TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 92/04/0069

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Index

L74007 Fremdenverkehr Tourismus Tirol;
L85007 Straßen Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
22/01 Jurisdiktionsnorm;

Norm

FremdenverkehrsG Tir 1979 §40;
JN §1;
LStG Tir 1989 §73;
StGG Art5;
TourismusG Tir 1991 §43 Abs1;
TourismusG Tir 1991 §43 Abs3;
TourismusG Tir 1991 §43;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. November 1991, Zl. IIc-8/78/36, betreffend Feststellung des Erlöschens von Dienstbarkeiten (mitbeteiligte Partei: Tourismusverband G in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Spruch des Bescheides der Tiroler Landesregierung vom 8. November 1991 hat folgenden Wortlaut:

"Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 02.12.1987, IIc-2536/10, wurden dem Fremdenverkehrsverband, nunmehr Tourismusverband G auf den gesamten Flächen der Grundparzellen 121/1, 123, 126 und 128/1 KG G des F, G Nr. 23, Benützungsrechte für eine Schiwiese und einen Schischulsammelplatz so lange eingeräumt, als im gegenständlichen Bereich eine Aufstiegshilfe betrieben und der Wintersport dort ausgeübt wird.

I. Es wird festgestellt, daß der Tourismusverband G mit einstimmigem Ausschußbeschluß vom 16. Mai 1991 auf die mit obgenanntem Bescheid gemäß §§ 40-42 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1979, LGBl. Nr. 39, zwangsweise eingeräumten Dienstbarkeiten auf den Gpn. 121/1, 123 und 128/1 KG G verzichtet hat.

II. Es wird festgestellt, daß mit dem der Behörde bekanntgegebenen Verzicht die seinerzeit eingeräumten Dienstbarkeiten zum Betrieb einer Schiwiese und eines Schischulsammelplatzes auf den Gpn. 121/1, 123 und 128/1 KG G im Sinn des § 43 des Tiroler Tourismusgesetzes, LGBl. Nr. 24/1991, am 16. Mai 1991 erloschen

sind.

III. Zur Absicherung der nicht mehr mit Dienstbarkeiten belasteten Grundstücke des F hat der Tourismusverband G auf den Grundparzellen 160/1, 122/1, 124/1, 124/2, 127 und 129 KG G auf seine Kosten während der Wintersportzeit, das ist zwischen den 1.12. und 1.5. eines jeden Jahres eine entsprechende Abzäunung zu errichten und zu erhalten.

IV. Der Tourismusverband G hat für die am 11.09.1991 durchgeführte Verhandlung gemäß § 77 AVG 1991 und der Landeskommissionsgebührenverordnung 1969, i.d.F. LGBl. Nr. 26/1981, Kommissionsgebühren von S 1.000,-- zu entrichten und mit beiliegendem Zahlschein binnen zwei Wochen nach Erhalt dieses Bescheides einzuzahlen."

Zur Begründung führte die Tiroler Landesregierung aus, der Fremdenverkehrsverband, nunmehr Tourismusverband G, habe im Jahre 1987 um die Einräumung von Benützungsrechten für eine Schiwiese und einen Schischulsammelplatz auf den Grundparzellen 121/1, 123, 126 und 128/1 KG G des Beschwerdeführers angesucht, weil diese Grundstücke im Bereich der seit den 20iger Jahren im Zentrum von G zwischen den Höfen M und O benützten Schiwiese gelegen seien und mit dem Beschwerdeführer kein entsprechender Dienstbarkeitsvertrag habe abgeschlossen werden können. Die im seinerzeitigen Bescheid ausgesprochene Entschädigung sei durch Anrufung des Bezirksgerichtes Z außer Kraft gesetzt worden. Dem Beschwerdeführer sei von diesem Gericht als Entschädigung für die Benützung der Grundparzelle 121/1 im Ausmaß von 2.951 m2 eine Entschädigung von S 66,80 pro m2, für die Grundparzelle 123 im Ausmaß von 2.518 m2 eine solche von S 24,-- pro m2, für die Grundparzelle 128/1 im Ausmaß von 917 m2 eine solche von S 18,-- pro m2 und für die Grundparzelle 126 im Ausmaß von 2.406 m2 eine solche von S 3,-- pro m2, jeweils wertgesichert, zuerkannt worden. Der Oberste Gerichtshof habe mit Beschluß vom 13. Dezember 1990 diese Entschädigungen bestätigt, jedoch auf die Dauer von 25 Jahren begrenzt. Weil die an den Beschwerdeführer jährlich für die Dienstbarkeiten zu leistende Entschädigung von insgesamt wertgesichert S 281.282,80 für den Tourismusverband G einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeutet habe, habe dieser mit Ausschußbeschluß vom 16. Mai 1991 auf die seinerzeit auf den Grundparzellen 121/1, 123 und 128/1 KG G eingeräumten Rechte zum Betrieb einer Schiwiese und eines Schischulsammelplatzes verzichtet und diesen Verzicht der Behörde zur Kenntnis gebracht. Seinerzeit hätten die Dienstbarkeiten auf den zuletzt genannten Grundparzellen nur eingeräumt werden können, weil vom Fremdenverkehrsverband, nunmehr Tourismusverband G, ein öffentliches Interesse am Betrieb der Schiwiese auch auf den gegenständlichen Parzellen geltend gemacht und als gegeben festgestellt worden sei. Grundsätzlich sei die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten auch bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses nur im unbedingt nötigen Umfang zu bewilligen. Weil der Tourismusverband G nunmehr auf die Inanspruchnahme der zuletzt genannten Grundparzellen als Schiwiese und Schischulsammelplatz verzichtet habe, sei das damit verbundene Erlöschen der seinerzeit eingeräumten Dienstbarkeiten festzustellen gewesen. Weil das Publikum seit Jahrzehnten gewöhnt sei, auch diese Parzellen als Schiwiese mitzubenützen und weil die oberhalb und neben den genannten Parzellen gelegenen Grundstücke weiterhin von Schifahrern benützt würden, habe der Tourismusverband G dafür Sorge zu tragen, daß die Grundstücke des Beschwerdeführers, auf denen die Dienstbarkeiten erloschen seien, gegen das schifahrende Publikum entsprechend abgesichert würden. Diesbezüglich habe der landwirtschaftliche Sachverständige vorgeschlagen, an den Grenzen näher umschriebene Zäune zu errichten. Der Tourismusverband G habe sich einverstanden erklärt, zur Vermeidung von Streit zwischen Schifahrern auf den Nachbarparzellen und dem Beschwerdeführer die vom Sachverständigen empfohlenen Abzäunungen zu errichten und zu erhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. Februar 1992, Zl. B 1448/91, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit den Anträgen, die Beschwerde kostenpflichtig ab- bzw. zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei vermag der Verwaltungsgerichtshof zunächst keineswegs die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid zu verneinen. Es mag zutreffen, daß durch den angefochtenen Bescheid jener Rechtszustand festgestellt wird, den der Beschwerdeführer im seinerzeitigen Verfahren über die Einräumung der in Rede stehenden Benützungsrechte anstrebte. Das schließt jedoch nicht aus, daß mit dem angefochtenen Bescheid in seine durch das Ergebnis des damaligen Verfahrens geschaffene Rechtsposition und somit in seine subjektiv öffentlichen Rechte eingegriffen wird. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher zu einer Zurückweisung der Beschwerde nicht veranlaßt.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer "durch den bekämpften Bescheid auch in meinem Recht auf Erhalt einer Entschädigung für die infolge Weiterbestehens der Aufstiegshilfen praktisch entwerteten Grundparzellen Nr. 121/1, 123 und 128/1 KG G sowie in meinem Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens, insbesondere unter Wahrung meines Rechtes auf Parteiengehör, sowie unter Wahrung meiner mir durch das Tiroler Tourismusgesetz in Verbindung mit dem Tiroler Straßengesetz eingeräumten Parteienrechte, welche im konkreten Verfahren ignoriert wurden, verletzt".

In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Antrag der mitbeteiligten Partei sei unschlüssig und hätte daher von der belangten Behörde zurückgewiesen werden müssen. Nach dem Tiroler Tourismusgesetz seien für die Enteignung die Bestimmungen des 12. Abschnittes des Tiroler Straßengesetzes anzuwenden. Das Tiroler Straßengesetz sehe jedoch in seinem § 73 lediglich eine Rückübereignung über Antrag des Enteigneten vor. Außerdem hätte in Befolgung dieser Vorschrift eine Rückübereignung zu erfolgen, was mit dem angefochtenen Bescheid aber nicht geschehen sei. Im rechtskräftigen Enteignungsbescheid vom 2. Dezember 1987 sei vorgesehen, daß die Benützungsrechte so lange eingeräumt würden, als im gegenständlichen Bereich eine Aufstiegshilfe betrieben und der Wintersport dort ausgeübt werde. Diese Bedingung sei bis zum heutigen Tag aufrecht. Ohne die Entfernung der Liftanlagen bleibe die Benützung der Grundstücke des Beschwerdeführers der Willkür der Betreiber des Schiliftes (der mitbeteiligten Partei) überlassen, sodaß vor dem Hintergrund des rechtskräftigen Bescheides vom 2. Dezember 1987 eine Rückübereignung zwingend an die Verpflichtung zur Entfernung der Aufstiegshilfen gebunden werden müßte.

Gemäß § 43 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991, LGBl. Nr. 24, können zur Herstellung und Benützung von infrastrukturellen Anlagen, die für den Tourismus von besonderer Bedeutung sind, wie Schiabfahrten, Loipen, Übungsgelände für Schischulen, Schlepplifte, Sportplätze, Badeanlagen und Wege (Spazier- und Wanderwege), und zur Schaffung von geeigneten Zugängen zu solchen Anlagen auf Antrag eines Tourismusverbandes Benützungsrechte durch Enteignung eingeräumt werden.

Zufolge Abs. 3 dieser Bestimmung sind für die Enteignung die Bestimmungen des 12. Abschnittes des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Der in der zuletzt genannten Gesetzesstelle angeführte

12. Abschnitt des Tiroler Straßengesetzes sieht hinsichtlich der Aufhebung der im Wege der Enteignung eingeräumten Rechte lediglich in seinem § 73 eine Rückübereignung auf Antrag des Enteigneten unter bestimmten Voraussetzungen vor. Regelungen über die Rechtsfolgen eines Verzichtes desjenigen, zugunsten dessen die Enteignung erfolgte, enthält weder das Tiroler Tourismusgesetz 1991, noch das Tiroler Straßengesetz.

Gemäß § 1 Jurisdiktionsnorm wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch Bezirksgerichte, Bezirksgerichte für Handelssachen, Kreis- und Landesgerichte, Handelsgerichte, durch Oberlandesgerichte und durch den Obersten Gerichtshof (ordentliche Gerichte) ausgeübt.

Durch die zwangsweise Einräumung von Benützungsrechten, wie sie in § 43 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 geregelt ist bzw. bis zu dessen Inkrafttreten in § 40 des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes 1979 geregelt war, wird durch behördliche Anordnung zwischen dem Enteigneten und dem durch die Enteignung Begünstigten ein Rechtsverhältnis geschaffen, das durch die nach der Art der eingeräumten Benützungsrechte in Betracht kommenden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften bestimmt wird. Soweit das Gesetz nicht abweichende Regelungen trifft, sind daher zufolge § 1 JN für Streitigkeiten aus solchen Rechtsverhältnissen ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig.

Da weder das Tiroler Tourismusgesetz 1991 noch das subsidiär heranzuziehende Tiroler Straßengesetz Bestimmungen über die Rechtsfrage und insbesondere über die Behördenzuständigkeit im Falle eines Verzichtes des durch die Enteignung Berechtigten enthalten und somit der Ausnahmetatbestand des § 1, zweiter Halbsatz JN nicht gegeben ist, mangelte es der belangten Behörde für den im angefochtenen Bescheid getroffenen Abspruch an einer im Gesetz begründeten Zuständigkeit.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte zufolge § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040069.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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