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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrPolG 1954 §14a Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/18/0312Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide 1. der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Juli 1991, Zl. SD 179/91, betreffend Aufenthaltsverbot, und 2. der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. November 1991, Zl. VI-357.492-FrB/91, betreffend Vollstreckungsaufschub, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Juli 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Volksrepublik China, gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 5 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden: FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.
II. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. November 1991 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Februar 1991 auf Erteilung eines Vollstreckungsaufschubes in Hinsicht auf das Aufenthaltsverbot gemäß § 6 Abs. 2 FPG keine Folge gegeben.
III. Gegen diese beiden Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 9. Juni 1992, Zl. B 1463/91, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Dieser hat erwogen:
ZU DEM ZU I. ZITIERTEN BESCHEID:
In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer, der sich seit dem Jahre 1983 mit seiner Familie in Österreich aufhalte, sei im Jahre 1990 vom Strafbezirksgericht Wien wegen des Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise (§ 231 StGB) rechtskräftig verurteilt worden. Insbesondere sei er aber vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 6. Februar 1991 wegen des Vergehens der Schlepperei (§ 14a FPG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt worden. Es bestehe ein eminentes öffentliches Interesse daran, die "Schlepperei" mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu unterbinden. Da der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßiger Schlepperei verurteilt worden sei, sei sein Fehlverhalten kein "einmaliger Ausrutscher" gewesen. Bei so schweren Verstößen gegen die im Interesse einer geordneten Überwachung von Reise- und Wanderungsbewegungen Fremder und der Verhinderung von deren Ausbeutung festgelegten Regelungen des Gastlandes überwiege das öffentliche Interesse am dringend gebotenen Aufenthaltsverbot auch bedeutsame private und familiäre Interessen, wie sie ohne Zweifel im vorliegenden Fall gegeben seien, bei weitem.
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 5 sowie des Abs. 3 FPG lauten:
§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
5. an der rechtswidrigen Einreise von Fremden in das Bundesgebiet oder an der rechtswidrigen Ausreise aus diesem gegen Entgelt mitgewirkt hat ("Schlepper").
(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
3.
die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, daß die der zuletzt erwähnten gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten im Wege des § 3 Abs. 2 Z. 5 FPG als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu werten seien. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde allerdings auch zu Recht davon ausgehen, daß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 FPG gegeben sind:
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 90/19/0447, die Auffassung vertreten, daß die "Schlepperei" einerseits einer ordnungsgemäßen Handhabung der Fremdenpolizei hinderlich sei und andererseits der Republik Österreich aus der Rücknahmeverpflichtung hinsichtlich der "geschleppten" Personen und den in der Folge anfallenden Schubkosten hohe finanzielle Aufwendungen entstünden; außerdem solle nicht übersehen werden, daß der Ausbeutung der an der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise interessierten Personen durch "Schlepper" mit der Verhängung von Aufenthaltsverboten gegen diese entgegengewirkt werden könne, woran ebenfalls ein wichtiges öffentliches Interesse im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK bestehe.
Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer mit dem erwähnten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. Februar 1991 zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, weil er von Mai 1990 bis 7. Dezember 1990 gewerbsmäßig an der entgeltlichen Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise von chinesischen Staatsangehörigen mitgewirkt habe, indem er diese mittels für andere Personen ausgestellter, mit Sichtvermerken versehener Reisepässe nach Österreich gebracht und sie mit Personen zusammengebracht habe, die ihre Weiterreise nach Italien oder Frankreich veranlaßt hätten oder veranlassen hätten sollen, sowie, weil er am 6. Dezember 1990 um seines Vorteiles willen die gemeinsame rechtswidrige Einreise von mehr als fünf chinesischen Staatsangehörigen dadurch gefördert habe, daß er diese Personen unter Verwendung für andere Personen ausgestellter Reisepässe und Sichtvermerke über die österreichisch-ungarische Grenze nach Österreich gebracht habe, wodurch der Beschwerdeführer die Vergehen nach § 14a Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FPG begangen habe.
Auf Grund dieser vom Beschwerdeführer begangenen Taten kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen würden, als die - bedeutsamen - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers.
Dem vermag der Beschwerdeführer nichts Entscheidendes entgegenzusetzen, selbst wenn man entsprechend seinem Vorbringen davon ausgeht, daß er sich seit dem 12. Lebensjahr in Österreich befinde und vollständig integriert sei. Daß der Beschwerdeführer in China in Hinsicht auf sein berufliches oder persönliches Fortkommen "chancenlos" sei, fällt nicht ins Gewicht. Der Versuch des Beschwerdeführers, die ihm vorgeworfenen Taten dahin zu bagatellisieren, daß diese "dem Schuldgehalt nach an der unteren Grenze der gerichtlich strafbaren Schlepperei anzusiedeln" seien, muß fehlschlagen. Von einer "Überreaktion" der Behörde kann keine Rede sein.
ZU DEM ZU II. ZITIERTEN BESCHEID:
Gemäß § 6 Abs. 1 FPG hat der Fremde, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, das Gebiet, in dem ihm der Aufenthalt verboten worden ist, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen. Er darf dieses Gebiet während der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne Bewilligung nicht wieder betreten.
Nach § 6 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde die in Absatz 1 festgesetzte Frist bei Gefahr im Verzuge verkürzen oder aus Billigkeitsgründen verlängern. Ebenso kann sie die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes aus triftigen Gründen aufschieben. Der Aufschub kann an Bedingungen geknüpft oder mit Auflagen erteilt werden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 90/19/0228) kommen als "triftige Gründe" im Sinne des § 6 Abs. 2 zweiter Satz FPG für den Aufschub der Vollstreckung eines Aufenthaltsverbotes nur solche Gründe in Betracht, die es dem Fremden unmöglich machen oder zumindest wesentlich erschweren, die ihm zustehende Frist zum Verlassen des Gebietes, in dem ihm der Aufenthalt verboten wurde, einzuhalten. Gründe, die im Rahmen der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen waren, kommen hier ebensowenig in Frage wie solche, die gemäß § 8 FPG zur Aufhebung des Aufenthaltsverbotes führen könnten.
Umstände, die entsprechend dieser Rechtslage als "triftige Gründe" im Sinne des § 6 Abs. 2 zweiter Satz FPG anzusehen wären, hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. IV. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180288.X00Im RIS seit
11.07.2001