Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der B-GmbH in P, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 15. April 1992, Zl. 08 3542/145-V/4/92-Re, betreffend Abweisung eines Antrages auf Bewilligung der Ausfuhr von Abfällen gemäß § 35 Abs. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 15. April 1992 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung der Bewilligung der Ausfuhr von 200 Tonnen Abfällen der Schlüsselnummer 53104 (Produktionsabfälle von Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln) der ÖNORM S 2101 zur T (Frankreich) gemäß § 35 Abs. 2 Z. 8 des Abfallwirtschaftsgesetzes abgewiesen.
Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Wortlautes der im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes vertrat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß § 35 Abs. 2 Z. 8 des Abfallwirtschaftsgesetzes die innerstaatliche Umsetzung des Art. 4 Z. 2 lit. e der Basler Konvention über die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs mit gefährlichen Abfällen darstelle. Der Zweck dieser Konvention bestehe darin, sicherzustellen, daß Exporte von gefährlichen Abfällen nicht zu Anlagen mit niedrigem Umweltschutzstandard zulässig sein sollen. Bei der Auslegung der erwähnten Gesetzesstelle sei daher von einem hohen Schutzniveau auszugehen. Gemäß Art. 4 Z. 2 lit. e der genannten Konvention soll eine Ausfuhr von Abfällen nicht zugelassen werden, wenn Grund zu der Annahme bestehe, daß die Abfälle nicht umweltgerecht behandelt werden. Im Sinne des Art. 2 Z. 8 der Konvention sei unter umweltgerechter Behandlung der Einsatz aller Maßnahmen zu verstehen, daß die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor nachteiligen Auswirkungen geschützt sind. Die Feststellung der hohen Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Dioxinen bei der Verbrennung von Abfällen aus der Pflanzenschutzmittelproduktion mit Chlorderivaten aromatischer Verbindungen beruhe auf den übereinstimmenden schlüssigen Stellungnahmen der abfalltechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums sowie des Umweltbundesamtes. Demgegenüber habe sich der nichtamtliche Sachverständige (Dipl.-Ing. Dr. techn. Axel B.) in seinem Gutachten vom 15. November 1991 nicht eingehend mit dem Problem von Dioxinemissionen bei der gegenständlichen Anlage auseinandergesetzt, sondern lediglich auf Seite 10 seines Gutachtens den französischen Standpunkt wiedergegeben, wonach bei der Verbrennung eine Bildung von Dioxinen nicht möglich sei, sofern PCB und PCT nicht eingesetzt würden. Es wäre Aufgabe des Sachverständigen gewesen, diesen Standpunkt wissenschaftlich zu hinterfragen und schließlich zu bewerten. Das Gutachten bleibe die Erklärung schuldig, warum es bei der Verbrennung der gegenständlichen Abfälle nicht zur Bildung von Dioxinen kommen soll. Es sei also insofern nicht schlüssig, weshalb die übereinstimmenden Stellungnahmen der Amtssachverständigen der erkennenden Behörde und des Umweltbundesamtes der zur Entscheidung berufenen Behörde glaubwürdiger erschienen. Auf Grund der allgemein bekannten negativen Auswirkungen von Dioxinen erscheine der Behörde eine Gefährdung der Gesundheit und der Umwelt durch die Verbrennung der in Rede stehenden Abfälle in der Anlage der Firma T sehr wahrscheinlich, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 35 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, bedarf die Ausfuhr, ausgenommen die Ausfuhr im Zwischenauslandsverkehr im Sinne der zollgesetzlichen Vorschriften, von Abfällen oder Altölen im Sinne dieses Bundesgesetzes der Bewilligung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie. Die Bewilligung ist zufolge Abs. 2 Z. 8 dieser Gesetzesstelle zu erteilen, wenn eine umweltgerechte Behandlung der Abfälle oder Altöle im Einfuhrstaat gesichert erscheint.
Aus den Erläuternden Bemerkungen zu der den Entwurf dieses Gesetzes betreffenden Regierungsvorlage, 1274 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP, ergibt sich, daß der Gesetzgeber bei der Erlassung des § 35 leg. cit. schon den Bestimmungen des - von Österreich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht ratifizierten - Übereinkommens von Basel über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung Rechnung tragen wollte, weshalb der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie sich bei der Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffes "umweltgerechte Behandlung" auf Art. 2 Z. 8 dieser Konvention gestützt hat, wonach "umweltgerechte Behandlung von Sonderabfällen und anderen Abfällen" den Einsatz sämtlicher durchführbarer Maßnahmen bezeichnet, damit die genannten Abfälle so behandelt werden, daß die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen, die solche Abfälle haben können, geschützt sind. Geht man ferner in Übereinstimmung mit der belangten Behörde von den auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellten "allgemein bekannten negativen Auswirkungen von Dioxinen" aus, so stellt sich im Beschwerdefall die Frage, ob die belangte Behörde auf Grund des ihr vorgelegenen Ermittlungsergebnisses annehmen durfte, daß durch die Verbrennung der in Rede stehenden Abfälle in der erwähnten ausländischen Anlage "sehr wahrscheinlich eine Gefährdung der Gesundheit und der Umwelt" eintreten würde.
Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG mit Schreiben vom 21. Februar 1992 Gelegenheit gegeben, zu den Äußerungen ihres sowie des abfalltechnischen Sachverständigen des Bundesumweltamtes Stellung zu nehmen, denen zufolge bei der Verbrennung von Abfällen aus der Pflanzenschutzproduktion mit Chlorderivaten aromatischer Verbindungen mit hoher Wahrscheinlichkeit Dioxine entstehen, und die Unzulänglichkeit des Gutachtens vorgehalten, worauf die Beschwerdeführerin in ihrer dazu erstatteten Gegenäußerung lediglich auf den im Gutachten Dris. B. vom 15. November 1991 erwähnten ausländischen Vergleichsbetrieb hingewiesen und gemeint hat, in diesem würden "in erster Linie PCB-hältige Abfälle verbrannt", und es bestehe dort "wohl auch die größere Gefahr von Dioxinentwicklung".
Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden, wenn sie den Äußerungen der beiden Amtssachverständigen gefolgt ist, zumal in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten Dris. B. ausdrücklich erwähnt ist, daß bei der für die Verbrennung vorgesehenen Anlage "Dioxinuntersuchungen bisher nicht vorgenommen wurden". Der Sachverständige hätte im Rahmen einer von der Beschwerdeführerin einzuholenden ergänzenden Äußerung darzulegen gehabt, warum - entgegen der Auffassung der Amtssachverständigen - bei der Verbrennung der in Rede stehenden Abfälle kein Dioxin entstehen soll, da der in seinem Gutachten gegebene Hinweis, bei der "technisch gleichen Anlage in S" seien "Untersuchungen über den Dioxingehalt vorgenommen worden", und trotz des Einsatzes von PCB"s seien "die Gesamtgehalte an Dioxin in der Abluft unter den Nachweisgrenzen" gelegen, nicht ausreicht, um mit der für das vorliegende Bewilligungsverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgehen zu können, daß es bei der Verbrennung der den Gegenstand des Ausfuhransuchens der Beschwerdeführerin bildenden Abfälle in der in Rede stehenden ausländischen Anlage nicht zur Bildung von Dioxinen kommt, also keine Gefährdung der Gesundheit und der Umwelt zu befürchten ist.
Das Ansuchen der Beschwerdeführerin wurde daher mit Recht abgewiesen, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050096.X00Im RIS seit
11.07.2001