TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/8 89/14/0021

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Veröffentlicht am 08.09.1992
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

GewStG §1 Abs2 Z2;
GewStG §16 Z2;
GewStG §4 Abs1;
GewStG §6 Abs3;
KStG 1966 §8 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek, Dr Karger, Dr Baumann und Mag Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr Cerne, über die Beschwerde der D GmbH in S, vertreten durch Dr S, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg, Berufungssenat II, vom 23. Juni 1988, Zl 217-GA4BK-DK/87, betreffend Gewerbesteuer für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 11.480 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist seit dem Jahr 1983 steuerlicher Organträger der DF-GmbH. In der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1985 beantragte die Beschwerdeführerin - neben anderen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittigen Fehlbeträgen - die Berücksichtigung von Fehlbeträgen der DF-GmbH aus den Jahren vor Gründung der Organschaft. Diese seien mit dem ausgewiesenen Ertrag der DF-GmbH zu verrechnen.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, vororganschaftliche Fehlbeträge könnten nicht vorgetragen werden.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Tz 6 - 147 ff, ein, auch vororganschaftliche Fehlbeträge seien vortragsfähig.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte das Finanzamt auf die mangelnde Subjektidentität der Organgesellschaft ab. Mit Beginn der Organschaft gehe die Organgesellschaft als Gewerbesteuersubjekt unter, wobei das Recht auf Berücksichtigung von Fehlbeträgen nicht auf den Organträger übergehe. Die in der Berufung angeführte Kommentarmeinung stütze sich auf die Rechtsprechung des (deutschen) Bundesfinanzhofes, welche nicht auf das österreichische Steuerrecht übertragbar sei.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verwies die Beschwerdeführerin auf die zivilrechtliche Selbständigkeit und die eigenständige Bilanzierungspflicht der Organgesellschaft. Die Ermittlung des Ertrages beinhalte konsequenterweise die Vortragsfähigkeit der vororganschaftlichen Fehlbeträge beim jeweiligen Organ. Die vom Organträger einzureichende organschaftliche Erklärung stelle lediglich eine Zusammenfassung der Einzelerklärungen dar.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Gemäß § 1 Abs 2 Z 2 GewStG 1953 gelte eine Organgesellschaft - kraft gesetzlicher Fiktion - als Betriebsstätte des Organträgers; sie sei ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr persönlicher Schuldner der Gewerbesteuer. Bei der Auslegung des Begriffes "Betriebsstätte" sei § 29 BAO heranzuziehen. Demnach verliere die Organgesellschaft gewerbesteuerlich die Rechtsubjekteigenschaft und damit

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mangels Subjektidentität - die Möglichkeit der Geltendmachung von vororganschaftlichen Fehlbeträgen. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Meinung von Philipp bzw die gleichlautende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes seien wegen der unterschiedlichen Gesetzeslage in Deutschland

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insbesondere § 73 (deutsche) Abgabenordnung (im Gegensatz zu § 13 BAO) und § 7a Abs 2 (deutsches) Körperschaftsteuergesetz alte Fassung (im Gegensatz zu § 8 Abs 4 KStG 1966) - auf das österreichische Steuerrecht nicht übertragbar.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 29. November 1988, B 1656/88-6, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte die Beschwerdeführerin ihre an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Das Vortragsrecht vororganschaftlicher Fehlbeträge resultiere aus der getrennten Gewinnermittlung der Organgesellschaft und des Organträgers. Dementsprechend habe jede der beiden Gesellschaften gemäß § 16 Z 2 GewStG 1953 eine Erklärung beim Finanzamt abzugeben, wobei der vom Organträger einzureichenden organschaftlichen Gewerbesteuererklärung die Bedeutung einer Zusammenfassung der Einzelerklärungen zukomme. Zur Auslegung des Begriffes "Betriebsstätte" im angefochtenen Bescheid verweist die Beschwerdeführerin auf den Sinn der Gewerbesteuer als Objektsteuer, wonach die Gemeinden für ihre Belastungen durch einen Betrieb entschädigt werden sollten. Aus diesem Blickwinkel diene die Regelung des § 1 Abs 2 Z 2 GewStG 1953 dem Zufluß von Ausgleichszahlungen an die Gemeinden bei organschaftlich verbundenen Unternehmen. Ein Ausschluß der Vortragsfähigkeit vororganschaftlicher Fehlbeträge sei daraus aber nicht abzuleiten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe allfällige Haftungsvoraussetzungen gemäß § 13 BAO sowie die Rechtsverhältnisse zwischen Organträger und Organgesellschaft nicht ermittelt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs 3 GewStG 1953 in der Fassung BGBl Nr 531/1984 wird der Gewerbeertrag bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn durch Bestandsvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die sieben vorangegangenen Wirtschaftsjahre .... ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Wirtschaftsjahre gekürzt worden sind.

Grundsätzlich ist das Recht auf Geltendmachung von Fehlbeträgen an die Person des Gewerbetreibenden (Subjektidentität) und an den Gewerbebetrieb als solchen (Objektidentität) geknüpft (Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts4, Bd I, 267).

Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage strittig, ob durch Begründung der Organschaft die Subjektidentität der Organgesellschaft verloren geht.

Nach § 1 Abs 2 Z 2 zweiter Satz GewStG 1953 gilt ein Unternehmen, das dem Willen eines anderen Unternehmens derart untergeordnet ist, daß es keinen eigenen Willen hat, als Betriebsstätte dieses Unternehmens. Gemäß § 4 Abs 1 GewStG 1953 ist Steuerschuldner für die auf Grund der zusammengefaßten Erträge zu errechnende Gewerbesteuer nur der Organträger (Philipp, aaO, Tz 1 - 239).

Aus diesen Bestimmungen schließt die belangte Behörde auf den Verlust der gewerbesteuerlichen Rechtsubjektivität der Organgesellschaft. Dem ist entgegenzuhalten, daß Organgesellschaft und Organträger zivilrechtlich und wirtschaftlich selbständige Gesellschaften sind, deren Betriebsergebnisse zusammengerechnet werden. Es wird zwar nur beim Organträger ein Gewerbesteuermeßbetrag festgestellt; entscheidend ist jedoch, daß die durch die Organschaft verbundenen Unternehmen getrennt Bilanzen erstellen, welche für die Heranziehung zur Körperschaftsteuer und damit für die Gewerbesteuer maßgebend sind. Dementsprechend hat die Organgesellschaft nicht nur ihr Jahresergebnis zu ermitteln, die daraus resultierende Gewerbesteuer zu berechnen und gemäß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung diese im Jahresabschluß auszuweisen, sondern darüber hinaus auch gemäß § 16 Z 2 GewStG 1953 eine Erklärung beim Finanzamt abzugeben. Dieser kommt allerdings im Hinblick auf § 1 Abs 2 Z 2 GewStG 1953 lediglich Evidenzcharakter zu. Die grundsätzliche Verneinung der gewerbesteuerlichen Rechtsubjektivität der Organgesellschaft - also eine Gleichstellung der Gründung einer Organschaft mit der Auflösung oder Umwandlung einer Kapitalgesellschaft - ist nicht gerechtfertigt. Dem steht auch der Wortlaut des § 1 Abs 2 Z 2 zweiter Satz GewStG 1953 nicht entgegen. Der Begriff "Betriebsstätte" erfüllt im Gewerbesteuerrecht in der Hauptsache die Funktion, den belasteten Gemeinden Anteile am einheitlichen Steuermeßbetrag eines Gewerbebetriebes zu sichern. Unter Berücksichtigung des genannten Gesetzeszweckes kann aus dem Begriff "Betriebsstätte" somit nicht gefolgert werden, daß die Gründung einer Organschaft jedenfalls zum Verlust der gewerbesteuerlichen Rechtspersönlichkeit führt. Der Umstand, daß der Organträger Schuldner der Gewerbesteuer ist, schließt ebenfalls die Rechtsubjektivität der Organgesellschaft nicht aus (vgl Philipp, aaO, Tz 1 - 239 und 6 - 147 ff; Bertl-Kofler, Gewerbesteuerverrechnung im Organkreis, ÖStZ 1985, 173; Schmidt-Steppert, Die Organschaft3, 190; Urteile des Bundesfinanzhofes vom 8. Jänner 1963, I 237/61 U, BStBl 1963 III, 188, vom 23. März 1965, I 338/60 U, BStBl 1965 III, 449, vom 26. April 1966, I 44/64, BStBl 1966 III, 376, ua).

Die DF-GmbH als Organgesellschaft ist somit bei der Ermittlung ihres Ertrages im Weg der Beschwerdeführerin als Organträger berechtigt, ihre vororganschaftlichen Fehlbeträge insoweit vorzutragen, als diese durch ihren eigenen Ertrag gedeckt sind. Ein Ausgleich mit einem Ertrag der Beschwerdeführerin als Organträger ist nicht zulässig, weil insoweit eine Subjektidentität im Sinn der vorstehenden Ausführungen nicht besteht (Philipp, aaO, 150;

Schmidt-Steppert, aaO, 191). Die gegenteilige Vorgangsweise - Verrechnung vororganschaftlicher Fehlbeträge mit einem Ertrag der Beschwerdeführerin als Organträger - würde einer de facto rückwirkenden Organschaft gleichkommen. Dies widerspräche aber der konstitutiven Natur der Organschaft, deren Rechtsfolgen eben erst ab Gründung derselben eintreten können.

Hinsichtlich der Organschaft im KStG 1966 ist auf die Bestimmung des § 8 Abs 4 zweiter Satz zu verweisen, die explizit vororganschaftliche Verluste regelt. Eine entsprechende Norm fehlt im GewStG 1953; die unterschiedliche Handhabung ist somit auf Grund der unterschiedlichen Gesetzeslage gerechtfertigt.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was zur Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG führen mußte. Es erübrigt sich daher, auf die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989140021.X00

Im RIS seit

08.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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