TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/4 89/17/0018

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Veröffentlicht am 04.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

PrG 1976 §14 Abs1 idF 1980/288;
PrG 1976 §14 Abs1;
PrG 1976 §14 Abs3 idF 1978/271;
PrG 1976 §14 Abs4;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 25. November 1988, Zl. 2-533 R 14-88/3, betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Preistreiberei, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis vom 28. Jänner 1988 legte die Bundespolizeidirektion Graz dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 6. Mai 1987 um 10.45 Uhr in seinem Lebensmittelgeschäft in G, X-Straße, den ortsüblichen Preis für 1 kg blaue Trauben, Qualitätsklasse I, von S 49,-- um 81,6 %, das sind S 40,-- überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs. 1 des Preisgesetzes begangen. Über den Beschuldigten wurde gemäß § 15 leg. cit. eine Geldstrafe von S 1.500,-- (zwei Tage Ersatzarreststrafe) verhängt. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Verwaltungsübertretung auf Grund der Anzeige über eigene dienstliche Wahrnehmung des Meldungslegers sowie der Zeugenaussagen desselben und der M G (im folgenden: Kundin) erwiesen. Die Kundin habe angegeben, sie habe am 6. Mai 1987 im Geschäftslokal des Beschuldigten blaue Trauben um einen Kilopreis von S 89,-- gekauft. Wie sich aus den Erhebungen des Meldungslegers und aus dem überbrachten Etikett ergebe, sei dieser Kilopreis verrechnet worden. Aus den Erhebungen des Meldungslegers ergebe sich weiters, daß die Obergrenze des ortsüblichen Preises S 49,--/kg für das angeführte Sachgut betrage. Die Zeugin M K (im folgenden: Lehrling) gebe an, daß glaublich die weißen Trauben S 89,--/kg und die blauen Trauben S 69,-- oder S 59,--/kg gekostet hätten. Sie habe auf Grund der Feststellung von Kundinnen, daß die Trauben so billig seien, die elektrische Waage auf den Kilopreis von S 89,-- umprogrammiert. Es sei aber kaum glaubhaft, daß ein Lehrling im Geschäftsbetrieb ohne Rücksprache mit dem Chef eine Preisforderung so erheblich von selbst anhebe. Dagegen habe die Zeugin V R angegeben, daß nur sie die Preise in die Waage eingebe; der von ihr eingegebene Preis sei vom Lehrling abgeändert worden. Selbst wenn man annähme, daß es sich um südafrikanische "Cape Trauben" gehandelt hätte, bedeutete dies keinen besonderen Luxus, der die vorliegende Preisforderung rechtfertige.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 25. November 1988 gab der Landeshauptmann von Steiermark dieser Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis, wobei der Spruch dahingehend ergänzt wurde, daß der Beschwerdeführer am 6. Mai 1987 um 10.45 Uhr in seinem bereits genannten Geschäft für 1 kg mit dem Etikett "Trauben blau 00009" versehenen Trauben der Qualitätsklasse I einen Preis von S 89,-- verlangt bzw. ersichtlich gemacht habe, wodurch die durch Erhebungen in fünf gleichartigen Betrieben ermittelte Obergrenze des ortsüblichen Preises von S 49,-- erheblich (um 81,6 %) überschritten worden sei. Die Strafe werde mit S 1.400,-- (45 Stunden Ersatzarrest) bemessen. Der strafbare Tatbestand werde dem § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 und § 14 Abs. 3 dritte Rechtsregel des Preisgesetzes unterstellt und die Strafe gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. verhängt.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer in der Berufung im wesentlichen angeführt, daß sein Betrieb sowie das von ihm vertriebene Obst unvergleichbar seien. In den vom Meldungsleger ausgewählten Vergleichsbetrieben seien offensichtlich chilenische Weintrauben, "die am Seeweg konserviert unseren Kontinent erreichen und offensichtlich auch nicht ohne künstlichen Dünger gezogen wurden", zum Verkauf angeboten worden. Der Meldungsleger hätte hinsichtlich der inneren und äußeren Qualität der Trauben und hinsichtlich des exakten Zeitpunktes seiner behaupteten Preisvergleiche und über die Art der von ihm ausgewählten Vergleichsbetriebe befragt werden müssen. Ferner müsse, selbst wenn unrichtigerweise von der Unterstellung der verkauften Weintrauben unter das Preisgesetz ausgegangen werde, dem "Interventionsdatum" des Meldelegers, also dem 6. Mai 1987, entgegengehalten werden, daß unmittelbar zuvor der damalige Lehrling auf Veranlassung von Kundinnen in der elektronischen Waage die Voreinstellung des Preises verändert habe. Der tatsächliche Einkauf der als Zeugin vernommenen Kundin habe daher offensichtlich schon Tage vor dem Interventionstag stattgefunden; das Etikett mit dem Kilopreis von S 89,-- könne daher nicht vom 6. Mai 1987 stammen. Der Beschwerdeführer habe den Verkäuferinnen niemals gestattet, eigenmächtig Voreinstellungen der elektronischen Waage zu ändern. Der Irrtum der Verkäuferin sei nicht ihm zuzurechnen. Die Berücksichtigung einer noch nicht rechtskräftigen Vorstrafe mache die Strafbemessung rechtswidrig.

Nach der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides sei unbestritten, daß am Vormittag des 6. Mai 1987 für Trauben, die laut Etikett mit "Trauben blau 00009" bezeichnet worden seien, ein Kilopreis von S 89,-- gefordert und angenommen worden sei (siehe Punkt 5 der Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 27. Juli 1987). Dieser Preis sei auch vom Meldungsleger im Geschäft des Beschwerdeführers festgestellt worden. Zu welchem Zeitpunkt und wie oft sich der Meldungsleger in das Geschäft des Beschwerdeführers begeben habe, sei rechtlich irrelevant, weil die im Spruch angeführte Tatzeit auf den von den Anzeigerinnen genannten Zeitpunkt abgestimmt sei.

Der Meldungsleger habe angegeben, daß er die vergleichenden Erhebungen sofort nach Anzeigeerstattung durchgeführt habe, weil schon öfters Beschwerde über die Preisgestaltung der einzelnen, in Krankenhausnähe gelegenen Betriebe geführt worden sei. Es bestehe kein Grund, die glaubhaften Angaben des unter Diensteid und Wahrheitspflicht stehenden Meldungslegers in Zweifel zu ziehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reiche hinsichtlich der Vergleichbarkeit die Erfahrung des Meldungslegers zur Feststellung des Sachverhaltes aus.

Aus den von der Berufungsbehörde veranlaßten Nacherhebungen gehe hervor, daß auch von zumindest fünf Vergleichsbetrieben sogenannte "Cape Trauben" verkauft worden seien, die - wie schon der Name sage - aus Südafrika importiert worden seien. Abgesehen davon habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 31. Dezember 1987, Punkt 3, selbst betont, daß auch die chilenischen Trauben vor dem 6. Mai 1987 einen Kilopreis von S 89,-- gehabt hätten.

Aus dem Etikett "Trauben blau 00009" könne nicht darauf geschlossen werden, daß es sich um eine ganz besondere, hinsichtlich des inneren und äußeren Wertes nicht vergleichbare Ware gehandelt habe. Obwohl dem Preisschild für blaue Trauben im Gegensatz zu dem Etikett für weiße Trauben nicht die Bezeichnung "Cape Trauben" beigefügt gewesen sei, könne aber den Ausführungen des Beschwerdeführers Glauben geschenkt werden, daß es sich tatsächlich um aus Südafrika importierte Trauben gehandelt habe, weil um diese Jahreszeit bekanntlich viele Betriebe Trauben aus Südafrika anböten.

Da das Gesetz von der Befriedigung lebenswichtiger (nicht bloß lebensnotwendiger) Bedürfnisse spreche, würden alle jene Sachgüter und Leistungen erfaßt, die zur Aufrechterhaltung des Standards der Lebenshaltung erforderlich seien, wie er sich im Laufe der Entwicklung herausgebildet habe und von der Bevölkerung in Anspruch genommen werde.

Zur Behauptung des Beschwerdeführers, daß er am 6. Mai 1987 den Kilopreis auf Grund eines Sonderfrachtfluges auf S 49,-- habe reduzieren können und daß der Preis auf der Waage lediglich irrtümlich von der Verkäuferin (Lehrling) auf S 89,-- umprogrammiert worden sei, werde festgestellt, daß dem Beschwerdeführer ein Versehen der Angestellten dann zuzurechnen sei, wenn er nicht nachzuweisen vermöge, daß er seiner zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber der Verkäuferin nachgekomen sei. Dem Akt sei kein Hinweis zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer durch ständige Kontrolle alles vorgekehrt hätte, um den gesetzwidrigen Erfolg zu verhindern. Im übrigen habe der Lehrling bei seiner Einvernahme am 22. Oktober 1987 angegeben, daß er den Preis von S 59,-- oder S 69,-- irrtümlich auf S 89,-- umprogrammiert hätte. Auch ein Preis von S 59,-- wäre gegenüber der Obergrenze des ortsüblichen Preises von S 49,-- als erhebliche, nämlich mehr als 20 %ige Preisüberschreitung zu beurteilen.

Gemäß § 15 Abs. 1 des Preisgesetzes sei Preistreiberei mit einer Geldstrafe bis S 50.000,--, im Wiederholungsfalle jedoch mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen. Die Strafe sei daher von der Vorinstanz ohnedies niedrig bemessen und erscheine schuldangemessen und gerechtfertigt. Eine geringfügige Herabsetzung sei deshalb vorgenommen worden, weil im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz nur eine (nicht zwei) einschlägige Verwaltungsvorstrafe vorgemerkt sei. Auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse habe nicht eingegangen werden können, weil der Berufungswerber diesbezügliche Angaben verweigert habe.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht nach dem Preisgesetz bestraft zu werden.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 14 des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976 in der Fassung BGBl. Nr. 271/1978 und 288/1980 lautet (im folgenden: PreisG) auszugsweise:

"(1) Einer Preistreiberei macht sich schuldig, wer für Sachgüter oder Leistungen, die unmittelbar oder mittelbar der Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse dienen (im folgenden kurz Bedarfsgegenstand und Bedarfsleistung genannt), ein offenbar übermäßiges Entgelt ersichtlich macht, fordert, annimmt oder sich versprechen läßt. ...

(2) ...

(3) Als offenbar übermäßig ist ein Entgelt anzusehen, das

...; besteht ein solcher Preis im einzelnen Falle nicht, so gilt als offenbar übermäßig ein Entgelt, das den für Bedarfsgegenstände oder Bedarfsleistungen der gleichen Art und Beschaffenheit am Orte des Verkaufes oder der Erbringung der Bedarfsleistung durch gleichartige Betriebe im ordentlichen Geschäftsverkehr jeweils üblichen Preis erheblich überschreitet."

2.2.1. In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, es werde dem Beschwerdeführer nunmehr im Berufungsbescheid auch eine unrichtige Preisauszeichnung, die nie Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens gewesen sei, angelastet. Gegenstand des Verfahrens sei vielmehr die Tatsache gewesen, daß nach Einwaage der zuvor sichtbar zum baldigen Verkauf bereitgehaltenen Trauben durch die Bedienungskraft der Rechenvorgang falsch gewesen sei und eine Kundin angeblich am Beanstandungstage einen Preis von S 89,--/kg bezahlt hätte. Der rein innerbetriebliche Vorgang, den Gesamtpreis des eingewogenen Produktes auf der zum Wiegevorgang verwendeten Verpackung mit einem Etikett anstelle der üblicherweise händischen Beschriftung auszuweisen, könne "keineswegs dazu führen, schon vor Einwaage den dort ersichtlich gemachten Preis (der unbestritten richtig war, weil nicht angezeigt) durch einen innerbetrieblichen Vorgang abzuändern".

2.2.2. Der Tatbestand des Forderns eines offenbar übermäßigen Entgeltes im Sinne des § 14 Abs. 1 PreisG wird mit der Kenntnisnahme der Forderung durch den (präsumtiven) Käufer der Ware verwirklicht (hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1979, Zl. 2968/78 = ZfVB 1980/1/300). Der Tatbestand ist mit der Forderung, spätestens mit der Empfangnahme der Rechnung, vollendet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1951, Slg. NF Nr. 2268/A, zu § 1 des Preistreibereigesetzes). Das Fordern eines unzulässigen Entgeltes bedeutet ein selbständiges Delikt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof im Verhältnis zum weiteren Tatbestand des "Annehmens" eines überhöhten Entgeltes ausgesprochen; (erst) die Entgegennahme des geforderten Entgeltes würde den weiteren Tatbestand der Annahme des übermäßigen Entgeltes erfüllen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1954, Zl. 47/53, und vom 8. November 1954, Zl. 800/52, beide ebenfalls zu § 1 des Preistreibereigesetzes). Gleiches gilt auch für das Verhältnis des Tatbestandes des "Forderns" zu dem mit der Novelle BGBl. Nr. 288/1980 in den § 14 Abs. 1 PreisG neu eingefügten Tatbestand des "Ersichtlichmachens". Dabei ist unter dem "geforderten" Preis im Sinne des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom 10. Mai 1979 der tatsächlich von Kunden beim Vertragsabschluß verlangte Preis und unter dem "ersichtlich gemachten" Preis der durch Preisschilder oder Preislisten für die Sachgüter oder Leistungen ausgezeichnete Preis zu verstehen.

Der Beschwerdeführer ist mit seinem Beschwerdevorwurf im Recht, daß ihm ein Verstoß gegen das Verbot, ein übermäßiges Entgelt ersichtlich zu machen, erstmals im angefochtenen Bescheid zur Last gelegt wurde. Zutreffend macht er auch geltend, daß das Anbringen der von der elektronischen Obstwaage ausgedruckten Klebeetiketten mit Warenbezeichnung, Kilopreis, Gewicht und Rechnungsbetrag auf der Verpackung der vom Käufer bereits ausgewählten Ware keine Ersichtlichmachung des Entgeltes im Sinne des § 14 Abs. 1 PreisG darstellt.

Diese Rechtswidrigkeit belastet den gesamten Spruch des angefochtenen Bescheides und nicht nur im Umfang des Tatvorwurfes des Ersichtlichmachens eines überhöhten Entgeltes. Durch die Verwendung des Wortes "bzw." hat es nämlich die Behörde völlig unbestimmt gelassen, welchen der beiden Tatbestände sie nun tatsächlich für verwirklicht angesehen hat. Ein Spruch dieser Art verstößt gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG. Eine Teilaufhebung (die allenfalls möglich gewesen wäre, wenn die belangte Behörde dezidiert beide Tatbestände als verwirklicht angenommen hätte und daher die beiden Tatvorwürfe mit dem Wort "und" verknüpft hätte) kommt nicht in Betracht. Insofern hat die belangte Behörde somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

2.3.1. In der Beschwerde wird weiters bestritten, daß die im Reform- und Diätbereich vor allem für kranke Personen im nahegelegenen Krankenhaus vom Beschwerdeführer verkaufte exklusive Ware tatsächlich der Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse im Sinne des § 14 Abs. 1 PreisG diene. Weintrauben im April oder Mai, vor allem solche, die ohne jeglichen Kunstdünger gezogen und aus fernen Ländern zur Erhaltung der Frische per Flugzeug nach Österreich transportiert würden, seien zur Aufrechterhaltung des Standards der Lebenshaltung keineswegs erforderlich. Es handle sich nicht um Sachgüter im Sinne des Preisgesetzes. "Nicht einmal die anonyme Anzeigerin behauptet als Zeugin einvernommen, die gegenständlichen Weintrauben nicht zu einem besonderen Anlaß gekauft zu haben (Diät)."

2.3.2. Der Beschwerdeführer ist mit dieser Erwägung nicht im Recht. Zu den lebenswichtigen Sachgütern im Sinne des § 14 Abs. 1 PreisG zählen nicht nur lebensnotwendige Güter, sondern auch solche, die zur Aufrechterhaltung des Standards der Lebenshaltung erforderlich sind, wie er sich im Laufe der Entwicklung herausgebildet hat und von der Bevölkerung in Anspruch genommen wird (vgl. auch zu Sachgütern und Sachleistungen des gehobenen Bedarfes aus der umfangreichen Rechtsprechung z.B. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1960, Zl. 911/58 - geputzter Lungenbraten; 15. April 1964, Zl. 1447/63 - Klavierreparaturen; 19. September 1967, Zl. 222/67 - Vanillekipferln; 17. April 1985, Zl. 82/11/0229 = ZfVB 1985/6/2354 - Biogemüse; 19. Juni 1989, Zl. 87/17/0350 = ZfVB 1990/4/1979 - Spezialimportbier im Gastgewerbebetrieb).

Beim Verwaltungsgerichtshof sind nicht die geringsten Zweifel daran entstanden, daß es heute zum Standard der Lebenshaltung eines erheblichen Bevölkerungsteiles gehört, auch in den Wintermonaten und im Frühjahr frisches Obst aus dem Ausland, auch aus dem fernen Ausland, zu kaufen - wobei es für die Qualifikation der Ware als Bedarfsgegenstand im Sinne des Gesetzes völlig irrelevant ist, ob sich die Kunden einen Einkauf dieser Art tatsächlich in der Regel viel seltener leisten als in der europäischen Obstsaison (etwa nur zu besonderen Gelegenheiten, etwa gerade als Mitbringsel bei einem Spitalsbesuch) und ob sich der Kundenkreis nur auf einen Teil der Gesamtbevölkerung (z.B. besondere Obstliebhaber, diätbewußte Personen oder Diätpatienten) erstreckt. Die im Hinblick auf die Art des Anbaues behauptete Qualität und die besondere Eignung der in Rede stehenden Weintrauben für Diätzwecke stehen ihrer Qualifikation als Bedarfsgegenstand keinesfalls entgegen.

2.4.1. In der Beschwerde wird auf eine vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegte Bestätigung des Importeurs der Trauben Bezug genommen, wonach diese Trauben aus Südafrika in der Kapprovinz auf Vulkanerde gezogen worden seien, die keinerlei Kunstdünger bedürfe, diese Ware nicht mit den sonst am Markt erhältlichen chilenischen Trauben, die mit Konservierungsmitteln versehen Europa auf dem Seeweg erreichten, ident sei und wonach die Ware trotz der fehlenden Konservierung der südafrikanischen "Cape Trauben" infolge des kurzen Luftfrachtweges mit Klasse I qualifiziert werden könne. Nach Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich somit um besondere Reform- und Diätprodukte, die mit den zur selben Zeit am Markt erhältlichen sonstigen blauen Trauben nicht vergleichbar seien. Im angefochtenen Bescheid werde nun festgestellt, daß in den Vergleichsbetrieben ebenfalls "Cape Trauben" angeboten worden seien, deren Vergleichspreis erhoben worden sei. Dabei stütze sich der angefochtene Bescheid auf den Bericht des Meldungslegers vom 5. August 1988. Hiezu seien weder der Meldungsleger noch die betreffenden Betriebsinhaber einvernommen worden, weder zur Qualität der vorgeblichen blauen "Cape-Trauben" noch hinsichtlich des Datums dieser Feststellungen. Bei ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren hätte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, daß die vom Beschwerdeführer verkauften Trauben nur von ihrem Importeur bezogen werden konnten und mit den übrigen "blauen Trauben" gar nicht vergleichbar seien, ferner daß die anderen Vergleichsbetriebe im Mai 1987 keine schadstoffarmen Weintrauben aus Südafrika bezogen hätten.

2.4.2. Die Feststellung der belangten Behörde, daß "auch von zumindest 5 Vergleichsbetrieben sog. Cape-Trauben verkauft wurden, die - wie schon der Name sagt - aus Südafrika importiert wurden", stützt sich lediglich auf die von der Berufungsbehörde veranlaßten "Nacherhebungen", womit eine schriftliche Stellungnahme des Meldungslegers vom 5. August 1988 gemeint ist. Entgegen dem ausdrücklichen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren zu diesem Erhebungsbericht vom 5. August 1988 wurde nicht festgestellt, daß die BLAUEN Weintrauben, auf die sich die Preiserhebung des Meldungslegers im Mai 1987 bezogen hatte, aus Südafrika importierte Weintrauben, die die gleiche Art und Beschaffenheit wie die vom Beschwerdeführer verkauften Trauben aufwiesen, waren (blaue "Cape-Trauben"). Gemäß § 60 AVG wären in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen gewesen.

Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, da der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (in der Rechtfertigung, in der Berufung und im Schriftsatz vom 21. Juli 1988) ausdrücklich auf den Qualitätsunterschied zwischen "Cape Trauben" und südamerikanischen Trauben hingewiesen hat, der darin liegen soll, daß die "Cape Trauben" im Gegensatz zu den letzteren ohne künstliche Düngung und ohne Pflanzenschutzmittel gezogen sowie ohne Konservierungsmittel per Luftfracht importiert worden seien. Eine solche Qualitätsverschiedenheit - träfe die behauptete relative Schadstoffarmut zu und käme dies auch im Geschmack und in der Haltbarkeit erkennbar zum Ausdruck - wäre erheblich und würde im Hinblick auf die in der Frage der Natürlichkeit von Obst und Gemüse in den letzten Jahren geänderten Anschauungen und Erwartungen eines beträchtlichen Teiles der Kunden die Annahme der "gleichen Beschaffenheit" der Trauben des Beschwerdeführers im Verhältnis zu jenen der Vergleichsbetriebe ausschließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 82/11/0229 = ZfVB 1985/6/2354, zur Frage des Tatbestandsmerkmales der gleichen Beschaffenheit von Bedarfsgegenständen im allgemeinen und im besonderen dazu, ob nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren Qualitätsunterschiede von Gemüse des biologischen Landbaues aus der objektivierbaren Sicht der diese Bedarfsgegenstände nachfragenden Konsumenten noch ihre gleiche oder schon eine andere Beschaffenheit erweisen).

2.5.1. In der Beschwerde wird ebenso wie im Verwaltungsverfahren ein rapider und täglicher Verfall des Preises der blauen "Diätcapetrauben" behauptet. Es sei unzutreffend, daß der Meldungsleger die vergleichenden Erhebungen sofort nach Anzeigenerstattung durchgeführt habe. Im Bericht des Meldungslegers vom 8. Mai 1987 werde der Zeitpunkt der Anzeigenerstattung mit 6. Mai 1987, 11.10 Uhr angegeben, als Zeuge einvernommen habe der Meldungsleger am 27. Juli 1988 behauptet, er sei am gleichen Tag wie die Anzeigenerstattung zum Geschäftslokal des Beschwerdeführers gefahren, während er vorher am 3. September 1987 als Zeuge vernommen ausgeführt habe, zwei oder drei Tage nach Anzeigenerstattung den Betrieb des Beschwerdeführers aufgesucht zu haben. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Anzeigerinnen am Tage der Anzeige die Trauben gekauft hätten, daß der Meldungsleger sogleich zum Beschuldigten gegangen sei und noch am selben Tage einen Preisvergleich angestellt habe. Aus den Aussagen des Meldungslegers ergebe sich, daß zwischen der Anzeigenerstattung und den Erhebungen des Meldungslegers zwei bis drei Tage verstrichen sein müßten.

2.5.2. Was den Tatzeitpunkt anlangt, durfte die belangte Behörde unbedenklich davon ausgehen, daß am Vormittag des 6. Mai 1987 für Trauben, für die von der elektronischen Waage ein Etikett mit "Trauben blau 00009" ausgedruckt wurde, ein Kilopreis von S 89,-- gefordert wurde. Die belangte Behörde verweist dazu auf die Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 27. Juli 1987, wonach am 6. Mai 1987 zu Geschäftsbeginn ein Kilopreis von S 49,-- auf der Waage eingestellt worden sei, der Lehrling unmittelbar vor dem beanstandeten Traubenverkauf von der Kundin gefragt worden sei, wieso die blauen Trauben derart billig seien und sodann der Lehrling, der sich vor dem 6. Mai 1987 kurze Zeit auf Urlaub befunden und zuvor beide Traubenarten um denselben Kilopreis von S 89,-- verkauft gehabt habe, an eine irrtümliche Programmierung der Waage geglaubt habe und die Waage eigenmächtig "berichtigt" habe. Diese Darstellung des Beschwerdeführers spricht unzweifelhaft für den von der belangten Behörde angenommenen Tatzeitpunkt. Die belangte Behörde konnte sich aber insbesondere auch auf die Angabe der am 20. Oktober 1987 als Zeugin vernommenen Kundin stützen, die als Tatzeitpunkt ebenfalls den 6. Mai 1987 angab; dieselbe Zeitangabe hatten die Anzeigerinnen auch dem Meldungsleger gegenüber gemacht, wie dies in dessen Meldung vom 8. Mai 1987 zum Ausdruck kommt. Schließlich gab der Meldungsleger als Zeuge vernommen am 28. Juli 1988 an, er sei "am gleichen Tag, als die Anzeige erstattet wurde, das war am 6.5.1987 zum Geschäftslokal des Beschuldigten gefahren, kann aber nicht mehr sagen, exakt um welche Uhrzeit ich dort erhoben habe. Es muß aber knapp vor 12.00 Uhr gewesen sein".

Auf dem Boden dieser Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde konnte der Verwaltungsgerichtshof, dessen Kontrollbefugnis hinsichtlich des von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhaltes darauf beschränkt ist, ob der Sachverhalt ordnungsgemäß erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, in der Frage des Tatzeitpunktes keinen relevanten Feststellungsmangel erkennen.

Auch in der Frage der unverzüglich erfolgten Erhebungen der in den Vergleichsbetrieben geforderten Entgelte erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf dem Boden der diesbezüglich unbedenklichen Angaben des Meldungslegers in seinem Bericht vom 5. August 1988 nicht als unschlüssig. Der angefochtene Bescheid erweist sich also nicht deswegen als rechtswidrig, weil der Tatzeitpunkt und der Zeitpunkt der Erhebung der Vergleichspreise in relevanter Weise auseinanderfielen.

2.6. Aktenwidrig ist die Beschwerdebehauptung, die "Stellungnahme" der Bundespolizeidirektion Graz vom 5. August 1988, die eine ergänzende Darstellung des Meldungslegers über die angestellten Preisvergleiche enthält, sei dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden.

2.7. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (Punkt 2.2.) sowie mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Punkt 2.4.) belastet hat, wobei die erstere nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes prävaliert.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf die Frage der Strafbemessung einzugehen war.

2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.9. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989170018.X00

Im RIS seit

11.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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