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L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der E in Z, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 31. Juli 1989, Zl. 8 BauR1-164/2/1989, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A in Z, 2. Stadtgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 17. September 1984 beantragte der erstmitbeteiligte Bauwerber die Erteilung einer Baubewilligung für einen Zubau und eine Aufstockung zum bestehenden Hauptgebäude auf der Parzelle 236/15 der Katastralgemeinde X. Schon damals rügten die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin die Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Abstandes. Nach Befassung der Berufungs- und der Aufsichtsbehörde wiederholte der Bauwerber sein Gesuch mit Schreiben an die mitbeteiligte Stadtgemeinde vom 16. September 1988. Anläßlich der darüber anberaumten Bauverhandlung vom 3. November 1988 wurde festgestellt, daß gemäß dem eingereichten Projekt der Abstand des Zubaues an der Nordseite von der Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin (Grundstücksnummern 236/3 und 55 KG X) 0,9 m betrage.
Die Beschwerdeführerin erhob in dieser Verhandlung folgende Einwendungen: Sie habe als Nachbar ein Recht auf Einhaltung der §§ 5 bis 9 der Kärntner Bauvorschriften. Es müßte eine Lösung für das Bauvorhaben gesucht werden, bei deren Verwirklichung die Abstandsflächen eingehalten werden könnten. Die Verringerung der Abstandsflächen soll eine Ausnahme darstellen. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, daß das Grundstück 236/3 KG X derzeit unbebaut sei und daß bei Verwirklichung des Bauvorhabens eine allfällige Bauführung auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin unter Einhaltung der Abstandsflächen unmöglich wäre. Der eingereichte Plan vom 7. September 1984 sei trotz Gesetzesänderung nicht geändert worden.
Der dieser Verhandlung beigezogene hochbautechnische Amtssachverständige stellte dazu fest, daß sowohl das Grundstück Nr. 55 als auch das Grundstück Nr. 236/3 bebaut seien.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte mit Bescheid vom 7. Dezember 1988 in Anwendung des § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften die Bewilligung für das abgeänderte Projekt nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, wobei eine Reihe von Auflagen vorgeschrieben wurde. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Nichteinhaltung der Abstandsvorschriften wurden als unbegründet abgewiesen. Insbesondere enthält der Bescheid die Feststellung, daß die angrenzenden Grundstücke ALLESAMT bebaut seien.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin blieb erfolglos; mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Voraussetzungen für die Verringerung von Abstandsflächen nach § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften lägen vor, sodaß die Beschwerdeführerin in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene und ergänzte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Grundsätzlich begründen Vorschriften über die Einhaltung bestimmter Abstände subjektiv-öffentliche Nachbarrechte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht2 154, mwN). Der Nachbar kann jedoch die Einhaltung des Seitenabstandes nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn nicht zu Recht gemäß einer Ausnahmevorschrift von der das Recht einräumenden Bestimmung Abstand genommen werden kann. Das Recht des Nachbarn auf Einhaltung des Seitenabstandes ist insoweit relativiert, als dem Nachbarn ein Rechtsanspruch darauf zusteht, daß nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die (vom Bauwerber begehrte) Ausnahme gewährt wird (Hauer a.a.O, 199, mwN).
Die Kärntner Bauvorschriften, LGBl. 56/1985, (im folgenden: KBV) traten am 2. Dezember 1985 in Kraft; der § 210 Abs. 1 sah vor, daß sie auf zu diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren Anwendung finden.
Die hier wesentlichen Bestimmungen lauten:
"§ 4
(1) Oberirdische Gebäude und sonstige bauliche Anlagen sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder so anzuordnen, daß sie voneinander und von der Grundstücksgrenze einen ausreichenden Abstand haben. Der Abstand ist in Abstandsflächen (§ 5) auszudrücken.
(3) Der Abstand oberirdischer Gebäude und baulicher Anlagen voneinander und von der Grundstücksgrenze ist nach den Bestimmungen der §§ 5 bis 10 so festzulegen, daß
a) jener Freiraum gewahrt bleibt, der zur angemessenen Nutzung von Grundstücken und Gebäuden auf dem zu bebauenden Grundstück und auf den Nachbargrundstücken erforderlich ist;
....
§ 9
Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen
(1) Die sich aus §§ 4 bis 7 ergebende Tiefe von Abstandsflächen ist zu verringern, wenn in einem vorhandenen Baubestand bereits Abstände verwirklicht sind, die von den Bestimmungen der §§ 4 bis 7 abweichen, Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird.
(2) Die Tiefe der Abstandsflächen ist überdies zu verringern, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepaßt ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte und wenn
a) im Hinblick auf die Lage und Form des Grundstückes sowie eine zweckmäßige Bebauung und den Verwendungszweck des Gebäudes keine Interessen der Gesundheit oder der Sicherheit oder des Schutzes des Ortsbildes verletzt werden,
b) bei auf den eigenen oder auf benachbarten Grundstücken bestehenden sowie auf dem eigenen Grundstück zu errichtenden Gebäuden, die Aufenthaltsräume enthalten, ein Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs. 1 erster und zweiter Satz nicht verhindert wird,
c) eine der Größe und Form von unbebauten benachbarten Grundstücken entsprechende Errichtung von Gebäuden bei Einhaltung der sich aus §§ 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird und ...."
Die Beschwerdeführerin meint nun, auf die Wahrung des Freiraumes auf ihren Parzellen Nr. 55 und 236/3 sei entgegen § 4 Abs. 3 lit. a KBV nicht Bedacht genommen worden. Die vor der Baubehörde aufgestellte Behauptung, daß eine "allfällige Bauführung ... unmöglich" wäre, ist nicht geeignet, ein konkretes Vorbringen darüber zu ersetzen, welche angemessene Nutzung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung durch den bewilligten Abstand verhindert wird. Aber selbst wenn eine angemessene Nutzung verhindert werden sollte, wäre für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil die Ausnahmebestimmung des § 9, wie einleitend im Absatz 1 festgelegt wird, ausdrücklich auch auf die im § 4 genannten Voraussetzungen der Abstandsbestimmung verweist. Sollte also der für eine angemessene Nutzung der Grundstücke der Beschwerdeführerin erforderliche Abstand größer sein, so ist trotzdem unter den Voraussetzungen des § 9 KBV eine Verringerung möglich. Diese vom Gesetz geforderte Interessenabwägung verkennt die Beschwerdeführerin offenkundig.
Auf die Einschränkung der Ausnahmebestimmung des § 9 in dessen Abs. 2 lit. c kann sich die Beschwerdeführerin nicht berufen. Schon im erstinstanzlichen Bescheid vom 7. Dezember 1988 wurde festgestellt, daß die Nachbargrundstücke bebaut seien. Gegen diese Feststellung hat sich die Beschwerdeführerin nicht gewehrt, sondern ausdrücklich zugegeben, daß an den angrenzenden Grundstücken einzeln stehende Wohnhäuser errichtet seien. § 9 Abs. 2 lit. c KBV schützt jedoch ausdrücklich nur die zukünftige Errichtung von Gebäude auf UNBEBAUTEN Grundstücken. Daher war diese Bestimmung im gegebenen Zusammenhang nicht anzuwenden (siehe zu § 9 Abs. 2 lit. c und d KBV das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1991, Zl. 87/05/0139).
Im angefochtenen Bescheid wurde das Vorliegen der Voraussetzung der Verringerung einer Abstandsfläche gemäß § 9 Abs. 2 lit. a bejaht, zumal einerseits eine Verbesserung des Ortsbildes erreicht wird, andererseits das Bauvorhaben in zweckentsprechender Weise an keiner anderen Stelle des Grundstückes errichtet werden kann. Daß diese Voraussetzungen vorlägen, hat die Beschwerdeführerin nicht bekämpft.
Die Beschwerdeführerin wurde somit in ihrem Recht, daß nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Abstandsflächen verringert werden dürfen, nicht verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989050201.X00Im RIS seit
28.09.2001