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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der D in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 3. Juli 1987, Zl. 134-3/86, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1978, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war Gesellschafterin der B.OHG. Nach mehrjährigen Verhandlungen über die Abschichtung der Gesellschafterin erfolgte am 23. April 1979 nach Abschluß eines schriftlichen Auseinandersetzungsvertrages zwischen den Gesellschaftern der OHG vom 30. März 1979 die Eintragung des Ausscheidens der Beschwerdeführerin aus der OHG im Firmenbuch (Handelsregister). Als Auseinandersetzungsstichtag wurde in diesem Vertrag der 1. Jänner 1976 (31. Dezember 1975) festgelegt.
Anläßlich einer die Jahre 1978 bis 1980 umfassenden Betriebsprüfung stellte der Betriebsprüfer u.a. einen mit Stichtag 31. Dezember 1978 infolge Anteilsveräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn der Beschwerdeführerin von S 1,214.610,-- fest.
Das Finanzamt folgte in den von Amts wegen wiederaufgenommenen Verfahren den Feststellungen des Prüfers und erließ - nach in der Zwischenzeit erfolgter Löschung der OHG im Handelsregister (Firmenbuch) - einen an die ehemaligen Gesellschafter der OHG gerichteten und der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1978.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Im Berufungsverfahren machte sie im wesentlichen geltend, sie sei als ehemalige Gesellschafterin der OHG über das Betriebsprüfungsverfahren nicht verständigt und der Schlußbesprechung nicht beigezogen worden, sodaß infolge Verletzung des rechtlichen Gehörs ein mangelhaftes Verfahren vorliege. Auf Grund des Auseinandersetzungsvertrages stehe ihr nach dem 31. Dezember 1975 eine Beteiligung am Geschäftserfolg nicht mehr zu. Dieser Zeitpunkt müsse auch von der Abgabenbehörde akzeptiert werden. Im übrigen seien die Kosten der steuerlichen Vertretung im Zusammenhang mit dem Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften zu berücksichtigen. Ferner sei im Gegensatz zu den Feststellungen des Betriebsprüfers das negative Kapitalkonto um die Entnahmen zu erhöhen.
Mit Berufungsentscheidung gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt. Die im Zuge der Auseinandersetzung entstandenen Rechtsanwaltskosten wurden bei der Veräußerungsgewinnermittlung als Rückstellung angesetzt und die Entnahme, die als Akontozahlung auf den Veräußerungserlös angesehen wurde, kam bei der Ermittlung des Kapitalkontos zum Ansatz, sodaß der Veräußerungsgewinn mit S 1,064.610 festgesetzt wurde.
Im übrigen hat die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Wenn die Beschwerdeführerin über die Betriebsprüfung und die Schlußbesprechung nicht verständigt worden sei, so seien ihr dennoch die erforderlichen Auskünfte über die Feststellungen des Prüfers sowie Akteneinsicht gegeben worden, sodaß ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Die Absicht, daß die Beschwerdeführerin zum 1. Jänner 1976 oder schon vorher aus der OHG ausscheiden solle, mögen zwar alle Gesellschafter gehabt haben, die Absicht allein genüge aber nicht, um ein Ausscheiden annehmen zu können. Erst gegen Ende des Jahres 1978 wären nach intensiven Auseinandersetzungen auch die Voraussetzungen für ein Ausscheiden und die wesentlichsten Modalitäten des Ausscheidens der Beschwerdeführerin festgelegt worden und alle Vertragsteile hätten keinen Zweifel mehr an der sofortigen Durchführung der Auflösung der Gesellschafterstellung der Beschwerdeführerin aufkommen lassen. Unbestritten sei, daß das Jahr 1979 als Zeitpunkt des Auscheidens bzw. als Jahr der Erfassung des Veräußerungsgewinnes nicht in Betracht zu ziehen sei.
Weiters wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Aufwand für die rechtsfreundliche und steuerliche Beratung im laufenden Berufungsverfahren keine der Beschwerdeführerin unmittelbar durch die Veräußerung entstandenen Kosten dastelle, sodaß diese nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Zum Anteil am laufenden Verlust für das Jahr 1978 führte die belangte Behörde aus, daß der ausscheidende Gesellschafter einer OHG bis zu seinem Ausscheiden am laufenden Gewinn und Verlust beteiligt sei. Es treffe zwar zu, daß die Beschwerdeführerin zu einem möglichst zurückliegenden Stichtag aus der Gesellschaft ausscheiden wollte, aber erst Ende 1978 seien solche gesellschaftlichen Vereinbarungen vorgelegen, die wegen des Grundsatzes, daß eine steuerliche Rückwirkung solcher gesellschaftlichen Vereinbarungen ausgeschlossen sei, nicht zur Folge haben konnten, daß die anteiligen Betriebserfolge bis einschließlich 1978 der Beschwerdeführerin nicht zuzurechnen seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall der steuerlich maßgebende Zeitpunkt des Ausscheidens der Beschwerdeführerin aus der OHG und somit der Zeitpunkt der Erfassung des Veräußerungsgewinnes. Die Beschwerdeführerin macht dazu geltend, daß die grundlegenden Übereinstimmungen über die Abschichtung jedenfalls 1977/Beginn 1978 erzielt worden seien und die Handelsregister(Firmenbuch-)anmeldung bereits am 19. Juni 1978 verfaßt und am 10. Juli/17. September 1978 unterfertigt worden sei. Daher hätte der Ausscheidungsstichtag, abweichend von der privatrechtlichen Vereinbarung, steuerlich jedenfalls zum 31. Dezember 1977 angesetzt werden müssen, da es in der Lehre und Rechtsprechung unbestritten sei, daß zumindest alle im ersten Halbjahr eines Wirtschaftsjahres getroffenen Maßnahmen rückwirkend auf den Beginn des Wirtschaftsjahres gesetzt werden können und steuerlich anzuerkennen seien. Die belangte Behörde habe die Beweiswürdigung unrichtig ausgeübt. Bereits zur Jahreswende 1977/1978 sei festgestanden, daß die Beschwerdeführerin mit Stichtag 31. Dezember 1975 aus dem Unternehmen ausscheiden und am Vermögen und Betriebserfolg des gesellschaftlichen Lebens nicht mehr teilhabe. Ihre Gesellschafterstellung sei eine förmlich bestehende Tatsache gewesen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise jedoch keine Beachtung zu finden habe. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte kein Grund zur Annahme bestanden, daß im Juni 1979 (richtig wohl: 1978) die Tatsache des Ausscheidens und der Abschichtung im Innenverhältnis zum 31. Dezember 1975 noch zweifelhaft gewesen wäre. Auch habe sich die belangte Behörde nicht mit der subjektiven Auffassung der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, der Auseinandersetzungsstichtag aus dem Innenverhältnis sei maßgebend.
Mit diesem Vorbringen, mit dem die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, räumt sie ein, daß nicht der mit Vertrag vereinbarte Zeitpunkt
(31. Dezember 1975), sondern der 31. Dezember 1977 steuerlich maßgebend gewesen sei. Die Abgabenbehörde hat nun gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es hiebei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen läßt (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1990, 87/14/0155). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines angefochtenen Bescheides beinhaltet u.a. die Aufgabe, zu überprüfen, ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen der belangten Behörde schlüssig sind oder nicht, d.h., ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen.
Wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen ist, die Gesellschafter mögen zwar die Absicht gehabt haben, daß die Beschwerdeführerin zum 1. Jänner 1976 oder schon früher aus der Gesellschaft ausscheiden solle, aber erst Ende des Jahres 1978 - wie dies aus dem Schriftverkehr des Parteienvertreters ersichtlich ist - nach intensiven Auseinandersetzungen auch die Voraussetzungen für ein Ausscheiden und die wesentlichsten Modalitäten des Ausscheidens festgelegt hätten, dann erweist sich diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig. Hat doch der Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 24. Juli 1978 mitgeteilt, daß die Unterfertigung der Registereingabe und damit der Austritt selbst erst nach Zustandekommen des Auseinandersetzungsvertrages erfolgen werde, und, sollte der Vertrag aber nicht zustandekommen, die Beschwerdeführerin vorerst in der Gesellschaft verbleiben werde. Der im Anschluß daran verfaßte nächste Vertragsentwurf stammt vom 7. November 1978. Hinzu kommt, daß - trotz Drängens aller Gesellschafter auf Abschichtung - die Eintragung im Handelsregister (Firmenbuch) letztlich erst am 23. April 1979 (dem Finanzamt am 22. Mai 1979 bekanntgegeben) erfolgt ist, sodaß erst ab diesem Zeitpunkt die Publizität der bis dahin gesellschaftlich internen Regelungen gegeben war (§ 15 HGB). Überdies hat der steuerliche Vertreter der OHG mit Schreiben vom 28. April 1981 der Behörde mitgeteilt, daß die Ausscheidungsbilanz für die Beschwerdeführerin "laut Übereinkunft der Gesellschafter per 1.1. 1979 übereinstimmend festgelegt wurde". Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch einen Verfahrensmangel erkennen, wenn bei dieser Sachlage die belangte Behörde nicht den 31. Dezember 1977, sondern den 31. Dezember 1978 als steuerlich maßgebenden Zeitpunkt der Abschichtung angesehen hat.
Der Vorwurf, mit Ablauf des Jahres 1982 sei bereits Verjährung eingetreten und der angefochtene Bescheid hätte im Jahre 1985 nicht mehr ergehen dürfen, erweist sich schon deswegen als haltlos, weil nach § 207 Abs. 1 BAO das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nicht aber die Erlassung von (Feststellungs-)Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften der (Festsetzungs-)Verjährung unterliegt. Die Frage der Verjährung ist daher erst im Zusammenhang mit der Abgabenfestsetzung zu beurteilen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unmittelbar mit der Abschichtung im Zusammenhang stehende Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung bei der Veräußerungsgewinnermittlung berücksichtigt. Der erst im laufenden Berufungsverfahren entstandene Aufwand der rechtsfreundlichen und steuerlichen Beratung ist der Beschwerdeführerin nicht unmittelbar durch die Abschichtung entstanden (vgl. auch Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz. 56 zu § 24 EStG 1972).
Die Beschwerdeführerin rügt weiters die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und macht dabei geltend, daß sie als mitbetroffene Gesellschafterin der OHG weder über den Beginn der Betriebsprüfung verständigt noch der Betriebsprüfung und der Schlußbesprechung beigezogen worden sei, sodaß eine "Verkürzung des Instanzenzuges" vorliege. Die Abgabenbehörde, die im abgabenbehördlichen Verfahren eine allfällige Verletzung von Verfahrensvorschriften zu vertreten hatte, hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren sowohl Gelegenheit zur Akteneinsicht gegeben, als auch mit einem Vertreter der Beschwerdeführerin die Feststellungen des Betriebsprüfungsberichtes durchgesehen und erörtert. Abgesehen von dieser nachträglichen Sanierung eines allfälligen Verfahrensmangels ist gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ein Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Daß die belangte Behörde bei Beachtung der angeblich verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat die Beschwerdeführerin nicht darzulegen vermocht. Worin die behauptete Verkürzung des Instanzenzuges liege, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.
Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1987140158.X00Im RIS seit
11.07.2001