Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1.) der C und 2.) der E in Wien, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Februar 1992, Zl. MD-VfR-B X-35/91, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: P in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerinnen wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 26. September 1991 wurde der mitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Berufung auf § 70 der Bauordnung für Wien die Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft Wien, A-Straße 55, ein fünfgeschoßiges Büro- und Geschäftsgebäude mit einem Dachgeschoß als Staffelgeschoß und drei Kellergeschoßen zu errichten. "Im Erdgeschoß sind Geschäftslokale angeordnet, in den übrigen Hauptgeschoßen Büroräumlichkeiten, im Staffelgeschoß Lagerräume. In den Kellergeschoßen sind neben den Haustechnikräumen Garagen mit insgesamt
279 Pkw-Stellplätzen vorgesehen." Im Absatz vier des Spruches dieses Bescheides wurden "die unbegründeten Einwendungen" der Beschwerdeführerinnen abgewiesen.
Auf Grund der von den Beschwerdeführerinnen dagegen eingebrachten Berufung wurde dieser Bescheid mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Februar 1992 mit der Maßgabe bestätigt, daß der vierte Absatz seines Spruches wie folgt zu lauten habe:
"Die im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren von den Eigentümern der Nachbarliegenschaft, A-Straße 51, EZ 1486 KG X, Frau C und Frau E erhobenen Einwendungen, das Bauvorhaben verletze folgende Vorschriften und damit folgende subjektiv-öffentliche Rechte:
1.)
Die Vorschriften über die Gebäudehöhe
2.)
Die Vorschriften über die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes
3.)
Die Vorschriften über die Bebauungsweise
4.)
Die Vorschriften über die Beschaffenheit des Bauplatzes
5.)
Die Vorschriften hinsichtlich der Bestimmungen feuerpolizeilichen Charakters
6.)
Die Vorschriften über Belichtung und Belüftung
7.)
Die Vorschriften über die widmungsgem. Verwendung von Grundflächen nach dem Flächenwidmungsplan
8.)
Die Vorschriften über den Schutz vor Immissionen
9.)
Die Vorschriften über gesundheitliche und sanitäre Belange
werden hinsichtlich der Einwendungen nach den Punkten 1 bis 3 als unbegründet abgewiesen, die Einwendungen nach den Punkten 4 bis 9 werden als unzulässig zurückgewiesen."
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:
Zu den die Umwidmung von Räumlichkeiten im fünften Stock des genehmigten Bauvorhabens betreffenden Beschwerdeausführungen ist zu bemerken, daß nach den mit dem Genehmigungsvermerk der Baubehörde erster Instanz versehenen Plänen in diesem Stockwerk keine Aufenthaltsräume vorgesehen sind, weshalb auch dahingestellt bleiben kann, ob die in Rede stehende Umwidmung "lediglich als Umgehung der erforderlichen Einholung einer Ausnahmebewilligung" gemäß § 69 Abs. 1 lit. l der Bauordnung für Wien anzusehen ist. Im übrigen besitzt der Nachbar auf die Einhaltung der Bestimmungen des § 87 Abs. 7 leg. cit. kein subjektiv-öffentliches Recht, weil durch das Dachgeschoß der zulässige Gebäudeumriß nicht überschritten wird (vgl. dazu die bei Geuder-Hauer, Das Wiener Baurecht, 3. Auflage, auf S. 342 unter 1. wiedergegebene hg. Judikatur). Selbst wenn in diesen Räumen, wie die Beschwerdeführerinnen meinen, im Sinne des § 87 Abs. 3 leg. cit. regelmäßig Arbeiten zur Anlieferung, zur Lagerung, zum Abtransport und zur Evidenthaltung des Lagergutes verrichtet werden sollten und diese daher als Arbeitsräume zu gelten hätten, wäre damit unter dem Gesichtspunkt der aus § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien abzuleitenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte der Beschwerdeführerinnen für ihren Standpunkt auch dann nichts zu gewinnen, wenn unter diesen Umständen eine Ausnahmebewilligung im Sinne des § 69 leg. cit. erforderlich gewesen wäre. Die Beschwerdeführerinnen sind daher auch nicht dadurch in ihren Rechten verletzt worden, daß die Baubehörde erster Instanz nach dem diese Umwidmung betreffenden Planwechsel keine neue Bauverhandlung durchgeführt und eine Stellungnahme der Beschwerdeführerinnen eingeholt hat.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu den Berufungsausführungen der Beschwerdeführerinnen festgestellt, daß der Nachbar im Baubewilligungsverfahren nach der Wiener Bauordnung keineswegs berechtigt sei, schlechthin alle tatsächlichen oder vermeintlichen Verstöße gegen die Bauvorschriften geltend zu machen. Nur soweit diese neben dem öffentlichen Interesse auch dem Interesse der Nachbarn dienten, würden sie sogenannte subjektiv-öffentliche Rechte begründen, gegen deren Verletzung sich der Nachbar im Baubewilligungsverfahren durch Erhebung von Einwendungen und Ergreifung von Rechtsmitteln wehren könne. Dazu komme, daß im Berufungsverfahren das Prozeßthema durch die Bestimmungen über die Präklusion weiters eingeschränkt werde, wenn die Behörde erster Instanz das Bauvorhaben bewilligt habe und die Bewilligungsgegner diese Entscheidung bekämpfen. Werde im erstinstanzlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des Unterbleibens der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen anberaumt (§ 42 AVG), dann dürfe die Berufungsinstanz über die Berufung von Nachbarn nur in dem Rahmen entscheiden, der durch das zulässige und rechtzeitige Vorbringen von Einwendungen im erstinstanzlichen Verfahren bestimmt sei.
Bei diesen Ausführungen hat die belangte Behörde übersehen, daß, wie sich sowohl aus der im Akt erliegenden, als auch aus der vom Gerichtshof eingeholten, den Beschwerdeführerinnen zugestellten Ausfertigung der "Anberaumung einer mündlichen Verhandlung" vom 9. Juli 1991, Zl. MA 35-ÖB 10/117/91, ergibt, in der Ladung zu der im Gegenstande am 7. August 1991 abgehaltenen Bauverhandlung entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 41 Abs. 2 AVG kein Hinweis auf die gemäß § 42 leg. cit. eintretenden Folgen enthalten war. Daraus ergibt sich aber, daß die Beschwerdeführerinnen nicht gehindert waren, auch nach der mündlichen Verhandlung gegen das Bauvorhaben Einwendungen zu erheben, über die die Behörde eine Sachentscheidung zu treffen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1961, Slg. N.F. Nr. 5586/A). Ungeachtet des Umstandes, daß die Beschwerdeführerinnen während der mündlichen Verhandlung lediglich erklärt haben, das geplante Bauvorhaben verletze u.a. die "Vorschriften über den Schutz vor Immissionen" sowie die "Vorschriften über gesundheitliche und sanitäre Belange", womit sie, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, keine Einwendungen im Rechtssinne erhoben haben (vgl. zum Begriff der Einwendungen die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, S. 58 ff.), hätte die belangte Behörde demnach auf jene Berufungsausführungen meritorisch einzugehen gehabt, mit welchen die Beschwerdeführerinnen ausdrücklich erklärt haben, daß sich die bei der Bauverhandlung geltend gemachte Verletzung ihrer Rechte "auf die insgesamt dreigeschossige Tiefgarage" beziehe, wobei die "durch die exzessive Verkehrsbewegung hervorgerufene Geräuschbelästigung gegen die Vorschriften über den Schutz vor Immissionen" verstoße. "Die von diesem excesiven Verkehrsaufkommen ausgehenden Abgasbelästigungen verstoßen gegen Vorschriften über gesundheitliche und sanitäre Belange."
Dabei ist festzuhalten, daß die Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang die geplante Tiefgarage erwähnt haben, sodaß nicht davon ausgegangen werden kann, daß ihr Vorbringen im Lichte des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien etwa deshalb unbeachtlich ist, weil ihnen als Nachbarn kein Recht darauf zusteht, daß sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht ändern (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1983, Zl. 83/05/0027, BauSlg. Nr. 66).
Die belangte Behörde hätte daher die unter den Punkten 8 und 9 des Spruches ihres Bescheides erwähnten "Einwendungen" angesichts des geschilderten Berufungsvorbringens nicht als unzulässig zurückweisen dürfen, weshalb der angefochtene Bescheid in dieser Hinsicht rechtswidrig ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerinnen war abzuweisen, weil für die in dreifacher Ausfertigung einzubringende Beschwerde und eine vorzulegende Ausfertigung des angefochtenen Bescheides insgesamt nur S 420,-- an Stempelgebühr zu entrichten war.
Schlagworte
Baurecht Nachbar übergangener Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1) Übergangene ParteiEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050076.X00Im RIS seit
03.05.2001