TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/1 WI-3/89

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Veröffentlicht am 01.03.1990
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita Sbg GdWO §44 Abs2 Sbg GdWO §47

Leitsatz

Anfechtung der Wahl einer Gemeindevertretung; keine Stattgabe; keine Verfassungswidrigkeit durch die Bewertung eines Wahlvorschlags als nicht eingebracht mangels gesetzmäßiger Unterzeichnung desselben

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 13. Feber 1989, LGBl. 25/1989, wurden für den 8. Oktober 1989 ("Wahltag") die allgemeinen Wahlen der Gemeindevertretungen der Gemeinden des Landes Salzburg (mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg) ausgeschrieben.

1.2.1. Als eine von mehreren wahlwerbenden Gruppen brachte daraufhin die "Bürgerliste Badgastein (BLB)" am 8. September 1989 beim Gemeindeamt der Gemeinde Badgastein einen zwölf Blätter umfassenden Wahlvorschlag ein, der eine unterscheidende Parteibezeichnung in Worten, eine dreizehn Personen umfassende Parteiliste, die Nennung der zustellungsbevollmächtigten Vertreter sowie eine bestimmte Anzahl von "Unterstützungsunterschriften" enthielt.

1.2.2. Am 14. September 1989 trat die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Badgastein zur Überprüfung der für die Gemeindevertretungswahl eingereichten Wahlvorschläge gemäß §§47 und 50 der Salzburger Gemeindewahlordnung 1974 (GWO), LGBl. 72/1974, idF vor der Novelle LGBl. 79/1989 zusammen.

Über den Verlauf dieser Sitzung geht aus der Niederschrift dazu ua. hervor:

"Wahlvorschlag der BLB-Bürgerliste Badgastein

Der Wahlvorschlag der BLB-Bürgerliste Badgastein wird von der Gemeindewahlbehörde auf Vollständigkeit hinsichtlich des §44 GWO überprüft. Sie stellt sodann fest:

Der Wahlvorschlag wurde fristgerecht eingebracht. Er weist aber folgende Formfehler auf:

Beim zustellbevollmächtigten Vertreter sowie bei den 2 Ersatzpersonen für diesen fehlt die Angabe des Berufes. Auf der Parteiliste Kandidaten-Reihung fehlt die unterscheidende Parteibezeichnung. Weiters stimmt das Geburtsdatum des Listenführers Dir. P H nicht. Herr Dir. P H ist nicht 1943, sondern 1935 geboren. Bei Herrn G S stimmt das Geburtsdatum ebenfalls nicht. Herr G S ist 1942 und nicht 1943 geboren. Weiters weist der Wahlvorschlag nicht die gemäß §44 Abs2 GWO erforderlichen Geburtsdaten der unterzeichneten Wähler auf. Ohne Angabe der lt. Gesetz vorgeschriebenen Geburtsdaten kann seitens der Gemeindewahlbehörde die Wahlberechtigung der unterschriftsleistenden Wähler nicht festgestellt werden. Weiters scheint auf den Unterschriftslisten die Bezeichnung der kandidierenden Partei BLB-Bürgerliste Badgastein nicht auf, womit keine Gewähr gegeben ist, daß die Personen, die auf den dem Wahlvorschlag angeschlossenen einzelnen Blättern ihre Unterschrift geleistet haben, die wahlwerbende Partei wirklich gekannt und genehmigt haben.

Der Vorsitzende stellt den Wahlvorschlag der BLB-Badgastein zur Abstimmung.

Die Gemeindewahlbehörde beschließt einstimmig, den Wahlvorschlag der BLB-Badgastein zur Gemeindevertretungswahl 1989 nicht zuzulassen. Mangels entsprechender Formerfordernisse wird somit dieser Wahlvorschlag auch nicht abgeschlossen, veröffentlicht und findet für die Gemeindevertretungswahl 1989 keine Berücksichtigung."

1.2.3. Mit Schreiben vom 21. September 1989 teilte die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Badgastein der Wählergruppe "Bürgerliste Badgastein (BLB)" folgendes mit:

"Zu dem . . . fristgerecht eingebrachten Wahlvorschlag der BLB-Bürgerliste Badgastein hat die Gemeindevertretung (richtig: Gemeindewahlbehörde) am 14.9.1989 folgenden Beschluß gefaßt:

Der Wahlvorschlag weist nicht die gemäß §44 Abs2 GWO erforderlichen Kriterien auf:

1.

Die unterscheidende Parteibezeichnung auf der Parteiliste (siehe Kopie) fehlt.

2.

Bei den Unterschriften der unterstützenden Wähler auf den abgegebenen Unterschriftslisten fehlen die Geburtsdaten.

3.

Bei der Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters und eines ersten und zweiten Ersatzmannes für diesen fehlt der Beruf.

Ohne Geburtsdaten kann seitens der Gemeindewahlbehörde die Wahlberechtigung der unterschriftsleistenden Wähler nicht festgestellt werden. Weiters scheint auf den Unterschriftslisten die Bezeichnung der kandidierenden Partei - BLB-Bürgerliste Badgastein - nicht auf, womit keine Gewähr gegeben ist, daß die Personen, die auf den dem Wahlvorschlag angeschlossenen einzelnen Blättern ihre Unterschrift geleistet haben, die wahlwerbende Partei wirklich gekannt und genehmigt haben.

Da bei der Auslegung der Wahlrechtsvorschriften die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnung streng gebunden sind und die Bestimmungen der Wahlordnung strikte nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden müssen, muß festgestellt werden, daß die vorgelegten Unterschriftslisten nicht den Formerfordernissen des §44 Abs2 GWO entsprechen.

Da somit der Wahlvorschlag die erforderlichen Kriterien nicht aufweist, gilt er gemäß §47 Abs2 GWO 1974, LGBl. Nr. 72/1974 idgF als nicht eingebracht. Infolge Fehlens gesetzlich zwingender Formerfordernisse wird somit dieser auch nicht abgeschlossen und veröffentlicht. Er findet für die Gemeindevertretungswahl 1989 keine Berücksichtigung."

1.3. Der Wahlvorschlag der "Bürgerliste Badgastein (BLB)" (künftig: BLB) wurde in weiterer Folge von der Gemeindewahlbehörde nicht veröffentlicht (§50 GWO); er lag somit auch nicht der Wahl zur Gemeindevertretung der Gemeinde Badgastein vom 8. Oktober 1989 zugrunde, die nachstehendes Ergebnis erbrachte:

   Gesamtsumme der abgegebenen (gültigen

   und ungültigen) Stimmen:            2758;

         davon ungültig:                 80,

                gültig:                2678.

Von den gültigen Stimmen entfielen auf die

         ÖVP      552 Stimmen     ( 5 Mandate),

         SPÖ     1089 Stimmen     (10 Mandate),

         FPÖ     1037 Stimmen     (10 Mandate).

(Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom 8. Oktober 1989).

1.4.1. Mit ihrer am 6. November 1989 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die BLB die Nichtigerklärung der Wahl der Gemeindevertretung der Gemeinde Badgastein vom 8. Oktober 1989 wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.

Begründend brachte die Anfechtungswerberin dazu - gerafft wiedergegeben - vor, daß die von der Gemeindewahlbehörde im Schreiben vom 21. September 1989 angeführten Mängel keinesfalls die Nichtberücksichtigung des Wahlvorschlages iSd §47 Abs2 GWO rechtfertigen können: So sei es zwar richtig, daß die dem ersten Blatt des Wahlvorschlages beiliegende Parteiliste eine unterscheidende Parteibezeichnung nicht enthalte. In diesem Fall wäre aber der Wahlvorschlag, da kraft §45 Abs2 iVm §44 GWO eine Parteibezeichnung nicht zwingend erforderlich sei, nach dem in der Parteiliste an erster Stelle vorgeschlagenen Bewerber zu benennen gewesen, zumal die Gefahr einer Verwechslung der Kandidaten nicht bestanden habe. Von einem die Nichtveröffentlichung des Vorschlages rechtfertigenden Mangel könne daher keine Rede sein. Gleiches gelte für das von der Gemeindewahlbehörde gerügte Fehlen der Geburtsdaten der den Wahlvorschlag mit ihrer Unterschrift unterstützenden Personen. Denn §44 Abs2 zweiter Satz GWO, wonach bei den Unterschriften der Wähler außer dem Vornamen, dem Zunamen und der Anschrift auch das Geburtsdatum anzugeben sei, stelle sich bloß als Ordnungsvorschrift dar, die ausschließlich den Zweck verfolge, der Wahlbehörde eine eindeutige Identifizierung der den Wahlvorschlag unterstützenden (wahlberechtigten) Personen zu ermöglichen. Da es sich hier jedoch ausnahmslos um amtsbekannte Gemeindebürger gehandelt habe, wäre der Behörde eine Überprüfung der Wahlberechtigung ohne weiteres möglich gewesen. Ferner hätte dieser unwesentliche formale Fehler bei einer unverzüglichen Verständigung der Einschreiter noch behoben werden können. Unrichtig sei schließlich auch die in Punkt 3. der Zuschrift vom 21. September 1989 zum Ausdruck gebrachte Auffassung der Gemeindewahlbehörde, das Fehlen der Berufsangabe des zustellungsbevollmächtigten Vertreters und seiner beiden Ersatzmänner gebe einen gravierenden Mangel ab: Denn zum einen sei der Gemeindewahlbehörde die berufliche Tätigkeit des zustellungsbevollmächtigten Vertreters und des ersten Ersatzmannes ohnehin bekannt gewesen; zum anderen habe sich der Beruf des zweiten Ersatzmannes zwanglos aus den Angaben in der Parteiliste ergeben. Zudem könne das Fehlen der von §44 Abs2 Z 3 GWO geforderten näheren Angaben zB über den Beruf und die Anschrift des zustellungsbevollmächtigten Vertreters einer Wählergruppe niemals zur Nichtberücksichtigung eines eingebrachten Wahlvorschlages führen, wie ein Blick auf §46 Abs2 GWO zeige. Nach dieser Bestimmung gelten nämlich, wenn der Wahlvorschlag keine(n) zustellungsbevollmächtigten Vertreter (Ersatzmänner) aufweise, der Erstunterzeichnete als Zustellungsbevollmächtigter und die beiden Nächstunterzeichneten als Ersatzmänner.

1.4.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Badgastein legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

1.5.1. Der mit "Wahlvorschlag" überschriebene §44 GWO lautet:

"(1) Vereinigungen von Wählern, die sich an der Wahlwerbung beteiligen (Wählergruppen), haben ihre Wahlvorschläge spätestens am 30. Tag vor dem Wahltag bis 13.00 Uhr der Gemeindewahlbehörde vorzulegen; Tag und Uhrzeit des Einlangens sind auf dem Wahlvorschlag zu vermerken. Diese Wahlgruppen gelten als Parteien im Sinne der geltenden Wahlbestimmungen.

(2) Der Wahlvorschlag muß von wenigstens einem Mitglied der Gemeindevertretung unterzeichnet oder von wenigstens 1 v.H. der bei der dem Stichtag letztvorangegangenen Volkszählung festgestellten Einwohnerzahl, jedenfalls aber von zehn Wählern der Gemeinde unterschrieben sein. Bei den Unterschriften der Wähler ist deren Zu- und Vorname, Geburtsdatum und Anschrift anzugeben. Der Wahlvorschlag muß enthalten:

1.

die unterscheidende Parteibezeichnung in Worten; daneben ist eine Kurzbezeichnung in Buchstaben und die Anführung des Listenführers der Wählergruppe mit der Wirkung zulässig, daß hiedurch die Identität mit einer in der zuletzt gewählten Gemeindevertretung vertretenen Wählergruppe nicht beeinträchtigt wird;

2.

die Parteiliste, das ist ein Verzeichnis von höchstens doppelt so vielen Bewerbern, als in der Gemeinde Gemeindevertretungsmitglieder zu wählen sind, in der beantragten, mit arabischen Ziffern bezeichneten Reihenfolge unter Angabe des Familien- und Vornamens, Geburtsjahres, Berufes und der Adresse jedes Bewerbers;

3.

die Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters und eines ersten und zweiten Ersatzmannes für diesen (Familien- und Vorname, Beruf, Adresse).

(3) In den Wahlvorschlag darf ein Bewerber nur dann aufgenommen werden, wenn er hiezu seine Zustimmung schriftlich erklärt hat. Die Erklärung ist dem Wahlvorschlag anzuschließen.

(4) Wird innerhalb der in Absatz 1 bezeichneten Frist kein gültiger Wahlvorschlag (Abs2 und 3) eingebracht, so kann jedes Mitglied der im Amte befindlichen Gemeindevertretung spätestens am einundzwanzigsten Tage vor dem Wahltag einen von ihm allein unterschriebenen Wahlvorschlag einbringen.

(5) Wird auch in der im Abs4 bezeichneten Frist kein gültiger Wahlvorschlag überreicht, so gilt die im Amte befindliche Gemeindevertretung als wiedergewählt."

1.5.2. §47 Abs2 GWO bestimmt:

"Weist ein Wahlvorschlag nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften auf, so gilt er als nicht eingebracht. Bewerber, die nicht wählbar sind oder deren schriftliche Erklärungen (§44 Abs3) nicht vorliegen, werden im Wahlvorschlag gestrichen. In allen diesen Fällen ist der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Partei hievon zu verständigen."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

Kraft §67 Abs2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung der Wahl eines allgemeinen Vertretungskörpers grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg. 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, daß die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlags das Ergebnis der Wahlanfechtung - wie hier - mitbestimmen kann, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Vorschlag rechtswirksam eingebracht wurde (so zB VfSlg. 7387/1974, 10217/1984, 11256/1987).

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

Nun sieht zwar §86 Abs1 GWO administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VerfGG 1953 - vor, doch nur gegen ziffernmäßige Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG 1953 nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG 1953) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, VfGH 15.6.1988 WI-6/87).

2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt die BLB in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §86 GWO vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Nichtberücksichtigung ihres Wahlvorschlags aus formalen Gründen, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985), d. i. bei Gemeindevertretungswahlen im Bundesland Salzburg die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses in Form der Verlautbarung "der gewählten Bewerber und der Ersatzgewählten" durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel.

Diese Verlautbarung fand hier am 9. Oktober 1989 statt.

Die am 6. November 1989 zur Post gegebene Wahlanfechtungsschrift (s. Punkt 1.4.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Nach §44 Abs2 GWO (s. Punkt 1.5.1.) muß ein Wahlvorschlag jeder Vereinigung von Wählern, die sich an der Wahlwerbung beteiligt (Wählergruppe), a) von wenigstens einem Mitglied der Gemeindevertretung unterzeichnet oder b) - und nur dieser (zweite) Anwendungsfall des §44 Abs2 GWO ist vorliegend von Bedeutung - von wenigstens 1 v.H. der bei der dem Stichtag letztvorangegangenen Volkszählung festgestellten Einwohnerzahl, jedenfalls aber von zehn Wählern der Gemeinde unterschrieben sein. Nach §47 Abs1 GWO hat die Gemeindewahlbehörde unverzüglich zu prüfen, ob die eingelangten Wahlvorschläge die erforderlichen Unterschriften aufweisen.

Die Gemeindewahlbehörde hielt nun dafür, daß der Wahlvorschlag (auch) deshalb an einem gravierenden Mangel gelitten habe, weil die eingereichten Unterschriftslisten nicht mit der Bezeichnung (dem Namen) der kandidierenden Partei versehen gewesen seien.

2.2.2.1. Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofs sind - alle die Wahlbehörden streng bindenden - Formalvorschriften der Wahlordnungen strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen (zB VfSlg. 6750/1972, 8848/1980, 10610/1985, 10907/1986). Nun ist das Ergebnis der Wortinterpretation des §44 Abs2 GWO durchaus eindeutig: Nach dem Gesetzestext muß nämlich der Wahlvorschlag selbst "unterzeichnet" bzw. "unterschrieben" sein. Dieser Wortlaut schließt es aus, daß die notwendigen Unterschriften nicht auf einem als Wahlvorschlag zu wertenden einheitlichen, d. h. zusammenhängenden Elaborat (vgl. VfSlg. 2893/1955, 10610/1985), sondern auf anderen Papieren aufscheinen; er läßt es also keineswegs zu, einen mit der erforderlichen Zahl von Unterschriften zu versehenden "Wahlvorschlag" durch ein zwar die "Parteiliste" usw. enthaltendes, aber nicht von der nötigen Zahl an Wahlberechtigten unterfertigtes Vorschlagsblatt und durch eine Reihe von Blättern zu ersetzen, die - als bloße Unterstützungserklärungen gedacht und - jeweils nur für sich allein unterfertigt sind (VfSlg. 10610/1985).

Die Rechtslage nach der GWO unterscheidet sich gerade in dem hier maßgebenden Punkt von der nach der (Salzburger) LWO 1978, LGBl. 82/1978, idgF, die in ihrem §40 Abs2 festlegt, daß ein Bezirkswahlvorschlag (von wenigstens drei Mitgliedern des Landtags "unterschrieben" oder) von wenigstens hundert Wahlberechtigten des Wahlbezirks "unterstützt" sein muß. Eine entsprechende Vorschrift enthält im übrigen auch die NRWO 1971, BGBl. 391/1970, idgF: Anders als die durch dieses Gesetz abgelöste NRWO 1970, BGBl. 61/1970, läßt es §45 Abs2 NRWO 1971 genügen, wenn ein Kreiswahlvorschlag von einer bestimmten Zahl von Wahlberechtigten "unterstützt" wird. Daß diese Personen den Vorschlag "unterschreiben", ist nicht mehr erforderlich (vgl. dazu die EB zur RV NRWO 1971, 139 BlgNR XII. GP, S 40: "Die Regelung des Abs3 (gemeint wohl: Abs2) sieht, sofern der Wahlvorschlag nicht von wenigstens drei Mitgliedern des Nationalrates unterstützt wird, nicht mehr die Unterschriftsleistung der 500 Wahlberechtigten, die eine Wahlwerbung unterstützen wollen, auf dem Wahlvorschlag selbst vor. Die Wahlberechtigten haben vielmehr lediglich eine Unterstützungserklärung eigenhändig zu unterfertigen . . . ").

2.2.2.2. Hier lagen dem Wahlvorschlag der BLB mehrere (insgesamt zehn) Blätter mit Unterschriften von Wahlberechtigten bei. Vier dieser Schriftstücke nennen zwar die BLB als unterstützte Gruppe; eines, das neunzehn Unterstützungsunterschriften (: eine für die Gültigkeit des Wahlvorschlags jedenfalls unzureichende Anzahl - §44 Abs2 Satz 1 GWO) trägt, weist (auf der Rückseite) Zustimmungserklärungen von Wahlwerbern auf. Alle Blätter lassen jedoch jedwede Bezugnahme auf das (vollständige) Bewerberverzeichnis, d.i. die (mit Zustimmungserklärungen nicht gleichzusetzende) "Parteiliste", vermissen, die gemäß §44 Abs2 Z 2 GWO im Wahlvorschlag zwingend aufzuscheinen hat. Sie sind schon darum keineswegs integrierende Bestandteile des beigebrachten Vorschlagsblatts samt Parteiliste: Vielmehr handelt es sich hier um bloße Beilagen, die keine Gewähr dafür bieten, daß die Unterschriebenen, zumindest aber eine den Erfordernissen des §44 Abs2 Satz 1 GWO genügende Anzahl von ihnen den der Wahlbehörde (am 8. September 1989) zugeleiteten Vorschlag (samt "Parteiliste") wirklich gekannt und genehmigt haben (vgl. dazu: VfSlg. 315/1924, 1480/1932, 2893/1955, 6750/1972, 10610/1985).

2.2.2.3. Angesichts des Umstands, daß ihr die GWO - im Interesse der in Wahlsachen gebotenen Verfahrensbeschleunigung - ausdrücklich aufträgt, unverzüglich zu prüfen, ob die eingelangten Wahlvorschläge die erforderliche Zahl von Unterschriften aufweisen, und das Ergebnis dieser - unverzüglichen - Prüfung ihrer weiteren Vorgangsweise zugrundezulegen (s. §47 Abs1 GWO), durfte und mußte die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Badgastein ohne weiteres Verfahren im Ergebnis (VfSlg. 5166/1965) zutreffend davon ausgehen, der Wahlvorschlag der BLB habe als nicht eingebracht zu gelten (§47 Abs2 Satz 1 GWO).

Da sich die Richtigkeit der Entscheidung der Wahlbehörde allein schon aus den bisher erörterten Gründen ergibt, war nicht mehr zu prüfen, ob die sonstigen Anfechtungseinreden zutreffen.

2.2.3. Aus diesen Erwägungen war der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.

2.3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / Legitimation, Wahlen, Wahlvorschlag, Unterschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:WI3.1989

Dokumentnummer

JFT_10099699_89W00I03_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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