TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 88/05/0081

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Index

L82000 Bauordnung;
L82002 Bauordnung Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Krnt 1969 §18;
BauRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 89/05/0082

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler, den Vizepräsidenten Dr. Jabloner sowie die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerden des W in V, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide der Krnt LReg vom 25.1.1988, Zlen. 8-BauRl-290/5/1987 und 8-BauRl-291/4/1987, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung und Einwendungen gegen Duldungspflichten (mP: 1. M, 2. P, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, und

3. Stadtgemeinde N) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erst- und zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

A.1. Zur Vorgeschichte ist zunächst festzuhalten, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 1. April 1966 der erst- und zweitmitbeteiligten Partei (den Bauwerbern) die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück .129, KG. N, erteilte. Der Bestand dieser Baubewilligung ist insoweit noch immer Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens, als der Beschwerdeführer den Bescheid mit der Behauptung bekämpft, daß das Bauvorhaben ohne Beiziehung seines Rechtsvorgängers als Anrainer durchgeführt worden und somit mangelhaft geblieben sei. Der Beschwerdeführer sei als übergangener Nachbar anzusehen und ihm gegenüber sei der angefochtene Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen. In diesem Verfahren, das der gegenständlichen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht zugrunde liegt, auf das zur besseren Verständlichkeit aber hinzuweisen ist, hat die Kärntner Landesregierung zuletzt mit Bescheid vom 26. März 1991 einen Bescheid der mitbeteiligten Gemeinde aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. Zugleich brachte die Vorstellungsbehörde zum Ausdruck, daß in dem Fall, daß die Behauptung des Vorstellungswerbers, "der gesamte inzwischen fertiggestellte Bau sei konsenslos errichtet worden", zuträfe, dies zur Folge hätte, daß die Baubewilligung aus dem Jahre 1966 gar nicht verwirklicht worden wäre, d.h. sie somit ungenützt abgelaufen wäre und die Berufung des Vorstellungswerbers gegen diesen Bescheid daher als unzulässig zurückgewiesen werden müßte. In der weiteren Folge verfügte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 6. November 1985 gegenüber den mitbeteiligten Bauwerbern, die bewilligte Bauführung bis 31. Oktober 1987 zu vollenden. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer bekämpft und hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 1986, Zl. 86/06/0053, ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer im Verfahren über die Vollendung der Bauführung keine Parteistellung hatte.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1987 verfügte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde gegenüber den mitbeteiligten Bauwerbern die sofortige Einstellung der Bauarbeiten beim nördlichen Zubau (Aufbau) sowie beim Wohn- und Geschäftshaus auf diesem Grundstück, da diese Maßnahme ohne Baubewilligung vorgenommen worden und weder durch die rechtskräftige Baubewilligung vom 1. April 1996 noch durch die von der Baubehörde zur Kenntnis genommene Bauanzeige vom 28. Oktober 1986 gedeckt sei.

2. Mit Bescheid vom 26. Juni 1987 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den mitbeteiligten Bauwerbern die Bewilligung für eine geänderte Ausführung des Zubaues zum Wohn- und Geschäftshaus auf Parzelle .129, KG. N. Die Einwendungen des Beschwerdeführers, das bescheidgegenständliche Vorhaben könne baurechtlich nur gemeinsam mit dem südlich vorgelagerten Haupttrakt erledigt werden, wurden als unzulässig zurückgewiesen. Begründend heißt es dazu, der Beschwerdeführer habe übersehen, daß für den Haupttrakt bereits eine rechtskräftige baubehördliche Genehmigung vorliege. Die Baubewilligungswerber hätten mit der geänderten Ausführung des bescheidgegenständlichen Zubaues ohne entsprechende Baubewilligung begonnen, die Baubehörde habe deshalb mit Bescheid vom 6. Mai 1987 die Baueinstellung verfügen müssen. Zugleich wäre die Aufforderung zur Einbringung eines Abänderungsantrages ergangen, welcher durch einen Baubewilligungsantrag entsprochen worden sei. Der Antrag der mitbeteiligten Bauwerber sei ein für sich allein stehendes Baubewilligungsbegehren und als solches ohne Verbindung mit dem südlich vorgelagerten Haupttrakt einer baurechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Da sich die Einwendungen des Beschwerdeführers auf den Haupttrakt bezögen, dieser jedoch nicht den Gegenstand des Baubewilligungsantrages bildete und daher auch nicht Gegenstand dieses Bescheides sein könne, wären die diesbezüglichen Einwendungen als unzulässig zurückzuweisen gewesen. In diesem Zusammenhang wurde von der Baubehörde

I. Instanz weiters festgestellt, daß die Errichtung des bescheidgegenständlichen Zubaues keinen Eingriff in die subjektive Rechtssphäre des Beschwerdeführers bewirke.

3. In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, daß die Trennung des Bauverfahrens hinsichtlich des südlich vorgelagerten Haupttraktes und des nördlich gelegenen Zubaues, die Zurkenntnisnahme der mit 28. Oktober 1986 datierten Bauanzeige, der Ausführungsbescheid vom 6. November 1985 sowie die verfahrensgegenständliche Baubewilligung zu Unrecht erfolgt seien. Im Kern seines Vorbringens brachte der Beschwerdeführer vor, daß der untrennbare Zusammenhang zwischen beiden Vorhaben nur eine gemeinsame Erledigung rechtfertige. Weiters hätten die Baubwerber entgegen dem Ausführungsbescheid gehandelt und dies habe die Baubehörde rechtswidrigerweise als bloß geringfügige Änderung qualifiziert und zur Kenntnis genommen.

4. Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. September 1987 wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, es sei vorerst festzustellen, daß Gegenstand dieses Baurechtsverfahrens die "höhere Ausführung eines rechtskräftig bewilligten Zubaues" sei. Die Einwendungen des Beschwerdeführers hätten sich nicht auf die bescheidgegenständliche nördliche Zubauaufstockung, sondern auf den nicht den Verhandlungsgegenstand bildenden Haupttrakt bezogen und wären daher unzulässig. Der Berufung sei nicht zu entnehmen, wodurch der bekämpfte Bewilligungsbescheid in die subjektive Rechtssphäre des Berufungswerbers eingreife und schiene daher nicht hinreichend begründet. Darüber hinaus weist die Berufungsbehörde noch darauf hin, daß den mitbeteiligten Bauwerbern mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. April 1966 eine rechtskräftige Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses erteilt und mit weiterem Bescheid dieser Behörde vom 6. November 1985 die Vollendung dieses Baues verfügt worden sei. Auch dieser Bescheid sei rechtskräftig und wäre vom Beschwerdeführer erfolglos bekämpft worden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1986, Zl. 86/06/0053). Die Anzeige der mitbeteiligten Bauwerber im Hinblick auf ein geändertes Bauvorhaben sei rechtmäßig von der Baubehörde zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Die Behauptung des Berufungswerbers, das Projekt sei nicht bescheidgemäß situiert, sei unrichtig.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde. Begründend verweist er auf sein Berufungsvorbringen und ergänzt, daß Gegenstand des Baurechtsverfahrens nicht die höhere Ausführung eines rechtskräftig bewilligten "Zubaues" wäre. Weiters habe die Baubehörde von Amts wegen zu überprüfen, ob generell das beabsichtigte Bauwerk den einschlägigen Bauvorschriften entspreche. Unrichtig sei es, daß sich die Einwendungen des Beschwerdeführers nicht auf den verhandlungsgegenständlichen nördlichen Zubau bzw. auf die Aufstockung dieses Zubaues bezögen. Zum Beispiel betreffe seine Forderung hinsichtlich der Dachrinnen und Schneefänger nicht nur den Haupttrakt, sondern jedenfalls auch den gegenständlichen nördlichen Zubau. Das Bauwerk sei als Gesamtheit anzusehen. Die Berufungsbehörde habe zu Unrecht die Berufung als unzulässig zurückgewiesen und hätte sich inhaltlich mit der Berufung auseinanderzusetzen gehabt.

6. Die belangte Behörde befaßte den hochbautechnischen Sachverständigen des Amtes der Kärntner Landesregierung, der nach Vornahme eines Augenscheines in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 10. November 1987 im wesentlichen feststellte, daß die Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses über einem Teil des Nebentraktes und die Aufstockung des zweigeschoßigen Teiles des Nebentraktes zwei verschiedene Maßnahmen darstellten. Die Vorbringen des Vorstellungswerbers, die sich auf das Wohn- und Geschäftshaus bezögen, seien daher für die Aufstockung des Zubaues nicht von Bedeutung. Die Darstellung des Vorstellungswerbers, daß zugleich mit der Errichtung eines nur ebenerdigen Hauptgebäudes nach dem Bescheid von 1966 ein nicht genehmigter Zubau errichtet worden sei, entspreche nicht den Tatsachen. Die Aufstockung hätte die Rechtsposition des Vorstellungswerbers nicht beeinträchtigt.

7. Zu diesem Gutachten erstattete der Beschwerdeführer am 24. November 1987 eine Stellungnahme, in der er seine bereits vorgebrachten Vorbehalte uneingeschränkt aufrechthielt. Entgegen der Darstellung des Gutachters handle es sich bei dem Zubau um denselben, der mit Bescheid vom 1. April 1966 genehmigt worden sei. Es könnte sein, daß der Zubau schon vor 1966 bestanden habe, damals sei er jedoch konsenslos errichtet und deswegen erst mit Bescheid aus dem Jahre 1966 behandelt und genehmigt worden. Es sei somit erwiesen, daß es sich nicht um zwei verschiedene Maßnahmen handelte, sondern die gesamte Bauführung als Einheit aufzufassen sei.

8. Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Nach der Darstellung des Verwaltungsgeschehens und insbesondere des Inhaltes des Gutachtens des Amtssachverständigen und der Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu behandelt die belangte Behörde den Kern der Vorstellungsbegründung, daß nämlich eine getrennte Behandlung des Zubaues und des Haupttraktes weder sachlich noch rechtlich gerechtfertigt sei. Es sei davon auszugehen, daß

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das gesamte bisherige Verfahren ergeben habe, daß die Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses über einem Teil des Nebentraktes und die Aufstockung des zweigeschoßigen Teiles des Nebentraktes zwei verschiedene Maßnahmen darstellten,

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die Bauanzeige der mitbeteiligten Bauwerber vom 28. Oktober 1986 nach der Aktenlage vom Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Baubehörde erster Instanz zur Kenntnis genommen worden wäre,

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die Baubehörde mit Bescheid vom 6. Mai 1987 die sofortige Einstellung der Arbeiten beim nördlichen Zubau (Aufbau) beim Wohn-Geschäftshaus auf Parzelle .129, KG. N verfügt habe und

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mit Eingabe vom 11. Mai 1987 die Bauwerber ein Bauansuchen eingebracht hätten.

Zum Bescheid vom 6. Mai 1987 hält die belangte Behörde fest, daß das Begehren der mitbeteiligten Bauwerber allein darauf gerichtet gewesen wäre, für den abweichend vom Baubewilligungsbescheid vom 1. April 1966 errichteten Zubau, und zwar betreffend das zweite Obergeschoß, die Genehmigung zu erwirken. Es sei festzustellen, so faßt die belangte Behörde zusammen, daß die Trennung der Baumaßnahmen in eine Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses und in die geänderte Ausführung des Zubaues (Aufstockung des zweigeschoßigen Teiles des Nebentraktes) gerechtfertigt und zulässig sei. Die Äußerung des Beschwerdeführers, daß dieser Zubau auch vor 1966 ohne Baubewilligung errichtet worden sei, könne nur als unbewiesene Zweckbehauptung aufgefaßt werden. Der Vorstellungswerber habe seine Liegenschaft erst im Jahre 1983 erworben und es konnte ihm daher der Zustand aus dem Jahre 1966 und vorher im Detail nicht bekannt gewesen sein.

Der Vorstellungswerber habe keine Gründe anzuführen vermocht, die eine Bewilligung dieser Baumaßnahmen als unzulässig hätten erscheinen lassen, zumal der Zubau den gesetzlich ausreichenden Abstand zu seinem Grundstück aufweise. Die Baubewilligung greife, wie sich aus der gutächtlichen Äußerung des hochbautechnischen Sachverständigen ergebe, nur unbedeutend in den Haupttrakt ein, sodaß insoweit der vom Vorstellungswerber angeführte baurechtliche Konnex nicht gegeben sei. Die Einwendungen in bezug auf den Haupttrakt erwiesen sich daher als nicht erheblich. Es könnten somit auch keine Auflagen aufgenommen werden, die den Haupttrakt betreffen (Schneefänger, Oberflächenwässer, etc.). Aus der Berufung auf eine entsprechend rechtmäßige Abwasserbeseitigung könne der Beschwerdeführer nichts gewinnen, da diese Bestimmung - § 13 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung - dem Anrainer kein Mitspracherecht einräume.

Mit Recht rüge der Vorstellungswerber die Zurückweisung der Berufung als unzulässig, jedoch liege auch diesbezüglich im Ergebnis keine Rechtsverletzung vor, da die Berufungsbehörde auf die Einwendungen zum gegenständlichen Bauvorhaben eingegangen sei. In der Tat sei daher die Berufung als unbegründet abgewiesen worden. Es solle mit der Form des Spruches der Berufungsbehörde offensichtlich zum Ausdruck gebracht werden, daß sich der größte Teil der Einwendungen auf den Haupttrakt beziehe und diese Einwendungen für das gegenständliche Vorhaben nicht zu berücksichtigen seien.

Zusammenfassend stellt die belangte Behörde fest, die Zurkenntnisnahme der Bauanzeige vom 28. Oktober 1986 sei rechtmäßig gewesen und ziehe Rechtsfolgen in verschiedenen Richtungen nach sich. Die technische und verfahrensrechtliche Teilung zwischen dem Vorhaben des Haupttraktes und dem Vorhaben des nördlichen Zubaues sei zulässig gewesen. Durch das in diesem Baurechtsverfahren bewilligte Vorhaben (nördlicher Zubau) wären subjektive öffentliche Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

B.1. Mit 3. Juli 1987 erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde einen Bescheid, dessen Spruchpunkte 1. und 2. wie folgt lauteten:

"1.

Der Bürgermeister der Stadtgemeinde N setzt als Baubehörde gemäß § 43 Abs.(3) Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969 i.d.F. LGBl. Nr. 69/1981 in Verbindung mit § 3 Abs.(1) leg.cit., auf Antrag der Bauwerber M und P vom 21.05.1987 für

a)

das Überfahren der Parzelle .128 KG. N mit einem Grabgerät für die Herstellung einer Drainage an der Nordseite des Zubaues zum Wohn- und Geschäftshaus auf Parzelle .129 KG. N

und

b)

das Aufstellen eines Gerüstes auf Parzelle .128 KG. N für das Verputzen und Färbeln der Ostseite des Wohn- und Geschäftshauses auf Parzelle .129 KG. N,

als Umfang für die Benützung den westlichen Randbereich der Parzelle .128 KG. N (Eigentümer W) sowie ein Monat als Dauer der Benützung obiger Grundfläche fest.

2.

Die Einwendungen des Anrainers W, die gegenständliche Bauführung sei konsenslos erfolgt und die Zu- und Abführung von Bau- bzw. Aushubmaterial sei auch auf der Westseite des Grundstückes der Bauwerber technisch und wirtschaftlich vertretbar, wird gemäß § 56 ff AVG als unbegründet abgewiesen."

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und wurde mit Bescheid des Stadtrates der Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950, soweit es den Spruchabschnitt 1.a) betraf, aufgehoben. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die Teilaufhebung war die Konsequenz eines Urteiles des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 26. Juli 1987, demzufolge der Beschwerdeführer in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes mit Fahrzeugen aller Art über einen 2,50 m breiten Grundstücksstreifen entlang der gesamten westlichen Grenze der Baufläche .128 einwilligen mußte. Die mitbeteiligten Bauwerber zogen daher ihren Antrag, soweit er das Überfahren der Parzelle .128, KG. N, betraf, zurück.

3. Gegen den Bescheid vom 3. Juli 1987 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die Kärntner Landesregierung und begründete diese im wesentlichen damit, daß es den Bauwerbern, solange das Bauwerk keine gesetzeskonforme Bewilligung erhalten habe, nicht gestattet sei, zur Errichtung bzw. Fertigstellung dieses gesetzwidrigen Bauwerkes sein Grundstück zu benützen.

4. Die belangte Behörde holte das Gutachten eines hochbautechnischen Sachverständigen des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 10. November 1987 ein. Demnach handle es sich bei dem betreffenden Vorhaben um ein ursprünglich mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. April 1966 genehmigtes Wohn- und Geschäftshaus, welches mit seiner östlichen Außenwand an das Grundstück des Vorstellungswerbers angrenze. Eine örtlich durchgeführte Besichtigung habe ergeben, daß die Durchführung von Verputzarbeiten ohne die Inanspruchnahme des Anrainergrundstückes nicht möglich sei. Eine Beschädigung dieses Grundes, welcher in diesem Bereich auch als Zugang zum Gebäude des Vorstellungswerbers diene, sei nicht zu erwarten. Infolge einer vorhandenen Mindestbreite von ca. 3,5 m und der befristeten Dauer der Aufstellung des Gerüstes sei eine Beeinträchtigung des Zuganges nicht gegeben. Dazu brachte der Vorstellungswerber vor, er bestreite nicht, daß es möglich sei, ein Gerüst ohne Beeinträchtigung seines Zuganges zu errichten. Rechtsgrundlage für die Erlassung des zur Errichtung dieses Bauwerkes führenden Ausführungsbescheides sei § 30 der Kärntner Bauordnung in der Fassung der Novelle 1979. In den Übergangsbestimmungen der Kärntner Bauordnung aus dem Jahre 1969 werde bestimmt, daß dieses Gesetz auf Bauvorhaben nicht anzuwenden sei, die nach der Kärntner Bauordnung ex 1866 abgehandelt wurden.

5. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung abgewiesen. Begründend heißt es nach der Zitierung des § 43 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung, im vorliegenden Fall könne nicht in Abrede gestellt werden, daß die Baumaßnahmen größtenteils nach dem Baubewilligungsbescheid vom 1. April 1966 realisiert worden seien. Die Bauanzeige vom 28. Oktober 1986 habe die Baubehörde erster Instanz zur Kenntnis genommen. Es sei daher die Gestattung der Grundbeanspruchung vor allem im Hinblick auf die gutachtliche Stellungnahme des hochbautechnischen Amtssachverständigen zu Recht ausgesprochen worden. Die Art, der Umfang und die Dauer der Grundbeanspruchung wären bescheidmäßig eindeutig festgelegt.

Der Einwand, daß im vorliegenden Fall die Kärntner Bauordnung ex 1969 nicht anzuwenden wäre, sei verfehlt. § 48 der Kärntner Bauordnung, hier: LGBl. Nr. 48/1969 bezöge sich nur auf Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bauordnung abhängig, d.h. noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen wären, welche Voraussetzung im gegenständlichen Fall nicht gegeben sei.

C. Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet wird. Der Beschwerdeführer hat nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 2 VwGG eine als verbesserte Beschwerde zu wertende "Stellungnahme" eingebracht. Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Bauwerber haben Gegenschriften eingebracht, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung beider Beschwerden beantragten.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung und Erledigung verbundenen Beschwerden erwogen:

A. In seiner gegen den zuerst dargestellten Bescheid gerichteten Beschwerde konzentriert sich der Beschwerdeführer zunächst auf die Darlegung, daß den mitbeteiligten Parteien zwar mit Bescheid ex 1966 die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses bewilligt, das Gebäude aber nur teilweise errichtet worden sei. Auch einen Ausführungsbescheid ex 1985 hätten die mitbeteiligten Bauwerber nicht erfüllt. Die letztlich im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Behandlung und Bewilligung des geänderten Bauvorhabens sei "schon deswegen rechtswidrig" gewesen, weil das seinerzeit geplante und baupolizeilich zur Fertigstellung angeordnete Bauwerk nie errichtet, sondern rechtswidrig abgeändert und in Form einer Bauanzeige rechtswidrig zur Kenntnis genommen worden sei. Das verfahrensgegenständliche Projekt stelle einen integrierenden Bestandteil des Bauwerkes dar. Die Behörde hätte diese Umstände ermitteln und zum Ergebnis kommen müssen, daß hier nur ein gemeinschaftliches Bauverfahren abgeführt werden könne und nicht ein selbständiger Teil eines konsenswidrig errichteten Gebäudes einer Bewilligung zugänglich sei. Hinsichtlich des konsenslosen Gesamtprojektes wären jedoch die Abstandsvorschriften nicht eingehalten worden. Dazu sei eine Verletzung der Eigentumsrechte des Beschwerdeführers gegeben, weil der Schnee auf sein Grundstück abrutsche und die Entsorgung über sein Grundstück erfolge. Weiters wären die Brandschutzbestimmungen verletzt, weil die Rechte des Beschwerdeführers auf einen ausreichenden Brandschutz nicht beachtet worden wären.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist zunächst davon auszugehen, daß Gegenstand dieses Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof weder der Bestand oder die Rechtmäßigkeit der Baubewilligung aus dem Jahre 1966 ist - diesbezüglich ist nach dem Aktenstand des Verwaltungsgerichtshofes ein besonderes Verwaltungsverfahren anhängig - noch die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Bauvollendung aus dem Jahre 1985, da der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich bereits mit Erkenntnis vom 19. Juni 1986, Zl. 86/06/0053, ausgesprochen hat, daß der Beschwerdeführer in diesem Verfahren keine Parteistellung hatte. Soweit die Beschwerde damit im Zusammenhang stehende Erörterungen enthält, sind diese für das gegenständliche Verfahren unbeachtlich.

Gegenstand dieses Verfahrens ist daher - soweit es zunächst die bekämpfte Baubewilligung betrifft - allein die Frage, ob in jenem Bauverfahren, mit dem den mitbeteiligten Bauwerbern die Bewilligung für eine geänderte Ausführung des Zubaues zum Wohn- und Geschäftshaus auf der gegenständlichen Liegenschaft erteilt wurde, die Baubehörden zu Recht davon ausgehen konnten, daß dieses Bauvorhaben nach dem Sachzusammenhang für die Erteilung einer (selbständigen) Baubewilligung geeignet ist.

Unter Hintanstellung der von den mitbeteiligten Bauwerbern in ihrer Gegenschrift aufgeworfenen Frage, ob dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren überhaupt zu Recht die Parteistellung eingeräumt wurde, ergibt sich im Lichte des festgestellten Sachverhaltes, daß es dem Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens nicht gelungen ist, erfolgreich darzutun, daß das verfahrensgegenständliche Projekt nicht abgelöst von Fragen behandelt werden kann, die das seinerzeit bewilligte Bauvorhaben betreffen, hinsichtlich dem dem Beschwerdeführer aber im gegebenen Zusammenhang keine subjektiv-öffentliche Rechtsposition zukommt. Zuletzt hat die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides einen hochbautechnischen Sachverständigen des Amtes der Kärntner Landesregierung befaßt. Dieser hat nach Vornahme eines Augenscheines am 10. November 1987 eine gutächtliche Äußerung abgegeben, in der zusammenfassend festgestellt wird, daß "die Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses über einem Teil des Nebentraktes und die Aufstockung des zweigeschoßigen Teiles des Nebentraktes zwei verschiedene Maßnahmen darstellen". Auf der Basis dieser Feststellung findet der bisherige Verfahrensverlauf noch einmal seine Bestätigung und trifft auch der in verfahrensrechtlicher Hinsicht erhobene Vorwurf, die Behörde hätte diese Umstände ermitteln müssen, nicht zu.

Handelt es sich aber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht um ein "konsensloses Gesamtprojekt", so ist auch die Erwägung, hinsichtlich des Gesamtprojektes wären die Abstandsvorschriften nicht eingehalten worden, gegenstandslos.

Mit den Behauptungen, es sei eine Verletzung der Eigentumsrechte des Beschwerdeführers gegeben, weil die Entsorgung des Schnees über sein Grundstück erfolge, und es läge eine Verletzung der Brandschutzbestimmungen vor, können Eingriffe in subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nicht erfolgreich geltend gemacht werden, da dem § 18 der Kärntner Bauordnung in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 48/1969 diesbezügliche Anrainerrechte nicht zu entnehmen sind. (Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg. 7463/A dienen Vorschriften feuerpolizeilichen Inhalts nur dann dem Interesse der Nachbarn, wenn sie Mindestentfernungen von Ausmündungen von Rauchfängen u.dgl. festlegen. Die Beschwerde enthält indessen keine in diese Richtung gehenden Behauptungen. Vgl. weiters die bei Hauer, Kärntner Baurecht, 1981, S. 67 unter Pkt. 26 zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, nach denen aus den Vorschriften über die Sicherstellung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung den Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht erwächst). B. Auch hinsichtlich der dem Beschwerdeführer bescheidmäßig auferlegten Duldungspflichten wird in erster Linie geltend gemacht, daß das gegenständliche, im nördlichen Bereich bewilligte Projekt einen integrierenden Bestandteil des Bauwerkes darstellte und die Behörde diese Umstände hätte ermitteln und das Objekt gesamthaft hätte beurteilen müssen. Zu diesem Beschwerdevorbringen ist auf die Darlegungen unter A. oben hinzuweisen.

Die Behauptung, daß die angeordneten Duldungen in rechtswidriger Weise die Eigentumssphäre des Beschwerdeführers berührten und daher seine privaten und subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigten, wird nicht näher ausgeführt. Der abschließende Einwand, daß derartige Eingriffe im Kärntner Baurecht vor dem Inkrafttreten der Bauordnung LGBl. Nr. 48/1969 überhaupt nicht vorgesehen gewesen wären, kann die Beschwerde deshalb nicht begründen, weil - worauf im angefochtenen Bescheid zu Recht hingewiesen wird - sich § 48 der Kärntner Bauordnung LGBl. Nr. 48/1969 auf zum 1. Jänner 1970 noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren bezog, was angesichts der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides der Baubehörde I. Instanz mit 3. Juli 1987 aber nicht der Fall sein kann.

C. Da sich beide Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Brandschutz (Bestimmungen feuerpolizeilichen Charakters) BauRallg5/1/4 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Privatrechte der Nachbarn BauRallg5/1/8 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988050081.X00

Im RIS seit

11.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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