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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 4. Februar 1992, Zl. Frb-4250/91, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet von Österreich erlassen. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin am 23. August 1990 bei der Österreichischen Botschaft in Ankara einen Sichtvermerk beantragt. Unter den Rubriken "Reisezweck bzw. Gültigkeitsdauer" seien "Besuchsreise" sowie "drei Monate" eingetragen worden. Außerdem habe sie eine Erklärung unterzeichnet, daß sie nur zu dem Zweck und für jene Dauer, die sie in ihrem gleichzeitig abgegebenen Sichtvermerksantrag angeführt habe, nach Österreich reisen werde. Aufgrund der Sichtvermerksbescheinigung sowie der im Sichtvermerksantrag angeführten Angaben habe die Österreichische Botschaft in Ankara einen bis 23. November 1990 gültigen Sichtvermerk erteilt. Nachdem die Beschwerdeführerin am 25. August 1990 nach Österreich eingereist sei, habe sie mit Schriftsatz vom 23. November 1990 die Verlängerung des Sichtvermerkes beantragt. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 27. Juni 1991 vor der erstinstanzlichen Behörde habe sie unter anderem angegeben, daß sie deshalb nicht ins Heimatland zurückkehren wolle, da sich ihre Geschwister und Eltern in Vorarlberg aufhielten. In der Türkei habe sie keine weiteren Verwandten. Ein weiteres Ziel ihres Aufenthaltes sei die Aufnahme einer Beschäftigung. Bei der Einreise nach Österreich bzw. bei der Abgabe der Erklärung vor der Botschaft in Ankara habe sie bereits die Absicht gehabt, längere Zeit in Österreich zu verweilen, da sie erfahren habe, daß bei längerem Aufenthalt im Bundesgebiet die Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erteilt bzw. verlängert werde. Daraus leitete die belangte Behörde ab, daß die Beschwerdeführerin vor der Österreichischen Botschaft in Ankara unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Einreise bzw. die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz zu verschaffen. Fremde, die sich derart einen Sichtvermerk erschlichen, stellten eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Ferner habe die Beschwerdeführerin der erstinstanzlichen Behörde über ihre Rechtsvertreter mitteilen lassen, daß sie am 22. Dezember 1990 in die Türkei zurückgekehrt sei. Tatsächlich habe sie sich jedoch weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten. Aufgrund dieses Verhaltens der Beschwerdeführerin erscheine die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Bei der im Grunde des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommenen Interessenabwägung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Familie der Beschwerdeführerin seit Jahren in Österreich lebe. Vater und Mutter der Beschwerdeführerin hielten sich seit 1969 bzw. 1974 in Österreich auf. Beide seien seit Jahren hier beschäftigt. Weiters lebten ein Bruder und zwei Schwestern im Bundesgebiet. Die jüngste Schwester sei in Österreich geboren. Ihren Arbeitsplatz als Friseurin habe die Beschwerdeführerin im Jahr 1990 durch Kündigung des Arbeitgebers verloren. Sie sei unverheiratet und habe keine Kinder. Trotz der Tatsache, daß sich ihre Eltern und drei Geschwister im Bundesgebiet aufhielten, wögen die "persönlichen Einwendungen" eher gering. Die Beschwerdeführerin habe ca. 20 Jahre getrennt von ihrem Vater und über 15 Jahre getrennt von ihrer Mutter in der Türkei gelebt. Die familiären Bande seien aufgrund der jahrelangen Trennung "wohl von geringer Intensität". Aufgrund des größtenteils illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei auch das Ausmaß der Integration gering zu werten. Die Beschwerdeführerin sei jung (geboren am 3. Februar 1967), unverheiratet und habe keine Sorgepflichten. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß sie als Friseurin in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt auch in der Türkei zu bestreiten. Für die belangte Behörde bestehe kein Zweifel, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation der Fremden und ihrer Familie.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Mit Beschluß vom 9. Juni 1992, B 409/92, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, daß der Sachverhalt unvollständig erhoben worden sei, weil sie von der Behörde nicht darüber befragt worden sei, ob sie bereits zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vor der Botschaft in Ankara die Absicht gehabt habe, eine Beschäftigung in Österreich aufzunehmen und über den Sichtvermerkszeitraum von drei Monaten hinaus in Österreich zu bleiben. Diese Fragen hätte sie verneinen müssen. Die Beschwerdeführerin vermag jedoch damit nicht aufzuzeigen, daß der belangten Behörde ein vom Verwaltungsgerichtshof bei der Überprüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) aufzugreifender relevanter Verfahrensmangel unterlaufen sei, rechtfertigen doch die von der Beschwerdeführerin im Zuge ihrer niederschriftlichen Vernehmung gemachten Angaben durchaus die von der belangten Behörde gezogenen Schlußfolgerungen. Es ist nicht erkennbar, daß die belangte Behörde zu anderen Sachverhaltsfeststellungen gelangt wäre, wenn die von der Beschwerdeführerin monierten Fragen gestellt und von ihr im verneinenden Sinne beantwortet worden wären, zumal solche Antworten mit der Aussage der Beschwerdeführerin, sie habe bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vor der Botschaft die Absicht gehabt, längere Zeit in Österreich zu bleiben, "da ich erfahren habe, daß bei längerem Aufenthalt im Bundesgebiet die Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erteilt bzw. verlängert wird", im Widerspruch stünden.
Da somit die belangte Behörde den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG zutreffend als verwirklicht ansah und von ihr damit zu Recht das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" angenommen wurde, durfte sie - vorbehaltlich der Unbedenklichkeit der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. - die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als gegeben erachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/19/0179).
Gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung bringt die Beschwerdeführerin vor, daß "sämtliche nahen Angehörigen" seit Jahrzehnten in Österreich lebten und sie in der Türkei keine Verwandten mehr habe. Ihren Arbeitsplatz in der Türkei habe sie verloren. Es sei in der Türkei niemand vorhanden, der für den Fall ihrer Arbeitslosigkeit für sie sorgen könne. Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde den familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihren in Österreich lebenden Familienangehörigen mit Rücksicht auf die lange Dauer der Trennung zu Recht nur eine geringe Intensität zugemessen hat. Die Beschwerdeführerin, deren rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich im übrigen von zu kurzer Dauer ist, um entscheidend ins Gewicht fallen zu können, vermag auch nicht darzutun, warum sie nicht in der Lage sein sollte, ihren Lebensunterhalt in der Türkei zu bestreiten. Wenn sie darauf hinweist, daß sie "nach Ansicht der Behörde ... in einem einzigen Fall unrichtige Angaben gegenüber den österreichischen Behörden gemacht habe", weshalb ihr Verstoß "äußerst geringfügiger Natur" sei, übersieht sie, daß die belangte Behörde bei der Interessenabwägung zu Recht auch die dieser zuzurechnende unrichtige Angabe, sie sei am 22. Dezember 1990 in die Türkei zurückgekehrt, als - weil sogar noch im Verwaltungsverfahren abgegeben - besonders schwer zu ihren Lasten ins Gewicht fallend mitberücksichtigen durfte. Die Interessenabwägung begegnet daher keinen Bedenken.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180282.X00Im RIS seit
04.09.1992