Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §42;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde 1. des K und 2. des H, beide in S und vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Mai 1992, Zl. 315.045/1-III/3/92, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: T-AG in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Inhalt der vorgelegten Bescheidkopie genehmigte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg mit Bescheid vom 17. September 1991 der mitbeteiligten Partei die Änderung ihrer bestehenden gewerblichen Betriebsanlage im Standort S, P-Straße 77, unter Vorschreibung von Auflagen. Dagegen erhobene Berufungen mehrerer Nachbarn wies der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 8. Jänner 1991 mangels Parteistellung als unzulässig zurück.
Über u.a. seitens der Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufungen erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 11. Mai 1992 dahin, daß diese im Grunde des § 356 Abs. 3 GewO 1973 abgewiesen würden. Er führte hiezu - bezogen auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer - aus, der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei eine von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg durchgeführte mündliche Augenscheinsverhandlung am 8. Juli 1991 vorausgegangen, an welcher u.a. die nunmehrigen Beschwerdeführer teilgenommen hätten, für die die nachfolgend wörtlich wiedergegebene "Erklärung" Dris. F (aus der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. X) einzig maßgeblich sei:
"Ich stelle den Antrag, der Erweiterung der Betriebsanlage die Genehmigung nicht zu erteilen, weil die bezughabenden in dieser Verhandlung erstatteten Gutachten zur erschöpfenden Beurteilung der Verwaltungssache nicht hinreichen. Dazu ist es erforderlich, die Emissionsmassenströme von Formaldehyd, Phenol, Fluor und Ammoniak an der bestehenden Anlage Süd festzustellen. Weiters ist die Emissionsgrundbelastung im Umkreis der Anlage sowie die Wirkungsweise der emittierten Schadstoffkombination auf den menschlichen Organismus und auf Pflanzen in gesundheitlicher bzw. biologischer Hinsicht festzustellen. Ich beantrage zur Feststellung das Institut für Chemie der technischen Universität Wien für die ersten beiden Feststellungsbegehren zu befassen, für letztere das Institut für Umwelthygiene gleichfalls der zuständigen Universität Wien. In eventu beantrage ich für den Fall der Bewilligung, daß der Betriebsanlage hinsichtlich des vorherrschenden Lkw- und Bahntransportes geeignete Lärmschutzmaßnahmen aufgetragen werden und darüber hinaus wird begehrt, daß Maximal-Emissionsmassenströme hinsichtlich der Halbstunden-Mittelwerte in der Anlagenbewilligung vorgeschrieben werden. In eventu wird noch das Begehren gestellt, die gesamten Schadstoffmengen durch den Südkamin zu schicken, damit der gesamte Ausstoß über diesen höheren Kamin erfolgen kann, und die Umweltbelastungen hintangehalten werden können oder aber in eventu, daß der Nordkamin auf eine Höhe von jeweils 80 m erhöht wird."
In der Berufung der Beschwerdeführer werde demgegenüber behauptet, auf S. 31 des Verhandlungsprotokolles vom 8. Juli 1991 finde sich unter anderem folgender Passus:
"Aus all den angeführten Gründen wird beantragt, den Antrag auf Erweiterung der Betriebsanlage abzuweisen. Allenfalls das Verfahren neu durchzuführen und Auflagen vorzuschreiben, die eine gesundheitliche Gefährdung und Belästigung der Nachbarn oder Schädigung der Pflanzen mit Sicherheit ausschließen."
Demgegenüber sei festzustellen, daß sich dieser Passus in der Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 8. Juli 1991 nicht finde, wohl aber in der gegen den erstbehördlichen Bescheid erhobenen Berufung des Y und des ZU vom 4. Oktober 1991. Hiezu sei in rechtlicher Hinsicht auszuführen, daß gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 im Verfahren betreffend die Genehmigung (der Änderung genehmigter) gewerblicher Betriebsanlagen nur jene Nachbarn Parteien seien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2, Z. 1, 2, 3 oder 5 erhöben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Gemäß § 359 Abs. 4 leg. cit. stehe das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien seien. Aus den zitierten Gesetzesstellen ergebe sich, daß ein Berufungsrecht in Verfahren betreffend die Genehmigung von Betriebsanlagen Nachbarn nicht jedenfalls, sondern nur nach Maßgabe ihrer fristgerecht in der der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorausgegangenen mündlichen Augenscheinsverhandlung erhobenen Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit. zukomme. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege eine "Einwendung" im obigen Sinne nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes geltend mache. Dem betreffenden Vorbringen müsse jedenfalls entnommen werden, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht werde und ferner, welcher Art dieses Recht sei. Das heiße, es müsse auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände abgestellt werden. Im vorliegenden Fall entspreche das für sämtliche Beschwerdeführer in gleicher Weise einzig maßgebliche Vorbringen Dris. F in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 1991 den obigen Anforderungen in keiner Weise, würden hier doch lediglich mehrere "Feststellungsbegehren" (richtig: Beweisanträge) gestellt, ferner bestimmte Maßnahmen begehrt, ohne daß jedoch auch nur irgendeine Verknüpfung zur subjektiven Rechtssphäre auch nur eines Nachbarn hergestellt worden wäre. Vielmehr lasse die ausdrückliche Bezugnahme auf "Umweltbelastungen" gerade das Gegenteil, nämlich eine Bezugnahme auf einen vom Nachbarschaftsschutz verschiedenen abstrakten Umweltschutz, vermuten. Mit diesem Vorbringen hätten also die Beschwerdeführer eine Parteistellung und damit ein Berufungsrecht im vorliegenden Verfahren nicht erwerben können. Das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich eines weiteren Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 1991 sei aktenwidrig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Ihrem Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, mit welchem ihrer Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Jänner 1992 nicht Folge gegeben werde, "in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf materielle Entscheidung über ihre Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz verletzt und dadurch in ihren subjektiven Rechten gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 in der geltenden Fassung". Hiezu wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebracht, zum Sachverhalt werde zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides verwiesen. Ergänzend sei auszuführen, daß die Beschwerdeführer als Anrainer zur Betriebsanlagengenehmigungsverhandlung geladen worden seien und durch ihren Vertreter auch als Anrainer an dieser Verhandlung teilgenommen hätten. Die gegenständliche Betriebsanlage sei bereits in der Vergangenheit Gegenstand verschiedener gewerbebehördlicher Verfahren gewesen, wobei die Beschwerdeführer an diesem Verfahren seit Jahren als Anrainer teilgenommen hätten. Dabei seien Gegenstand der Einwendungen der Nachbarn stets - neben Einwendungen wegen befürchteter Lärmimmissionen auf die Grundstücke der Beschwerdeführer und dadurch bedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen - insbesondere die durch den Betrieb der gegenständlichen Anlage befürchteten Immissionen von Formaldehyd, Phenol, Fluor und Ammoniak auf die Grundstücke der Beschwerdeführer und die dadurch gegebene Gefährdung von Pflanzen und insbesondere auch Gefährdung für die Gesundheit der Beschwerdeführer gewesen. Entgegen der Annahme der belangten Behörde sei aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren jedoch eindeutig erkennbar, daß sie durch den Betrieb der zur Bewilligung beantragten Anlage die Immission von Formaldehyd, Phenol, Fluor und Ammoniak in derartiger Menge befürchteten, daß durch diese Immissionen und durch die Wirkungsweise der emittierten Schadstoffkombination die Beeinträchtigung des menschlichen Organismus und die Beeinträchtigung von Pflanzen befürchtet werde. Anders könne das Vorbringen, daß durch die beantragten Sachverständigen die Wirkungsweise der emittierten Schadstoffkombinationen auf den menschlichen Organismus und auf Pflanzen in gesundheitlicher bzw. biologischer Hinsicht festzustellen sei, nicht interpretiert werden. Daß sie mit diesem Vorbringen gerade die Gefahr "der Beeinträchtigung ihres menschlichen Organismus" und der auf ihrem Grundstück befindlichen Pflanzen im besonderen gemeint hätten und daher erkennbar die Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Eigentums geltend gemacht hätten, sei daher unzweifelhaft. Daran könne auch nichts ändern, daß das Vorbringen in Form von "Feststellungsbegehren" - richtig wie von der Behörde erkannt "Beweisanträge" - gestellt worden sei, da wegen der Zielrichtung des Feststellungsbegehrens in bezug auf Überprüfung der Möglichkeit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beeinträchtigung von Pflanzen eindeutig hervorgehe, welches subjektiv-öffentliche Recht sie als gefährdet erachteten, nämlich Gesundheit und Eigentum. Im Hinblick darauf erweise sich die Zurückweisung ihrer Berufungen gegen den erstbehördlichen Bescheid durch die Zweitbehörde und damit auch der Bescheid der belangten Behörde als rechtswidrig, da damit ihr Recht, daß über die Berufungen gegen den erstinstanzlichen Bescheid in der Sache selbst erkannt werde, verletzt werde und damit auch ihre "materiellen öffentlichen Rechte".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 356 Abs. 3 erster Satz GewO 1973 - ein im Sinne des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle zu wertendes Sachverhaltsvorbringen wird auch in der Beschwerde nicht erstattet - sind im Verfahren gemäß Abs. 1 nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0211, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung) liegt eine Einwendung in diesem Sinn nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder "in anderer Weise") auftretende Einwirkungen abgestellt sein.
Ausgehend von dieser Rechtslage kommt aber den in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellten, bei der mündlichen Augenscheinsverhandlung am 8. Juli 1991 durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter erhobenen "Einwendungen" eine derartige Qualifikation in Ansehung der in der Beschwerde genannten betrieblichen "Immissionen von Formaldehyd, Phenol, Fluor und Ammoniak" nicht zu, da sich aus ihnen eine Konkretisierung im Sinne der dargestellten gesetzlichen Tatbestandserfordernisse insbesondere in Ansehung der hiefür erforderlichen sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte als Voraussetzung für eine Gefährdung der Gesundheit der Beschwerdeführer bzw. ihres Eigentums nicht einmal ansatzweise erkennen läßt. Eine hievon unabhängige Befürchtung von "Umweltbelastungen" betrifft aber im gegebenen Rechts- und Sachzusammenhang kein subjektiv-öffentliches Recht der Beschwerdeführer.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick darauf hatte auch eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu unterbleiben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992040175.X00Im RIS seit
15.09.1992