß vom Rechtsanwalt in Erfüllung des erteilten Auftrages zur Verbesserung der Beschwerde nur ZWEI UNTERFERTIGTE Ausfertigungen der Beschwerde zur Post gegeben worden sind:
Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird behauptet, der Rechtsanwalt hätte Zweifel gehabt, ob eine unterschriftslose oder eine von ihm unterfertigte Ausfertigung der Beschwerde verlangt werde und deswegen sowohl eine Ausfertigung ohne als auch eine mit Unterschrift abgefertigt. Es erscheint unwahrscheinlich, daß im Zweifel neben einem unterfertigten Schriftstück noch ein nicht unterfertigtes zur Post gegeben wird, weil völlig unerklärt geblieben ist, welche Bedeutung nach den Vorstellungen des Rechtsanwaltes in diesem Fall dem nicht unterfertigten Exemplar noch zukommen sollte. Es ist daher nicht glaubwürdig, daß der Rechtsanwalt sowohl eine unterschriftslose als auch eine unterfertigte Ausfertigung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof übersandt hat. Daß der Rechtsanwalt insgesamt nur drei Ablichtungen der Beschwerde abgefertigt hat, ergibt sich auch aus dem Eingangsvermerk der Einlaufstelle, dessen Richtigkeit vom Leiter derselben ausdrücklich bestätigt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hält die Ausführungen des Leiters der Einlaufstelle in Verbindung mit dem Eingangsvermerk auf der zu 92/14/0010 protokollierten Beschwerde auch deshalb für glaubwürdig, weil dem Leiter der Einlaufstelle jegliches Interesse an der materiellrechtlichen Erledigung der Beschwerde im Gegensatz zum Rechtsanwalt mangelt.
Der als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Sachverhalt ist somit nicht bescheinigt, weswegen schon aus diesem Grund dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992140058.X00Im RIS seit
07.08.1992