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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des N in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 2. Jänner 1990, Zl. 7W-109/4/89, betreffend Übertretung des Preisgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 15. Jänner 1988 in K, F-Straße, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der N-Wäscherei Betriebsges.m.b.H. für die Bedarfsleistung "Spezialreinigung eines Sakkos" ein übermäßiges Entgelt von S 74,-- gefordert, wodurch der für die Bedarfsleistung der gleichen Art und Beschaffenheit am Ort der Erbringung durch gleichartige Betriebe im ordentlichen Geschäftsverkehr übliche Preis von S 68,-- um 8,8 vH, somit erheblich, überschritten worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 14 Abs. 1 und Abs. 3, dritte Rechtsregel in Verbindung mit § 16a Preisgesetz 1976 idF. BGBl. Nr. 337/1981 (PreisG), verletzt. Demgemäß werde die (von der Bundespolizeidirektion Klagenfurt als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gemäß § 15 PreisG verhängte Strafe von S 2.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzarrest von 2 Tagen) auf S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall auf eine Ersatzarreststrafe von 12 Stunden, herabgesetzt.
In der Begründung dieses Bescheides wird - soweit für vorliegendes Erkenntnis von Bedeutung - im wesentlichen ausgeführt, der von der Strafbehörde erster Instanz als ortsüblicher Preis angeführte Betrag von S 63,80 ergebe sich aus dem Preisband, welches die Bundespolizeidirektion Klagenfurt im Bericht vom 14. April 1988 zusammengestellt habe. Dieser Durchschnittspreis sei (von der belangten Behörde) durch S 68,-- ersetzt worden, das heißt durch einen Betrag, der zum Tatzeitpunkt für die betreffende Leistung tatsächlich gefordert worden sei und der "marginalen" Größe von S 63,80 am nächsten gelegen sei. Die Änderung des Vergleichspreises habe auch eine Änderung in der Erheblichkeit der Preisüberschreitung ergeben, welche auch eine Berücksichtigung in der Höhe des Strafausmaßes zur Folge gehabt habe. Ob eine Preisüberschreitung von unter 10 vH als erheblich anzusehen sei, richte sich bei einer Bedarfsleistung nach der Häufigkeit der Nachfrage. Gemessen an den heutigen Lebensgewohnheiten könne man davon ausgehen, daß Putzereileistungen regelmäßig in Anspruch genommen würden. Die belangte Behörde habe daher die Preisgestaltung des "belangten Betriebes" als eine gravierende Überschreitung des ortsüblichen Preises gewertet.
Des weiteren begründete die belangte Behörde, weshalb entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers die N-Wäscherei Betriebsges.m.b.H. auf Grund ihrer betrieblichen Ausstattung eine Reinigungsleistung erbringe, die nach ihrer Art und Beschaffenheit mit jener der (vom Beschwerdeführer so bezeichneten) "Billigbetriebe" der Branche vergleichbar sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, wegen des festgestellten Sachverhaltes nicht der oben genannten Übertretung schuldig gesprochen zu werden, verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976, idF. der Novelle BGBl. Nr. 288/1980, macht sich einer Preistreiberei schuldig, wer für Sachgüter und Leistungen, die unmittelbar oder mittelbar der Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse dienen (im folgenden kurz Bedarfsgegenstand und Bedarfsleistung genannt), ein offenbar übermäßiges Entgelt ersichtlich macht, fordert, annimmt oder sich versprechen läßt. Nach der sogenannten dritten Rechtsregel des § 14 Abs. 3 leg. cit. idF. der Novelle BGBl. Nr. 271/1978 gilt als ein offenbar übermäßiges Entgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 unter anderem ein Entgelt, das den für Bedarfsgegenstände oder Bedarfsleistungen der gleichen Art und Beschaffenheit am Orte des Verkaufes oder der Erbringung der Bedarfsleistung durch gleichartige Betriebe im ordentlichen Geschäftsverkehr jeweils üblichen Preis erheblich überschreitet.
Der angefochtene Bescheid erweist sich bereits aus einem vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Grund als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 Abs. 3 dritte Rechtsregel PreisG nimmt diese Bestimmung auf die im Bereich der Marktwirtschaft übliche freie Entwicklung der Preise nach Angebot und Nachfrage Bezug, die in der Praxis zwischen einer unteren und einer oberen Grenze schwanken. Die gegenständliche Norm bezweckt lediglich eine regulierende Funktion insofern, als übermäßige Überschreitungen dieser Bandbreite unter Strafe gestellt sind. Aus den Worten "im ordentlichen Geschäftsverkehr üblich" ist erkennbar, daß weder im Handel geforderte Schleuderpreise noch auch Überpreise die Grundlage für die Ermittlung des ortsüblichen Preises bilden können. Strafbar ist nicht jede, sondern nur eine erhebliche, also übermäßige Preisüberschreitung. Nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" wird bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Preisüberschreitung immer von der OBEREN GRENZE der ermittelten ortsüblichen Preise auszugehen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1989, Zl. 87/17/0411, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).
Nach dem in den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Bericht der Bundespolizeidirektion Klagenfurt, Kriminalpolizeiliche Abteilung, vom 14. April 1988, auf den die Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich Bezug nimmt, wurden im Zuge der Preiserhebung im Oktober 1987 bei näher genannten Unternehmungen jeweils folgende Preise für die Spezialreinigung eines Sakkos erhoben: S 50,--, S 54,--, S 55,--, S 60,--, S 68,--, S 70,--, S 71,--, und S 72,-- sowie bei der N-Wäscherei Betriebsges.m.b.H. S 74,--.
Im Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz vom 30. Jänner 1989 wurde ein ortsüblicher Preis von S 63,80 angenommen, der - ohne daß dies aus der Begründung dieses Bescheides hervorginge - offenbar den Durchschnitt aus den oben genannten Preisen darstellen sollte. Die belangte Behörde hat diesen Vergleichspreis mit der oben wiedergegebenen Begründung auf S 68,-- erhöht, hiebei jedoch außer acht gelassen, daß es sich dabei nicht um die obere Grenze der ermittelten ortsüblichen Preise handelte. Diese betrug vielmehr, wie sich aus dem oben wiedergegebenen Preisband laut Bericht vom 14. April 1988 ergibt, S 72,--, die dem Beschwerdeführer anzulastende Preisüberschreitung demgegenüber daher lediglich rund 2,8 vH.
Bei dieser Sachlage kann jedoch nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Preisüberschreitung im Sinne der oben genannten Gesetzesstelle als ERHEBLICH anzusehen wäre. Das Gesetz definiert und erläutert nicht, wann eine ERHEBLICHE Preisüberschreitung vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in seiner Rechtsprechung die Frage der Erheblichkeit der Preisüberschreitung als Tatfrage behandelt und bei Massenverbrauchsartikeln und insbesondere bei Lebensmitteln des täglichen Bedarfes einen strengeren Maßstab angelegt als etwa bei Nähmaschinen. Er hat weiters dargetan, daß bei der Beurteilung des Begriffes "erheblich" der Maßstab in dem Umfang der nachteiligen Auswirkungen gefunden werden kann, die die jeweilige Preiserhöhung, ganz allgemein betrachtet, für den Konsumenten haben kann. Bei Massenkonsumartikeln wie etwa bei Semmeln, Espresso, Wein oder anderen Getränken ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Überschreitung des ortsüblichen Preises um rund 5 vH als erheblich anzusehen (vgl. die Erkenntnisse vom 24. Mai 1965, Slg. Nr. 6702/A, vom 6. Mai 1966, Slg. Nr. 6920/A, vom 19. März 1968, Zl. 1432/67, vom 17. April 1985, Zl. 84/11/0021, vom 10. Juli 1987, Zl. 86/17/0017, und vom 9. Juni 1989, Zl. 88/17/0251). Der Gerichtshof hat weiters eine Überschreitung des ortsüblichen Preises um 10 vH (auch schon) dann als erheblich angesehen, wenn es sich um keinen Massenkonsumartikel handelt (Erkenntnis vom 9. November 1982, Zl. 82/11/0144). Im Fall des Erkenntnisses vom 26. Mai 1987, Zl. 86/17/0016, hat er dargetan, daß die damals belangte Behörde den Spielraum, der bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "erheblich" zur Verfügung steht, bei der Qualifikation einer Preisüberschreitung von 8,4 vH für die Leistungen eines Gas- und Wasserinstallationsbetriebes nicht überschritten habe.
Unter Bedachtnahme auf diese Rechtsprechung kann eine Preisüberschreitung von 2,8 vH für eine Bedarfsleistung, die wie die SPEZIALREINIGUNG eines Sakkos nicht zu den elementarsten Bedürfnissen der Bevölkerung gehört, noch nicht als "erheblich" angesehen werden.
Da die belangte Behörde die Rechtslage im aufgezeigten Sinn verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Streitteile eingegangen werden mußte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umsatzsteuer ist im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche BeurteilungDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 erheblichAuslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterRechtsfrage Tatfrage ErheblichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990170051.X00Im RIS seit
11.09.2001Zuletzt aktualisiert am
24.11.2009