TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 92/04/0116

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VStG §25 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des S in B, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 2. März 1992, Zl. LAD-686/1/92, betreffend Übertretung des Bundesstatistikgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 2. März 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es, wie am 3. Jänner 1990 von einem Organ der Abgabenprüfstelle der Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden des politischen Bezirkes Spittal/Drau festgestellt worden sei, als Inhaber des Gastgewerbebetriebes im Standort B Nr. 101 und für die Auskunftspflicht Beauftragter unterlassen, für die Einhaltung der Bestimmungen der Fremdenverkehrsstatistik-Verordnung zu sorgen, zumal die Statistischen Meldeblätter für sechs Personen mit Ankunft am 31. Dezember 1989, und zwar jene für die Ankunft, nicht binnen 48 Stunden nach Ankunft bei der zuständigen Berichtsgemeinde eingelangt seien. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertung nach § 11 Z. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Bundesstatistikgesetz, BGBl. Nr. 91/1965, im Zusammenhalt mit den §§ 10 und 20 der Fremdenverkehrsstatistik-Verordnung 1986, BGBl. Nr. 284, begangen, weshalb gemäß § 11 Z. 1 Bundesstatistikgesetz i.V.m. § 20 Fremdenverkehrsstatistik-Verordnung 1986 über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der Bezug habenden Rechtsnormen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers, es habe sich bei dem anzumeldenden Personenkreis um seinen Betriebsberater samt Anhang gehandelt und es sei dieser Aufenthalt auf rein privater Grundlage beabsichtigt gewesen, müsse als Schutzbehauptung gewertet werden. Denn wenn dies den Tatsachen entspräche, hätte der Beschwerdeführer diese Personen mit den von ihm am 29. Dezember 1989 beim Gemeindeamt B erworbenen Meldezetteln rechtzeitig angemeldet. Dies habe er aber unterlassen. Am 29. Dezember 1989 habe der Beschwerdeführer nämlich laut Aussage des Amtsleiters der Gemeinde B die Ausfolgung von Meldezetteln verlangt und nicht - wie im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 20. Februar 1990 behauptet - die Ausfolgung eines Gästebuches. Es bestehe kein Grund, an der dienstlichen Aussage des Gemeindeorganes zu zweifeln, da ja alle Rechtfertigungsversuche des Beschwerdeführers sehr widersprüchlich seien. Zuerst habe der Beschwerdeführer laut Einspruch gegen die Strafverfügung am 29. Dezember 1989 ein Gästebuch verlangt haben wollen, was jedoch die Behauptung von der privaten Natur des Aufenthaltes seines Betriebsberaters samt Anhang widerlegt hätte. Der Amtsleiter des Gemeindeamtes B könne aber ein solches Begehren nicht bestätigen. Am 2. Jänner 1990 habe der Beschwerdeführer ein Gästebuch erworben und die Gäste laut Einspruch gegen die Strafverfügung am Abend des 2. Jänner 1990 eingetragen, da sie bei Tag beim Schifahren gewesen seien. In der Berufung hingegen werde behauptet, die Gäste seien erst am Mittwoch, dem 3. Jänner 1990, in den Betrieb zurückgekehrt. Diese Ungereimtheiten sprächen nicht gerade für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Vollends erschüttert werde aber die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers durch die in der Berufung aufgestellte Behauptung, er habe seine gesamten Gästezimmer dem Nachbarn H in Bestand gegeben. Dazu befragt habe Herr H anläßlich seiner Zeugeneinvernahme angegeben, er habe nur eine gewisse Anzahl von Gästezimmern vom Beschwerdeführer in Bestand genommen. Tatsache sei, daß die gesamte Verantwortung des Beschwerdeführers nur aus Schutzbehauptungen bestehe, um der drohenden Bestrafung zu entgegen. Deshalb erübrige sich auch die nähere Prüfung des angeblich privaten Charakters des Aufenthaltes der Gäste. Außer Streit stehe, daß die Statistischen Meldeblätter nicht binnen 48 Stunden nach Ankunft der Gäste der Gemeinde vorgelegt worden seien. Es folgen sodann Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, wenn er "in den Vorinstanzen" die Behauptung aufgestellt habe, zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt habe er seine gesamten Gästezimmer Herrn H in Bestand gegebe, so habe damit ohne jeden Zweifel zum Ausdruck gebracht bzw. dargelegt werden sollen, daß jene Gästezimmer, in denen die in Rede stehende Personengruppe letzten Endes Aufenthalt genommen habe, in den Verantwortungsbereich des Herrn H gefallen seien, sodaß die Passivlegitimation des Beschwerdeführers im vorinstanzlichen Verwaltungsverfahren in Abrede zu stellen sei. Wenn andererseits die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz dazu ausführe, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, Herr H habe nur eine gewisse Anzahl von Gästezimmern im Gastbetrieb des Beschwerdeführers zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Bestand genommen, wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, auch Feststellungen darüber zu treffen, daß konkret jene Gästezimmer von diesem Bestandrecht mitumfaßt gewesen seien, in welchen die fragliche Personengruppe Aufenthalt genommen habe. Entgegen ihrer Verpflichtung habe die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinerlei Gelegenheit gegeben, zur Aussage des Herrn H sowie des Amtsleiters des Gemeindeamtes B Stellung zu nehmen. Selbstverständlich wären seitens des Beschwerdeführers im Zuge der Wahrung des Parteiengehörs entsprechende darauf bezogene Anträge gestellt worden, um ergänzend und umfassend den Sachverhalt für eine entsprechende objektive Beweiswürdigung aufarbeiten zu können. Schließlich hätte es die belangte Behörde auch unterlassen, den Kopf jener aus insgesamt sechs Personen bestehenden Gruppe, nämlich den Steuerberater des Beschwerdeführers, zur Frage zu vernehmen, inwieweit es den Tatsachen entspreche, daß der Aufenthalt dieser Gruppe zunächst als rein privater in Privaträumlichkeiten des Beschwerdeführers geplant gewesen sei, und daß sich erst am Sonntag, dem 31. Dezember 1989, eine Unterbringung dieser Gruppe im gastgewerblichen Betrieb des Beschwerdeführers ergeben habe. Analysiere man diesen Sachverhalt, so müsse man zwangsläufig zum Ergebnis gelangen, daß der Aufenthalt der sechsköpfigen Gruppe erst am Sonntag, dem 31. Dezember 1989, ein sogenannter "gewerblicher" geworden sei. Da am Sonntag Statistische Meldeblätter für die Ankunft nicht erhältlich und der darauffolgende Montag ein Feiertag gewesen sei, habe der Beschwerdeführer demnach frühestens am Dienstag, dem 2. Jänner 1990, entprechende Formulare beheben können. Da die Gästegruppe aber erst am Abend dieses Tages von einem Schiausflug in den Betrieb des Beschwerdeführers zurückgekehrt sei, hätten die entsprechenden Formulare eben erst an diesem Tag abends entsprechend ausgefüllt werden können, sodaß für den Beschwerdeführer gar keine frühere Möglichkeit bestanden habe, seinen Verpflichtungen gemäß § 10 Fremdenverkehrsstatistik-Verordnung 1986 zu entsprechen. Auf Grund der Ergebnisse des behördlichen Verfahrens stehe zweifelsfrei fest und werde von der belangten Behörde auch bestätigt, daß der Beschwerdeführer bereits am Freitag, dem 29. Dezember 1989, im Hinblick auf die vorgesehene Ankunft der in Rede stehenden Personengruppe beim Gemeindeamt B entsprechende Meldeformulare nach dem Meldegesetz besorgt habe. Da der Aufenthalt dieser Personengruppe auf rein familiärer Basis vorgesehen gewesen sei, hätte die einzige Verpflichtung des Beschwerdeführers in einer entsprechenden Meldung nach dem Meldegesetz bestanden. In der Besorgung derartiger Meldeformulare könne eine objektive Beweiswürdigung nur einen Beweis dafür sehen, daß der Aufenthalt dieser Gruppe definitiv als privat vorgesehen gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag zwar der Argumentation des Beschwerdeführers nicht zu folgen, aus seiner Behauptung in der Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis, er habe seine gesamten Gästezimmer Herrn H in Bestand gegeben, hätte die belangte Behörde auch, nachdem sich herausgestellt habe, daß dies nur für einen Teil der Gästezimmer zutreffe, den Standpunkt des Beschwerdeführers ableiten müssen, die in Rede stehende Personengruppe habe in solchen in Bestand gegebenen Räumlichkeiten genächtigt. Einem solchen Verständnis des Berufungsvorbringens steht das gesamte übrige Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens, in dem er niemals seine grundsätzliche Verpflichtung zur Anmeldung der in Rede stehenden Gästegruppe in Frage stellte, sowie insbesondere sein tatsächliches Verhalten entgegen, da er doch diese Gästegruppe tatsächlich, wenn auch verspätet, anmeldete.

Der Beschwerdeführer ist aber im Recht, wenn er der belangten Behörde eine Verletzung ihrer aus § 25 VStG erfließenden Ermittlungspflicht vorwirft. Nach dieser Bestimmung sind Verwaltungsübertretungen - ausgenommen die hier nicht in Betracht kommenden Fälle des § 56 - von Amts wegen zu verfolgen. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Die Wahrnehmung der zuletzt genannten Verpflichtung der belangten Behörde hätte es bei dem ihr vorliegenden Ermittlungsergebnis erfordert, auch die Mitglieder der in Rede stehenden Personengruppe, zumindest aber deren - wie es der Beschwerdeführer ausdrückt - "Kopf" darüber zu vernehmen, ob tatsächlich bis zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Beschwerdeführer eine rechtzeitige Anmeldung nicht mehr möglich war, ihre Unterbringung in nicht zur Unterbringung von Fremden bestimmten Unterkunftsstätten (vgl. § 2 Abs. 3 Fremdenverkehrsstatistik-Verordnung 1986) geplant war.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid für die Unterlassung einer derartigen Vernehmung gegebene Begründung bildet eine - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässige (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1981, Zl. 81/02/0183) - vorweggenommene Beweiswürdigung. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Zuspruch von Umsatzsteuer war, soweit dadurch der Pauschalbetrag des Art. 1 Z. 1 der genannten Verordnung überschritten wird, im Hinblick auf diese Pauschalierung abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040116.X00

Im RIS seit

15.09.1992

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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