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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §59 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. G in X, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 4. Juni 1992, Zl. A 17-K-1.960/1987-28, betreffend die Erteilung eines Abbruchauftrages (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. W und 2. E, beide in X), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 14. Dezember 1988 wurde den mitbeteiligten Parteien die baubehördliche Bewilligung zum Ausbau des Dachgeschosses für Wohnzwecke auf den Grundstücken Nr. 2716 und 2718/1, EZ 1037, KG Z unter Festsetzung von Auflagen erteilt. Der gegen diesen Bescheid (u.a.) vom Beschwerdeführer (als Nachbar) erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1990 keine Folge gegeben. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1991, Zlen. 90/06/0172, 0174 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die vom Beschwerdeführer im Devolutionsweg angerufene belangte Behörde gemäß § 70a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung LGBl. Nr. 42/1991 in Verbindung mit § 73 AVG an die mitbeteiligten Parteien den Auftrag erlassen, "die (nach Aufhebung der Baubewilligung durch den Verwaltungsgerichtshof) nunmehr konsenslos bestehenden baulichen Maßnahmen, nämlich den Ausbau eines Dachgeschosses für Wohnzwecke auf den Grundstücken Nr. 2716 und 2718/1, EZ 1037, KG Z, binnen acht Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende (Nachbar-)Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1991 steht den Nachbarn das Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten nach Abs. 1 ihrer Interessen (§ 61 Abs. 2) verletzen.
Der Beschwerdeführer ist - wie nicht zuletzt aus dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1991, Zlen. 90/06/0172, 0174 hervorgeht - hinsichtlich des strittigen Bauvorhabens der mitbeteiligten Parteien (Ausbau eines Dachgeschosses für Wohnzwecke) Nachbar im Sinne des § 61 Abs. 2 BO, jedoch - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Beschluß vom 21. Mai 1992, Zl. 92/06/0091 ausgesprochen hat - nur insoweit Partei des Beseitigungsverfahrens, als die Bauführung seine Rechte im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. a bis i oder k BO verletzt und der Nachbar diese Rechtsverletzung geltend macht.
Vor dem Hintergrund der Begründung des wiederholt zitierten Erkenntnisses vom 28. November 1991, Zl. 90/06/0172, 0174, womit auf Grund einer (zulässigen) Nachbareinwendung des Beschwerdeführers der die Baubewilligung bestätigende Berufungsbescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, hat der Beschwerdeführer im Sinne des § 70a Abs. 2 BO insoweit auch das Recht auf Erlassung eines Beseitigungsauftrages des konsenslos gewordenen Bauwerks. Seine Beschwerde ist daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet:
Wie schon in der zu hg. Zlen. 90/06/0172, 0174, protokollierten Beschwerde macht der Beschwerdeführer neuerlich geltend, daß die Zuständigkeitsnorm des § 71 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung, wonach über Berufungen gegen Bescheide der Behörde erster Instanz der Gemeinderat entscheidet, verfassungswidrig sei, weil dadurch das durch Art. 6 Abs. 1 MRK verfassungsgesetzlich geschützte Recht des Beschwerdeführers, wonach über "civil rights" ein "Tribunal" zu entscheiden habe, offensichtlich verletzt werde. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer auf Praxis und Rechtsprechung der Europäischen Kommission für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs (die er näher darlegt), nach welcher auch die Behandlung von Einwendungen eines Anrainers gegen ein Bauvorhaben eine Entscheidung über "civil rights" sei. Damit bringt der Beschwerdeführer jedoch keine neuen sachlichen Gesichtspunkt vor, die den Verwaltungsgerichtshof dazu bestimmen könnten, beim Verfassungsgerichtshof betreffend § 71 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung ein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG anhängig zu machen. Der erkennende Senat kann sich daher darauf beschränken, auf die dafür bereits im Erkenntnis vom 28. November 1991, Zlen. 90/06/0172, 0174, ausführlich dargelegten Gründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen.
Im übrigen rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 59 Abs. 1 und 2 AVG mit der Begründung, der Spruch des angefochtenen Bescheides beziehe sich nicht hinreichend präzise auf jene Bauführungen, die die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 14. Dezember 1988 bewilligt hat; darüber hinaus sei die Setzung einer achtwöchigen Frist ab Rechtskraft rechtswidrig, da es sich im vorliegenden Fall um einen letztinstanzlichen Bescheid handle und eine Frist von acht Wochen angesichts der bisherigen Verfahrensdauer unangemessen lang sei.
Soweit der Beschwerdeführer der Sache nach eine Undeutlichkeit des Spruchs des angefochtenen Bescheides geltend macht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach (zwar) nur der Spruch, nicht aber auch die Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen, der Bescheid aber doch als Ganzes zu beurteilen und für die Lösung der Frage, inwieweit die Absicht bestand, damit über individuelle Rechtsverhältnisse in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen, nicht nur vom Spruch des Bescheides auszugehen, sondern auch zu dessen Deutung die Begründung heranzuziehen ist, zumal Spruch und Gründe einer Entscheidung eine Einheit bilden (vgl. die bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, zu § 59 AVG abgedruckten Entscheidungen E 9 ff, Seite 519 f). Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde zwar nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides, wohl aber in der Begründung auf den Baubewilligungsbescheid vom 14. Dezember 1988 hingewiesen, sodaß - betrachtet man Spruch und Begründung - kein Zweifel daran bestehen kann, in welchem Umfang das Gebäude der mitbeteiligten Parteien nach den Intentionen des angefochtenen Bescheides zu beseitigen ist.
Die Verwendung des Wortes "Aufbau" statt "Ausbau" im Spruch des angefochtenen Bescheides vermag die insoweit gegebene Deutlichkeit des Spruchs nicht zu beeinträchtigen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde zu Recht (nur) auf die Aufhebung der Baubewilligung durch den Verwaltungsgerichtshof berufen, wurde doch die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1991,
Zlen. 90/06/0172, 0174, beseitigt, welcher Umstand schon für sich allein (ungeachtet des weiteren Schicksals des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides) ZUNÄCHST die Konsenslosigkeit der mittlerweile vorgenommenen Bauführung bewirkt.
Hinsichtlich der Dauer der von der belangten Behörde gesetzten Frist verkennt der Beschwerdeführer zunächst, daß es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen im Devolutionsweg ergangenen erstinstanzlichen Beseitigungsauftrag handelt. Die belangte Behörde hatte daher jedenfalls vorzusorgen, daß dem Adressaten des Beseitigungsauftrages ab Zustellung (der hier mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft zusammenfällt) ein ausreichender Zeitraum zur Inangriffnahme und Durchführung der aufgetragenen baulichen Maßnahmen zur Verfügung steht. Der Zeitraum von der Antragstellung des Nachbarn bis zur Erlassung des Abbruchbescheides ist für die Ausmessung der Leistungsfrist daher ohne Bedeutung. Es ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls auszuschließen, daß eine Frist von acht Wochen zur Beseitigung des Dachgeschosses auf dem Haus der mitbeteiligten Parteien unangemessen lang ist. Es kann daher auch auf sich beruhen, ob dem Beschwerdeführer als Nachbar überhaupt ein Recht auf Setzung einer kürzeren Beseitigungsfrist im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 70a BO zukommt.
Da somit bereits das Beschwerdevorbringen erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992060149.X00Im RIS seit
03.05.2001