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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1992, Zl. 4.244.231/3-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 5. Juli 1988 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte sofort Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Bundespolizeidirektion Graz (staatspolizeiliche Abteilung; Blatt 3 bis 6 der Verwaltungsakten) am 8. Juli 1988 gab er im wesentlichen an, im Iran keiner politischen Partei angehört, nie politische Aktivitäten entwickelt und nie Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt zu haben. Er sei zwar mehrfach in Haft gewesen, habe danach jeweils aber ohne Schwierigkeiten gelebt. Er sei nie gegen das politische System im Iran gewesen. Als einziger Sohn seiner Familie hätte er an sich keinen Militärdienst ableisten müssen. Da in letzter Zeit aber über Tageszeitungen verlautbart worden sei, daß auch die einzigen Söhne in Zukunft zum Militärdienst eingezogen würden, habe er den Entschluß gefaßt, den Iran zu verlassen. Er sei weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, oder Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe in seiner Heimat einer Verfolgung ausgesetzt gewesen.
Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 1. September 1988 (Blatt 17-18 der Verwaltungsakten) steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, indem er - abgesehen von Ausführungen zu Vorfällen in den Jahren 1979 bis 1982, die jetzt nicht mehr von Interesse sind - behauptete, 1984 mit einem Revolutionswächter eine Auseinandersetzung gehabt zu haben und anschließend bis 1986 inhaftiert gewesen zu sein. Dabei sei er mehrmals gefoltert worden, wobei er einen Zahn verloren habe. Nach der Enthaftung sei er verpflichtet gewesen, wöchentlich beim Revolutionskommando in Teheran zu erscheinen. Es habe damals eine Generalmobilmachung für den Kampf gegen den Irak gegeben. Obwohl vom Militärdienst befreit, habe er Angst gehabt, an die Front einberufen zu werden. Er sei außerdem von den Revolutionswächtern ständig mit dem Umbringen bedroht worden. Da es für seine Person unter diesem Regime keine Zukunft in Persien gebe, habe er sich entschlossen, in den Westen zu flüchten.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich stellte darauf hin mit Bescheid vom 2. Dezember 1988 fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling i.S. des Asylgesetzes.
In seiner dagegen erhobenen Berufung steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen weiter, indem er (wieder abgesehen von Behauptungen zu den Jahren 1979 bis 1982) betreffend die behaupteten Folterungen vorbrachte, er sei mit zusammengebundenen Händen auf einen wilden Esel gesetzt worden, der ihn abgeworfen habe; er habe sich mit anderen Häftlingen zu zehnt auf den Boden des Gefängnishofes legen müssen, sodann sei über die Liegenden ein Brett gelegt worden und das Gefängnispersonal sei mit Mopeds darüber gefahren; er sei des öfteren an den Füßen ausgepeitscht worden, bis sie blutig gewesen seien; da es keine medizinische Versorgung gegeben habe, seien die Wunden eitrig geworden; ein Teil der Folter sei auch seelischer Art gewesen, so sei er des öfteren in leere Backöfen (Löcher im Boden) hineingeworfen worden, wo sich viel Ungeziefer befunden habe; die Versorgung mit Lebensmitteln habe oft darin bestanden, daß es nur Suppe mit Würmern gegeben hätte; Wäschewechsel habe es monatelang nicht gegeben. Das Gefängnis, in dem er sich befunden habe, sei wegen seiner schlechten Haftbedingungen bekannt gewesen; darüber sei sogar im irakischen Rundfunk berichtet worden.
Der Waffenstillstand an der irakischen Front habe eine dramatische Verschlechterung der Lage für Minderheiten nach sich gezogen; zur Zeit laufe eine Hinrichtungswelle im Iran, die sämtliche Regimegegner und Minderheiten treffe.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling.
In ihrer Beweiswürdigung wies die belangte Behörde insbesondere darauf hin, daß Fluchtgründe dann nicht als glaubwürdig angesehen werden könnten, wenn ein Asylwerber die Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich darstelle. Sie gab demzufolge den Angaben des Beschwerdeführers vor der Bundespolizeidirektion Graz vom 8. Juli 1988 gegenüber den späteren Steigerungen den Vorzug. Rechtlich vertrat die belangte Behörde davon ausgehend den Standpunkt, daß die "Flucht" eines Asylwerbers vor dem Militärdienst nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling sei, wie die Furcht vor Bestrafung wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung.
Hinsichtlich der Inhaftierungen des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde darauf hin, daß auch die Haft von 1984 bis 1986 schon zu lange zurückliege, um noch beachtlich sein zu können und vertrat zusammenfassend die Meinung, das Verfahren habe keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat einer Verfolgung aus Konventionsgründen ausgesetzt gewesen wäre oder eine solche zu befürchten hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Den Beschwerdeausführungen, die zusammengefaßt die Meinung vertreten, der Beschwerdeführer habe glaubhaft dargetan, aus politischen Gründen geflohen zu sein, ist entgegenzuhalten, daß angesichts der massiven Steigerungen im Vorbringen des Beschwerdeführers während des Verwaltungsverfahrens der Beweiswürdigung der belangten Behörde keinesfalls mit dem Argument der Unschlüssigkeit entgegengetreten werden kann (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1988, Zl. 86/01/214 u. v.a.). Ausgehend von den ersten Angaben des Beschwerdeführers, die die belangte Behörde zu Recht ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, erweist sich aber der angefochtene Bescheid als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten. Im Lichte der ständigen hg. Judikatur (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0250 u. v.a.) stellt allein der Wunsch des Beschwerdeführers, keinen Militärdienst ableisten zu wollen, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, die als Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention gewertet werden könnten, keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar. Da der Beschwerdeführer bei seiner ersten Befragung Umstände im Zusammenhang mit seiner Inhaftierung in den Jahren 1984 bis 1986 gar nicht als Fluchtgrund geltend machte, ist eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob diesbezüglich die erforderliche zeitliche Nähe zur Ausreise des Beschwerdeführers aus seiner Heimat gegeben wäre, entbehrlich.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010543.X00Im RIS seit
16.09.1992