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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 2. April 1992, Zl. UVS 20.3-1/92-2, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 27. Jänner 1992 in einer Angelegenheit des Strafvollzuges durch "Abnahme der Privatkleidung, der Zeitungen, der Privatpost, des Zivil- und Strafaktes des Beschwerdeführers, Untersagung des Kontaktes mit dem Verteidiger Dr. S und Untersagung der Bewegung im Freien", zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer (ein Untersuchungshäftling, auf den gemäß § 183 Abs. 1 StPO die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden sind, es sei denn, daß in der Strafprozeßordnung etwas anderes bestimmt ist) mit der an die belangte Behörde erhobenen Maßnahmenbeschwerde die am 27. Jänner 1992 erfolgte Abnahme seiner Privatkleidung, seiner Zeitungen, seiner Privatpost, seines Zivil- und Strafaktes, die Untersagung des Kontaktes mit dem Verteidiger Dr. S und die Untersagung der Bewegung im Freien als faktische Amtshandlung bekämpfte.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG zurück, und zwar mit der Begründung, für den Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit eines administrativen Rechtszuges gemäß § 119 ff StVG bestanden; eine Maßnahmenbeschwerde sei daher unzulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf meritorische Behandlung seiner Maßnahmenbeschwerde verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 188 Abs. 1 StPO steht insbesondere die Entscheidung darüber, mit welchen Personen ein Untersuchungshäftling schriftlich verkehren und welche Besuche er empfangen darf, dem Untersuchungsrichter zu.
Den Verkehr eines verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger regelt § 45 StPO. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"(1) Auch während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung kann sich der Beschuldigte eines Rechtsbeistandes aus der Zahl der Verteidiger zur Wahrnehmung seiner Rechte bei den gerichtlichen Akten, die unmittelbar die Feststellung des Tatbestandes betreffen und keine spätere Wiederholung zulassen, sowie zur Ausführung bestimmter, von ihm angemeldeter Rechtsmittel bedienen.
(2) Der Untersuchungsrichter hat dem Verteidiger auf Verlangen zu gestatten, in den Amtsräumen des Gerichtes in die Strafakten, mit Ausnahme der Beratungsprotokolle, Einsicht zu nehmen und von ihnen Abschriften herzustellen; der Untersuchungsrichter kann dem Verteidiger statt dessen auch Ablichtungen ausfolgen. Ist der Beschuldigte nicht durch einen Verteidiger vertreten, so stehen diese Rechte des Verteidigers ihm selbst zu, wobei die Akteneinsicht einem in Haft befindlichen Beschuldigten auch in den Amtsräumen des Gefangenenhauses oder der Strafvollzugsanstalt gewährt werden kann. Bis zur Mitteilung der Anklageschrift kann der Untersuchungsrichter einzelne Aktenstücke von der Einsicht- und Abschriftnahme durch Verteidiger oder Beschuldigten ausnehmen, wenn besondere Umstände die Befürchtung rechtfertigen, daß durch eine sofortige Kenntnisnahme von diesen Aktenstücken die Untersuchung erschwert werden könnte. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften (Ablichtungen) der Augenscheinsprotokolle, der Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden, Ämtern und Anstalten sowie der Originalurkunden, die Gegenstand der strafbaren Handlung sind, zu übergeben. Dem Verteidiger ist auf sein Verlangen auch eine Ausfertigung des Haftbefehles samt Gründen sowie aller gerichtlichen Entscheidungen auszufolgen, gegen die der Beschuldigte ein Rechtsmittel angemeldet hat.
(3) Der verhaftete Beschuldigte darf sich mit seinem Verteidiger ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen. Ist der Beschuldigte aber auch oder ausschließlich wegen Verdunkelungsgefahr in Haft, so kann der Untersuchungsrichter selbst bis zur Mitteilung der Anklageschrift der Besprechung mit dem Verteidiger zum Zweck der Überwachung des Gesprächsinhaltes beiwohnen
1. während der ersten vierzehn Tage der gerichtlichen Haft, es sei denn, daß anzunehmen ist, eine als Folge der Besprechung eintretende Beeinträchtigung von Beweismitteln sei auszuschließen, oder
2. wenn auf Grund besonderer Umstände zu befürchten ist, die Besprechung mit dem Verteidiger werde sonst zu einer Beeinträchtigung von Beweismitteln führen, und die Überwachung mit Beschluß angeordnet worden ist.
(4) Der Untersuchungsrichter darf den Briefverkehr des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger nur unter den im Abs. 3 erwähnten Voraussetzungen überwachen."
Gemäß § 119 StVG haben die Strafgefangenen das Recht, hinsichtlich des ihre Person betreffenden Vollzuges in angemessener Form mündlich oder schriftlich Ansuchen zu stellen. Zu diesem Zweck haben sie sich in Fällen, die keinen Aufschub dulden, an den zunächst erreichbaren Strafvollzugsbediensteten, sonst zu der in der Hausordnung festzusetzenden Tageszeit an den hiefür zuständigen Strafvollzugsbediensteten zu wenden.
§ 120 leg. cit. bestimmt:
"(1) Die Strafgefangenen können sich gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Über die Art der ärztlichen Behandlung können sich die Strafgefangenen jedoch nur nach § 122 beschweren.
(2) Beschwerden können außer bei Gefahr im Verzuge frühestens nach Ablauf einer Nacht, spätestens aber zwei Wochen nach Kenntnis des Beschwerdegrundes, wenn sie sich gegen eine Entscheidung richten, binnen zwei Wochen nach deren Verkündung oder Zustellung erhoben werden. Sie ist schriftlich oder zu der vom Anstaltsleiter festzusetzenden Tageszeit mündlich bei dem hiefür zuständigen Strafvollzugsbediensteten anzubringen.
(3) Die Erhebung einer Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Der Anstaltsleiter und die mit der Beschwerde angerufene höhere Vollzugsbehörde können jedoch den Vollzug von Anordnungen, gegen die Beschwerde erhoben wird, bis zur Erledigung vorläufig aussetzen, wenn keine Gefahr im Verzuge ist.
(4) Eine gemeinsame Beschwerde mehrerer Strafgefangener ist als unzulässig zurückzuweisen."
Gemäß § 67 Abs. 1 Z. 2 AVG (der im wesentlichen dem früheren Art. 131a B-VG entspricht) entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Was zunächst die Frage des Kontaktes des Beschwerdeführers mit seinem Verteidiger anlangt, so erfolgte die Zurückweisung der erhobenen Maßnahmenbeschwerde schon deshalb im Ergebnis zu Recht, weil es sich dabei um eine nicht unter das Strafvollzugsgesetz fallende Angelegenheit des Strafverfahrens handelt. Davon abgesehen ist folgendes zu sagen:
Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde dienen - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 91/15/0147 und die dort zitierte Vorjudikatur) - nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein.
Im vorliegenden Fall stellt sich daher betreffend die Zulässigkeit der von der belangten Behörde zurückgewiesenen Maßnahmenbeschwerde die zentrale Frage, ob der Beschwerdeführer hinsichtlich der gegen ihn am 27. Jänner 1992 getroffenen (oben im einzelnen wiedergegebenen) Maßnahmen die Möglichkeit einer Austragung im Verwaltungsverfahren hatte oder nicht.
Die belangte Behörde hat diese Frage im Ergebnis zu Recht bejaht, weil es sich bei den gegen den Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen um Anordnungen i.S. des § 120 Abs. 1 StVG handelt. Damit stand dem Beschwerdeführer aber gemäß § 120 ff StVG die Möglichkeit der Austragung der Angelegenheit im Verwaltungsverfahren zur Verfügung. Für die erhobene Maßnahmenbeschwerde bestand daher im vorliegenden Fall von vornherein kein Raum.
Da schon der Beschwerdeinhalt erkennen ließ, daß die behauptete Rechtswidrigkeit dem angefochtenen Bescheid nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Die Entscheidung konnte mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtsfrage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Faktische Amtshandlungen siehe Art 129a Abs1 Z2 ( früher Art 131a B-VG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010714.X00Im RIS seit
05.07.2001