TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/4 88/13/0242

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Veröffentlicht am 04.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §289 Abs2;
UStG 1972 §11 Abs12;
UStG 1972 §12 Abs3 Z1;
UStG 1972 §12 Abs3 Z2;
UStG 1972 §6 Z9 lita;
UStG 1972 §6;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. U in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom 4. Oktober 1988, Zl. 6/1-1324/10/80, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1975 und 1976 sowie Einkommensteuer für das Jahr 1976, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Architekt. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für die Jahre 1974 bis 1977 traf der Prüfer unter anderem die Feststellung, daß Architektenhonorare im Ausmaß von S 416.670,-- (netto) im Jahr 1975 und S 711.520,-- (netto) im Jahr 1976 nicht erklärt worden seien; der Prüfer rechnete diese Beträge den Einnahmen hinzu.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und beantragte unter anderem die "Annullierung" der Hinzurechnungen.

In seiner Stellungnahme zur Berufung des Beschwerdeführers wies der Betriebsprüfer darauf hin, daß im hinzugerechneten Betrag von S 416.670,-- ein Betrag von S 200.000,-- enthalten sei, bei dem es sich um ein Teilhonorar handle, das sowohl fakturiert als auch überwiesen worden sei. Dessen ungeachtet sei das Teilhonorar "in der Jahreserklärung 1975 wieder storniert" worden. Im übrigen seien die hinzugerechneten Honorare im Zuge der Betriebsprüfung vom Beschwerdeführer selbst errechnet worden.

Weiters stellte sich im Berufungsverfahren heraus, daß der Beschwerdeführer der Sch-GmbH, an der er und seine Ehegattin je zur Hälfte beteiligt waren, für den Verkauf von Appartements, die vom Beschwerdeführer errichtet worden waren,

S 10,846.133,98 zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von

S 1,548.799,02 in Rechnung gestellt hatte. Die Sch-GmbH hatte diese in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht und vom Finanzamt erhalten.

In einem Schriftsatz vom 21. Juni 1979 brachte der Beschwerdeführer vor, daß er nach Art eines Generalunternehmers eine Wohnungseigentumsanlage mit 36 Einzelappartements einschließlich Schwimmbad und Sauna errichtet habe. In der Folge habe sich herausgestellt, daß die Appartements zum Großteil nicht bzw. nicht kostendeckend veräußert werden konnten. Dies habe zu hohen Verlusten geführt, die als Verluste aus Gewerbebetrieb anzusehen seien. Die Honorare aus der freiberuflichen Tätigkeit als Architekt seien kalkulatorisch aus den insgesamt erzielten Entgelten herausgerechnet worden. Dabei hätten nur jene Käufer das volle Architektenhonorar entrichtet, die den kalkulierten Preis oder einen "Überpreis" bezahlt hätten. Jene Käufer, die einen Preisnachlaß erhielten, der das kalkulatorische Honorar überstieg, hätten hingegen kein Architektenhonorar bezahlt. Geringere Preisnachlässe seien ebenfalls zur Gänze zu Lasten der Architektenhonorare gegangen. Unter Punkt IV des genannten Schriftsatzes wurde für das Jahr 1975 als Architektenhonorar ein Betrag von brutto S 216.000,-- (netto S 200.000,--) mit der Beifügung "Honorar erhalten" ausgewiesen. Um denselben Betrag wurden die 1976 vereinnahmten Honorare (S 551.208,23) gekürzt mit der Beifügung "abzüglich bereits bezogene Honorare 1976". Auf Seite 26 des zitierten Schriftsatzes wurden die Architektenhonorare der Jahre 1975 und 1976 nochmals dargestellt. Dabei wurde abermals darauf hingewiesen, daß sämtliche Preisnachlässe betreffend die verkauften Appartements zu Lasten der Architektenhonorare gegangen seien. Es könne "die Fiktion unterstellt werden", daß folgende Honorarteilbeträge vereinnahmt wurden:

                               1975            1976

In den Preisen enthaltene

Architektenhonorare (brutto)   S 289.041,23      S 551.208,23

bisher erklärt                 -               - S 216.000,--

                             -------------------------------

                               S 289.041,23      S 335.208,23.

Die durch den Betriebsprüfer ermittelten Honorare (1975: S 416.670,-- und 1976: S 711.520,--) seien "nicht richtig und daher zu eliminieren".

In einer weiteren Stellungnahme brachte der Betriebsprüfer vor, daß die Honoraransprüche mit dem Beschwerdeführer einzeln durchbesprochen worden seien. Der Prüfer listete diese Honoraransprüche unter Anführung der Namen der Käufer auf und gelangte für 1975 zu einen Bruttobetrag von S 450.003,-- und für 1976 zu einem solchen von S 984.442,--. Nach Kürzung des zuletzt ermittelten Betrages um Preisnachlässe (Baumängel bei den Käufern Sch., Th. und St.) im Ausmaß von insgesamt S 216.000,-- verblieben die bereits ursprünglich ermittelten Nettobeträge von S 416.670,-- (1975) und S 711.520,-- (1976).

Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit dem Ersuchen um Gegenäußerung übermittelt.

Der Beschwerdeführer erstattete zwar eine Gegenäußerung, setzte sich jedoch in dieser vorrangig mit anderen Fragen, die nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind, und nur ganz allgemein mit der detaillierten Honorarauflistung des Betriebsprüfers auseinander. Der Auflistung wurde lediglich entgegengehalten, daß sie "unrichtig" und "die Berechnungen falsch" seien. Es sei eine "unwahre Unterstellung", daß die Honoraransprüche mit dem Beschwerdeführer einzeln durchbesprochen worden seien. Der Betriebsprüfer habe bei Ermittlung der Architektenhonorare die Preisnachlässe nicht gehörig berücksichtigt. Im übrigen verwies der Beschwerdeführer auf die im Schriftsatz vom 21. Juni 1979 kalkulatorisch ermittelten Beträge, bei denen der Beschwerdeführer "die Fiktion" unterstellt hatte, er habe sie als Architektenhonorare vereinnahmt.

Die belangte Behörde gab der Berufung in wesentlichen Punkten statt; sie folgte auch der kalkulatorischen Ermittlung der Architektenhonorare durch den Beschwerdeführer, wonach diese unter Berücksichtigung der Preisnachlässe nur (brutto) S 289.041,23 (1975) und S 551.208,23 (1976) betragen hatten, lehnte jedoch die für das Jahr 1976 beantragte Kürzung um S 216.000,-- mit der Begründung ab, daß es sich dabei um einen Betrag handle, der 1975 zunächst als Bankeingang verbucht, in der Folge aber wiederum storniert worden sei. Ein (nochmaliger) Abzug im Jahr 1976 komme daher nicht in Betracht. Sollte es sich aber bei diesem Betrag um die vom Betriebsprüfer festgestellten Preisnachlässe bei Sch., Th. und St. handeln, so habe eine Kürzung deswegen nicht zu erfolgen, weil bereits, der Berechnung des Beschwerdeführers folgend, sämtliche Preisnachlässe berücksichtigt worden seien. Im übrigen sei auch darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer selbst in einer Vorhaltsbeantwortung vom 30. September 1983 sein Honorar für das Jahr 1976 mit insgesamt S 551.208,23 angegeben habe.

Schließlich änderte die belangte Behörde den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1976 zu Ungunsten des Beschwerdeführers ab, indem sie die Steuer um die der Sch-GmbH in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs. 12 UStG erhöhte.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid zunächst insoweit, als bei Ermittlung der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage der Betrag von S 216.000,-- (brutto) bzw. S 200.000,-- (netto) nicht ausgeschieden worden ist. Es handle sich dabei nicht um ein 1975 bezogenes und nachträglich storniertes Honorar, sondern um eine Honorarzahlung vom 10. Juni 1976, die bereits in den erklärten Einkünften enthalten gewesen sei. Dazu ist folgendes zu sagen:

In seinem Schriftsatz vom 21. Juni 1979 hat der Beschwerdeführer auf Seite 23 sein Architektenhonorar kalkulatorisch (Herausrechnung aus den bezahlten Kaufpreisen für die Appartements) ermittelt und dabei für das Jahr 1976 einen Betrag von S 216.000,-- abgezogen mit der Beifügung "abzüglich bereits bezogene Honorare 1976". Auf Seite 26 des genannten Schriftsatzes wird dieser Betrag als "bisher erklärt" bezeichnet.

Ein unbestritten vereinnahmtes und erklärtes steuerpflichtiges Honorar gehört regelmäßig zur Steuerbemessungsgrundlage. Werden im Zuge einer Betriebsprüfung die Abgabenbemessungsgrundlagen neu ermittelt bzw. die erklärten Beträge erhöht, so liegt es nahe, eine Gegendarstellung des Abgabepflichtigen, in der die gesamten Honorare errechnet und um "bisher erklärte" bzw. "bereits bezogene" Honorare gekürzt werden, so zu verstehen, daß damit die vom Betriebsprüfer ZUSÄTZLICH festgestellten (bisher nicht erklärten) Einnahmen gemeint sind. Da aber für die Besteuerung nicht nur die durch den Betriebsprüfer zusätzlich festgestellte sondern die gesamte Steuerbemessungsgrundlage maßgebend ist, kam eine Kürzung der Steuerbemessungsgrundlage um "bereits erklärte" Komponenten der Steuerbemessungsgrundlage nicht in Betracht.

Nun mag es im Beschwerdefall zutreffen, daß es durch die ursprüngliche Vermengung der Tätigkeiten des Beschwerdeführers als freiberuflicher Architekt und als gewerblich tätiger Generalunternehmer zu Unklarheiten darüber kommen konnte, ob und unter welchen Bezeichnungen einzelne Einnahmen aus Architektentätigkeit bereits in saldierten Einnahmensummen aus gewerblicher Tätigkeit enthalten waren. Zu klären sind solche Fragen im steuerlichen Ermittlungsverfahren. Dem Beschwerdeführer wurde hiezu ausreichend Gelegenheit geboten. Spätestens durch die Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 21. Oktober 1983 zu der kalkulatorischen Honorarermittlung des Beschwerdeführers mußte für diesen deutlich erkennbar sein, daß der Betriebsprüfer im Betrag von S 216.000,-- einen Preisnachlaß (bei den Käufern Sch., Th. und St.) erblickte und ihn auch entsprechend berücksichtigte. Sollte es sich dabei um einen Irrtum gehandelt haben, der auf (zufällige) Betragsidentität zurückzuführen gewesen wäre, so hätte der Beschwerdeführer dies leicht aufklären können. Er ist jedoch der ihm vorgehaltenen Stellungnahme des Betriebsprüfers in diesem Punkt nicht entgegengetreten. Die erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Behauptung, der Betrag von S 216.000,-- (brutto) sei bereits im "Endsaldo von S 2,389.243.25" enthalten, verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG und ist daher unbeachtlich.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs. 12 UStG, in der er eine "unzulässige reformatio in peius" erblickt. Der Beschwerdeführer verkennt, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid NACH JEDER RICHTUNG abzuändern, aufzuheben, oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Wie den Verwaltungsakten zu entnehmen und vom Beschwerdeführer unbestritten ist, hat er mit Datum vom 15. Dezember 1975 der Sch-GmbH für den Verkauf von Eigentums-Appartements Umsatzsteuer in Höhe von S 1,548.799,02 in Rechnung gestellt, obwohl derartige Umsätze gemäß § 6 Z. 9 lit. a UStG steuerfrei sind. § 11 Abs. 12 UStG bestimmt, daß ein Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausweist, diesen Betrag auf Grund der Rechnung schuldet, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der Leistung entsprechend berichtigt.

Erst nach Ablauf der Beschwerdefrist hat der Beschwerdeführer in einer Erwiderung zur Gegenschrift der belangten Behörde vorgebracht, er habe die Rechnung insofern berichtigt, als der Kaufpreis für die Eigentums-Appartements nachträglich herabgesetzt worden sei. Dieses Beschwerdevorbringen stellt eine nach Ablauf der Beschwerdefrist unzulässige Erweiterung des Beschwerdepunktes dar, weil nun nicht nur die Verböserung als solche, sondern auch das Ausmaß der Verböserung bekämpft wird; es ist daher ebenfalls unbeachtlich. Die Verböserung selbst war aber dem Grunde nach in der bereits zitierten Bestimmung des § 289 Abs. 2 BAO gedeckt.

Schließlich vertritt der Beschwerdeführer die Rechtsauffassung, die Vorschreibung von Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs. 12 UStG habe zur Folge, daß ihm der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Errichtung der veräußerten Appartements zustehe, weil es sich dabei nicht mehr um Steuern für Lieferungen handle, die er zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet habe. Er bezieht sich damit erkennbar auf die Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z. 1 und 2 UStG, wonach die Steuern für die Lieferungen und die Einfuhr von Gegenständen sowie für sonstige Leistungen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, soweit die Gegenstände oder sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet bzw. in Anspruch genommen werden.

Der Beschwerdeführer übersieht allerdings, daß es sich bei den im § 6 UStG normierten Umsatzsteuerbefreiungen nicht um Begünstigungen handelt, die nach Wahl des Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden können oder auf die verzichtet werden kann (etwa um in den Genuß eines höheren Vorsteuerabzuges zu gelangen), sondern daß diese Normen zwingendes Recht darstellen, deren Auswirkungen auch nicht durch Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer beseitigt werden können. Ein steuerfreier Umsatz bleibt ein solcher, auch wenn die Ausstellung einer Rechnung zu einer Steuerschuld im Sinne des § 11 Abs. 12 UStG führt. Nicht die Steuerbefreiung geht in einem solchen Fall verloren, sondern es entsteht eine eigenständige Steuerschuld kraft unrichtiger Rechnungslegung.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung Anfechtungserklärung Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988130242.X00

Im RIS seit

04.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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