TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 92/05/0079

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.1992
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
VStG §31 Abs2;
VStG §45 Abs2;
VStG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. März 1992, Zl. R/1-B-9104, betreffend ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der NÖ Bauordnung 1976, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom 27. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung der NÖ Bauordnung 1976 mit einer Geld- und einer Ersatzarreststrafe bestraft.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Beschwerdeführer u.a. geltend, er sei mit Schreiben der Strafbehörde erster Instanz vom 13. November 1990 davon in Kenntnis gesetzt worden, daß das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 2 VStG eingestellt worden sei. Das ergangene Straferkenntnis sei daher rechtswidrig.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 4. März 1992 wurde dieses Straferkenntnis ungeachtet des erwähnten Berufungsvorbringens gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit einer Änderung des erstinstanzlichen Schuldspruches bestätigt.

Zu dem erwähnten Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers bemerkte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, daß die behauptete Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens aktenwidrig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer weist einleitend neuerlich darauf hin, daß die Behörde das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 2 VStG eingestellt habe. Dem die Einstellung verfügenden Schreiben der Behörde erster Instanz vom 13. November 1990 komme Bescheidcharakter zu, und im übrigen sei daran die Rechtsfolge geknüpft, daß das Verwaltungsstrafverfahren nur unter den Voraussetzungen der §§ 69 und 70 AVG sowie unter der Bedingung wieder aufgenommen werden dürfe, daß die Frist des § 52 VStG eingehalten werde.

Zu diesem Vorbringen ist festzustellen, daß der Beschwerdeführer mit der Beschwerde das Original eines unter der Zahl I/6-3894-1990 Str an ihn adressierten Schreibens des Magistrates der Stadt Krems an der Donau, datiert mit 13. November 1990, vorgelegt hat, welches nachstehenden Wortlaut hat:

"Der Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau teilt Ihnen hiemit gem. § 45 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1950, i. d. geltenden Fassung des Bundesgesetzes 516/1987 mit, daß das zu obiger Zahl eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde."

Dieses Schreiben ist "Für den Bürgermeister" gefertigt und trägt im Original eine Unterschrift mit dem Klammerzusatz

"S.......".

Die belangte Behörde hat dem Gerichtshof anläßlich der Aktenvorlage mitgeteilt, daß die vom Beschwerdeführer zitierte Einstellverfügung vom 13. November 1990 dem vom Magistrat der Stadt Krems an der Donau mit der Berufung vorgelegten Strafakt nicht angeschlossen war, und daher in der Berufungsentscheidung nicht berücksichtigt werden konnte. Der Magistrat der Stadt Krems habe "in einer Stellungnahme zur Beschwerde berichtet, daß die Einstellverfügung aus Versehen ohne Aktenvermerk bzw. Konzept" an den Beschwerdeführer "abgefertigt worden ist".

Der Verwaltungsgerichtshof geht unter diesen Umständen davon aus, daß das den Gegenstand des zur Zahl "I/6-3894-90" erlassenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses bildende Verwaltungsstrafverfahren, welches dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegt, mit einer der Vorschrift des § 45 Abs. 2 VStG in formeller Hinsicht entsprechenden Verfügung eingestellt worden ist, zumal dem Schreiben, mit welchem dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden ist, daß das Strafverfahren gegen ihn eingestellt wurde, Bescheidcharakter zukommt (vgl. dazu VwSlg. 9260 A/1977). Aus dieser Einstellung des Verfahrens erwuchs aber die Rechtswirkung, daß von der Durchführung des Strafverfahrens in der Folge hätte abgesehen werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1986, Zl. 85/03/0182, wiedergegeben bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Band, S. 404, E-Nr. 10), da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß im Sinne des § 52 VStG innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 leg. cit. die Wiederaufnahme dieses durch Einstellung abgeschlossenen Strafverfahrens verfügt worden ist. Da die Einstellung des Strafverfahrens schon vor Erlassung des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgt ist, hätte der Beschwerdeführer nicht mehr durch dieses Straferkenntnis einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und bestraft werden dürfen. Die belangte Behörde hätte dieses Straferkenntnis daher ersatzlos aufzuheben gehabt, wobei der Umstand, daß sich im Verwaltungsstrafakt keine Kopie der in Rede stehenden Einstellungsverfügung befindet, schon deshalb zu keiner anderslautenden rechtlichen Beurteilung führen kann, weil die belangte Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens die Möglichkeit gehabt hätte, den Beschwerdeführer zur Vorlage von Nachweisen für die Richtigkeit seiner Behauptung über die Einstellung des Strafverfahrens aufzufordern.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz - im beantragten Ausmaß - gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Rechtsverletzung sonstige Fälle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050079.X00

Im RIS seit

15.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten