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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §167 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des J in D, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Dezember 1991, Zl. GA 5-1941/2/91, betreffend erhöhte Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 21. Dezember 1990 begehrte der Beschwerdeführer für seinen geborenen Sohn G die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab 1. Dezember 1987; dies mit der Begründung, das Kind sei seit seinem dritten Lebensjahr erheblich behindert. Zum Beweis hiefür stützte sich der Beschwerdeführer auf ein ärztliches Zeugnis des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft vom 19. Dezember 1990, welches (auszugsweise) folgenden Wortlaut hat:
"G ... ist im Sinne des § 8 Abs. 5 des
Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erheblich behindert, da
er infolge des festgestellten Leidens bzw. Gebrechens ... im
schulpflichtigen Alter in der Schulbildung voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt ist bzw. überhaupt schulunfähig ist ...
Festgestellte Leiden bzw. Gebrechen: chron. allergisches Asthma bronchiale, seit 3. Lebensjahr, allergische Rhinitis, ständige Medikamenteneinnahme u ärztliche Ko erforderlich, eingeschränkte körperl. Belastbarkeit, Hyposensibilisierungsbehandlung beginnt 1991"
Aus Zeugnissen der Sporthauptschule (über das Schuljahr 1989/90) und der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule (über den Besuch des ersten Semesters der ersten Klasse B der Handelsschule des Schuljahres 1990/91) ergibt sich, daß der Sohn des Beschwerdeführers im Schuljahr 1989/90 einen durchwegs guten bzw. befriedigenden (genügend nur im Fach Englisch) bzw. im ersten Semester des Schuljahres 1990/1991 einen durchwegs befriedigenden bzw. genügenden Schulerfolg hatte; im erstgenannten Schuljahr nahm er an der unverbindlichen Übung Fußball teil und im letztgenannten Schulhalbjahr wurden die Leistungen im Fache Leibesübung mit sehr gut beurteilt.
Mit Bescheid vom 26. Februar 1991 wies das Finanzamt den Antrag ab.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, es sei eine Amtsanmaßung, wenn das Finanzamt die vorgelegte ärztliche Bestätigung in Zweifel ziehe bzw. ignoriere.
Aus einer im Berufungsverfahren eingeholten Mitteilung des Direktors der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule vom 19. Juni 1991 ergibt sich, daß der Sohn des Beschwerdeführers in der Schulausbildung grundsätzlich nicht behindert sei. Wegen einer starken Pollenallergie müsse allerdings im Turnunterricht und bei Wandertagen auf den Schüler besonders Rücksicht genommen werden. Darüber hinaus sei der Schüler an bestimmten Tagen bei starker Pollenaktivität nicht in der Lage, den Unterricht zu besuchen.
In einer Stellungnahme vom 26. Juni 1991 vertrat der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft folgende Auffassung:
"Bezugnehmend auf das Telefonat vom 25. Juni 1991 wird mitgeteilt, daß laut Aufzeichnungen in der Kartei (Untersuchung 19.12.1990) G an chron. allerg. Asthma bronchiale leidet. Es treten noch häufig Anfälle auf. Eine Desensibilisierungsbehandlung beim Lungenfacharzt Dr. H wird in diesem Jahr beginnen. G leidet nach Anfällen an körperlicher Erschöpfung. Durch das Asthma besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit im Bereich der Atemwege."
Einer Mitteilung der Direktion der Sporthauptschule vom 21. Oktober 1991 ist zu entnehmen, daß es während des Schulbesuches vom September 1987 bis Juni 1990 betreffend G keine Beeinträchtigungen in der Schulbildung oder im Sport gegeben hätte und daß sich die Fehlstunden im üblichen Rahmen gehalten hätten.
In einer weiteren Mitteilung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft vom 26. November 1991 wird dagegen ausgeführt, daß der Schüler oftmals am Turnunterricht nicht habe teilnehmen können. Wegen oft mehrerer Anfälle untertags und nachts während der Vegetationsperiode (März bis September) sei eine Teilnahme am Unterricht wesentlich erschwert. Derzeit laufe eine Desensibilisierungsbehandlung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und vertrat nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage die Auffassung, dem vorgelegten ärztlichen Zeugnis komme im vorliegenden Fall keine Beweiskraft zu. In Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gab die belangte Behörde vielmehr den vorliegenden Äußerungen und Stellungnahmen der Direktionen der Sporthauptschule und der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule den Vorzug. Eine Behinderung sei zwar zweifellos vorhanden, jedoch nicht so weitreichend, daß von einer wesentlichen Beeinträchtigung in der Schulbildung, wie sie das Familienlastenausgleichsgesetz für die erhöhte Beihilfe voraussetze, gesprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bezug der erhöhten Familienbeihilfe verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG (in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um S 1.450,-- (ab 1. Jänner 1990 um S 1.550,--).
Gemäß Abs. 5 lit. b leg. cit. gelten als erheblich behindert Kinder, deren Schulbildung im schulpflichtigen Alter infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt ist oder die überhaupt schulunfähig sind.
Nach Abs. 6 Satz 1 der zitierten Gesetzesstelle ist die erhebliche Behinderung durch ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes nachzuweisen.
Kern der Beschwerdeausführungen ist das Argument, daß im vorliegenden Fall ohnehin ein qualifiziertes Zeugnis i.S. des § 8 Abs. 6 FLAG vorliege und daß die belangte Behörde gegen § 167 Abs. 1 BAO verstoßen habe, weil Tatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstelle, keines Beweises bedürften. Ob bei einem Kind eine erhebliche Behinderung bestehe, sei nicht nach dem Schulerfolg, sondern nach dem ärztlichen Zeugnis zu beurteilen.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst entgegenzuhalten, daß es nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 5 lit. b FLAG, allein darauf ankommt, ob das betreffende Kind infolge seines Leidens oder Gebrechens in seiner Schulbildung voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt oder überhaupt schulunfähig ist. Weiters ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß nach der hg. Judikatur das von § 8 Abs. 6 FLAG geforderte amtsärztliche Zeugnis ein Beweismittel darstellt, welches gemäß § 167 Abs. 2 BAO der freien Beweiswürdigung der Behörde unterliegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/13/0094 und die dort zitierte Literatur; aber auch das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1984, Zl. 82/13/0222). Das Vorliegen eines amtsärztlichen Zeugnisses i.S. des § 8 Abs. 6 Satz 1 FLAG bedeutet keinesfalls, daß damit eine vermutete Tatsache i.S. des § 167 Abs. 1 BAO gegeben wäre. Selbst dann, wenn man dieser Auffassung wäre, könnte dem Familienlastenausgleichsgesetz nicht entnommen werden, daß es sich dabei um eine unwiderlegbare Vermutung handelte (vgl. dazu Stoll, BAO Handbuch 386 Abs. 3).
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie in schlüssiger Beweiswürdigung anhand der vorliegenden Äußerungen von Organen der vom Kind des Beschwerdeführers besuchten Schulen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 lit. b FLAG verneint und den Antrag abgewiesen hat. Wenn auch der Schulerfolg selbst kein Kriterium der zitierten Gesetzesstelle ist, kann er doch (wie insbesondere das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/13/0094 zeigt) sehr wohl bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schulbildung auf der Ebene der Beweiswürdigung herangezogen werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992150026.X00Im RIS seit
01.06.2001