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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1151 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der E-GmbH in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Jänner 1992, Zl. GA 7-1042/91, betreffend Pfändung und Überweisung einer Geldforderung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Für die Beschwerdeführerin ist nach dem unstrittigen Sachverhalt der Abgabenschuldner A als Konsulent tätig. Er erhält für seine beratende Tätigkeit im Zusammenhang mit der Erstellung von Kostenvoranschlägen monatlich ein Entgelt von S 3.500,--.
Zur Hereinbringung einer Abgabenschuld von S 48.970,-- nahm das Finanzamt Mistelbach mit Bescheid vom 7. März 1991 die Pfändung und Überweisung der obgenannten Forderung des Abgabenschuldners gegenüber der Beschwerdeführerin als Drittschuldnerin vor.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, es handle sich bei der gepfändeten Forderung um eine, die gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 Lohnpfändungsgesetz (LPfG) bis zu einem Betrag von S 3.700,-- monatlich nicht der Pfändung unterliege.
In Beantwortung einer Frage des Finanzamtes brachte die Beschwerdeführerin vor, es bestehe kein schriftlicher Vertrag zwischen ihr und dem Abgabenschuldner.
Mit Berufungsvorentscheidung wies daraufhin das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, die Entschädigungen eines Konsulenten für beratende Tätigkeit sei kein Arbeitseinkommen i.S. der Abgabenexekutionsordnung bzw. des Lohnpfändungsgesetzes.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. In der Begründung vertrat sie den Standpunkt, die Mitarbeit des Abgabenschuldners erfolge nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses, sondern offenbar auf Grund eines Werkvertrages. Für Bezüge aus Werkverträgen seien aber die Beschränkungen der Exekution nach den Lohnpfändungsbestimmungen nicht anzuwenden. Die belangte Behörde stützte sich dabei ausdrücklich auf das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1961, Zl 1421/58 (= Slg NF 2446/F).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, daß die Vereinbarung mit dem Abgabenschuldner als freier Dienstvertrag eingestuft werde und daß demzufolge die an den Abgabenschuldner zur Auszahlung gelangende Entschädigung unter den Pfändungsschutz des § 5 Abs. 1 Z. 1 LPfG zu fallen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 53 AbgEO lautet (im wesentlichen inhaltsgleich mit § 1 LPfG):
(1) Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, kann nur nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gepfändet werden.
(2) Arbeitseinkommen sind die Dienst- und Versorgungsbezüge, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegehälter und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenenbezüge sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Abgabenschuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen.
(3) Die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens erfaßt alle Vergütungen, die dem Abgabenschuldner aus der Arbeits- oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart."
Gemäß § 55 letzter Absatz AbgEO bleiben sonstige Rechtsvorschriften unberührt, nach denen Arbeitseinkommen, Teile hievon, Beihilfen oder Entschädigungen der Exekution entzogen sind.
Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 LPfG in der hier maßgebenden Fassung unterliegen Arbeitseinkommen bei Auszahlung für Monate oder Bruchteile von Monaten in Höhe von S 3.700,-- monatlich nicht der Pfändung.
Im vorliegenden Fall geht es um die Qualifikation des Begriffes "Arbeitseinkommen" iS des Lohnpfändungsgesetzes.
Der belangten Behörde ist zwar zuzugeben, daß nach der oben zitierten hg. Judikatur der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn nicht unter die Beschränkungen der Exekution nach den Lohnpfändungsbestimmungen fällt, doch ist allein daraus - anders als es die belangte Behörde sieht - für den vorliegenden Fall ohne die erforderlichen Tatsachengrundlagen noch nichts zu gewinnen. Während der dem hg. Erkenntnis Slg NF 2446/F zugrundeliegende Fall einen Entgeltsanspruch des dortigen Verpflichteten gegen den Bauherrn aus einem Vertrag über den Bau eines Stallgebäudes zu einem Pauschalpreis von S 280.000,-- betraf, der gemäß § 1151 Abs. 1, 2. Fall ABGB iVm §§ 1165 ff ABGB mit Rücksicht auf die selbständige Herstellung eines bestimmten Ergebnisses (Erfolges) als Werkvertrag zu qualifizieren war (vgl zB Krejci in Rummel ABGB I2 Rz 4 bis 9 zu §§ 1165, 1166 ABGB), geht es im vorliegenden Fall um monatlich zu bezahlendes Konsulentenhonorar. Die Tätigkeit eines laufend beratenden Konsulenten wird nach herrschender Lehre und Judikatur, wenn dabei Elemente der persönlichen Abhängigkeit dominieren, als Dienstverhältnis qualifiziert (vgl zB die bei Krejci aaO Rz 73 zu § 1151 ABGB referierte Judikatur des VwGH, Erkenntnis vom 13. Jänner 1971, Zl. 1537/70 Arb 8855 = ZAS 1971, 178, und des OGH, Beschluß vom 28. November 1952, 2 Ob 862/52 EvBl 1953/149; ähnlich Grillberger in Schwimann, ABGB-Praxiskommentar Rz 23 zu § 1151 ABGB). Stehen hingegen Momente persönlicher Unabhängigkeit (Selbständigkeit) im Vordergrund, so wird die Rechtsbeziehung eines Konsulenten zu seinem Vertragspartner als sogenannter freier Dienstvertrag einzustufen sein (vgl. Krejci aaO. Rz 83 ff; Grillberger aaO. Rz 27 bis 29); ein Werkvertrag hingegen liegt mangels eines bestimmt geschuldeten Erfolges ("Werkes") nicht vor. Ob im vorliegenen Fall die Tätigkeit des "Konsulenten" als erfolgsorientiert dem Typus Werkvertrag oder als nicht erfolgsorientiert dem Typus Dienst - oder freier Dienstvertrag zuzuordnen ist, läßt sich ohne konkrete Feststellungen über die Art der vom "Konsulenten" entfalteten Tätigkeit nicht beurteilen, weil es auf die Bezeichnung "Konsulent" allein nicht ankommt. Indem die belangte Behörde ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsmeinung es liege jedenfalls ein Werkvertrag vor, Ermittlungen und Feststellungen über die konkrete Tätigkeit des Kunsulenten unterließ (sekundärer Verfahrensmangel), liegt die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor und war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Ausgehend davon aber, daß Konsulenteneinkünfte aus einem Dienst- oder freien Dienstvertrag und damit als Arbeitseinkommen i.S. der §§ 53 AbgEO bzw. 1 LPfG anzusehen sind, stünde bei entsprechender Tatsachengrundlage auch einer Anwendung der Pfändungsschutzbestimmung des § 5 Abs. 1 Z. 1 LPfG darauf nichts entgegen, sofern die Einkünfte des Abgabenschuldners aus der von ihm für die Beschwerdeführerin entfalteten Konsulententätigkeit seine Erwerbstätigkeit vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Auf den letzteren Umstand wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren gegebenenfalls ebenso Bedacht zu nehmen haben wie auf die Zusammenrechnungsregel des § 7 Z. 2 LPfG, sofern der Abgabenschuldner über mehrere Arbeitseinkommen verfügen sollte.
Ein Kostenzuspruch an die Beschwerdeführerin konnte nicht erfolgen, weil diese keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (§ 59 Abs. 1 VwGG).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992150039.X00Im RIS seit
14.09.1992