Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der GR in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. März 1991, Zl. Ia-5281/16-1991, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unbestritten ist, daß die (im Jahre 1940 in Tannheim, Bundesland Tirol, geborene) Beschwerdeführerin nach ihrer im März 1962 erfolgten Eheschließung mit dem britischen Staatsangehörigen AR auf Grund ihres Antrages vom 12. November 1962 in Verbindung mit einer behördlichen Bestätigung der Registrierung vom 7. Jänner 1963 die britische Staatsbürgerschaft erworben hat. Die Beschwerdeführerin stellte sich in ihrem an die belangte Behörde gerichteten Antrag vom 12. Dezember 1990 auf den Standpunkt, daß sie trotz Erwerbs der britischen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verloren habe, weil sie im Juli 1962 einen Beibehaltungsantrag gestellt habe und über diesen Antrag bisher nicht in abweisendem Sinne entschieden worden sei. Die Tiroler Landesregierung erließ daraufhin den Bescheid vom 29. März 1991, mit welchem sie 1. gemäß § 42 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, feststellte, daß die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft auf Grund Verlustes nach § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276, nicht besitze, und 2. den "Antrag auf Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom Juli 1962" abwies.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 25. November 1991, B 536/91, abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die im vorliegenden Beschwerdefall zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat, ist nach den staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die zum betreffenden Zeitpunkt in Geltung standen (vgl. in diesem Sinne bereits das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1966, Zl. 1492/65). Daß der belangten Behörde die Beurteilung oblag, was an dem Tag, an dem die Beschwerdeführerin die britische Staatsbürgerschaft erworben hat, in Ansehung ihrer österreichischen Staatsbürgerschaft rechtens war, ergibt die Auslegung der hiefür maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. die allgemeinen Ausführungen dazu, welche Sach- und Rechtslage bei Erlassung eines Bescheides anzuwenden ist, im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A). Die belangte Behörde ist daher zutreffend von der (auch nach Ansicht der Beschwerdeführerin heranzuziehenden) Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 ausgegangen, die folgenden Wortlaut hatte: "Durch Ausbürgerung verliert die Staatsbürgerschaft ....., wer eine fremde Staatsbürgerschaft erwirbt; die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft kann vom Bundesministerium für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt aus triftigen Gründen bewilligt werden."
Die Beschwerdeführerin hält daran fest, daß sie unter Zugrundelegung der hiefür in Betracht kommenden ausländischen Rechtsnormen (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1955, Slg. Nr. 3653/A) im Jahre 1963 die britische Staatsbürgerschaft rechtswirksam erworben hat. War dies aber der Fall, dann war damit ex lege der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1957, Slg. Nr. 4484/A, wonach von einem "Erwerb" der Staatsbürgerschaft im Sinne der genannten Gesetzesstelle nur dann gesprochen werden kann, wenn auch der entsprechende (nach österreichischem Recht zu beurteilende) "Erwerbswille" auf seiten desjenigen, der die fremde Staatsbürgerschaft erhalten hat, vorhanden war, ist nicht zielführend, hat sie diese doch nicht auf Grund eines einseitigen Aktes des fremden Staates ohne ihren Willen erlangt, sondern war Voraussetzung hiefür, daß sie einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der Grund, der sie zu einer solchen Antragstellung bewogen hat (nämlich die Befürchtung, sonst staatenlos zu sein), ohne Belang. Der von ihr in diesem Zusammenhang geltend gemachte Umstand, daß sie von einem Beamten der Bezirkshauptmannschaft Reutte in Tirol nach Stellung eines Beibehaltungsantrages im Jahre 1962 die unrichtige Rechtsauskunft erhalten habe, daß sie die österreichische Staatsbürgerschaft bereits mit ihrer Verehelichung verloren habe (weshalb sie den genannten Antrag dann auch nicht mehr "weiter verfolgt" habe), vermag daran nichts zu ändern. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 29. Mai 1972, Zl. 367/72, unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis vom 16. Dezember 1969, Zl. 769/69, ausgesprochen, daß der Wille, durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft nicht zu verlieren, selbst dann nicht ausreicht, diesen Erfolg auszuschließen, wenn dieser Wille auf die unrichtige Auskunft einer österreichischen Vertretungsbehörde, daß der Verlust dadurch nicht eintreten werde, zurückzuführen war; nichts anderes muß im Ergebnis bei dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachverhalt gelten. Die von ihr ins Treffen geführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beachtlichkeit von Willensmängeln im Verwaltungsverfahren (veröffentlicht in ZfVB 1981/1/239, in JBl 1989, 804, und in ÖJZ 1990/190, wobei es sich jeweils um die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes handelte), kommt hier schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Beschwerdeführerin selbst davon ausgeht, daß sie die britische Staatsbürgerschaft (durch einen entsprechenden Antrag gegenüber den Behörden dieses Landes) rechtswirksam erworben habe.
Der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, daß "durch einen vor Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft eingebrachten Beibehaltungsantrag, der (an sich durch Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft ex lege eintretende) Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bis zur Entscheidung über den Beibehaltungsantrag schwebend blieb und sich erst im Falle der rechtskräftigen Abweisung des Beibehaltungsantrages realisierte", kann nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, daß es nunmehr im § 27 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (wie bereits im Staatsbürgerschaftsgesetz 1965, BGBl. Nr. 250) heißt, daß die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht VORHER die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. Das bedeutet aber nicht, daß im zeitlichen Geltungsbereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 diesbezüglich eine andere Rechtslage bestanden hätte. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof in dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Erkenntnis vom 27. September 1965, Zl. 925/65 (in Übereinstimmung mit den vorangegangenen Erkenntnissen vom 11. Juni 1951, Slg. Nr. 2143/A, und vom 3. Juli 1951, Slg. Nr. 2174/A), zum Ausdruck gebracht, daß die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nur so lange bewilligt werden könne, so lange sie nicht (durch den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft) verlorengegangen sei. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen, ergibt sich doch aus dem Gesetz, daß mit dem Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden ist, ausgenommen im Falle der Bewilligung ihrer Beibehaltung, und entspricht es auf Grund des allgemeinen Sprachgebrauches den Denkgesetzen, daß eine "Beibehaltung" der Staatsbürgerschaft nach deren Verlust nicht mehr möglich ist. Der Gesetzgeber hat auch im § 8 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 - abweichend von der Regelung des § 8 Abs. 1 leg. cit., in welchem Falle ebenfalls die Bewilligung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft aus triftigen Gründen vorgesehen war - bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (und daher nur ausnahmsweise) die Möglichkeit der Bewilligung der "Beibehaltung" der Staatsbürgerschaft geschaffen, wobei es sich aber in Wirklichkeit um die Möglichkeit der Wiedererlangung der verlorenen Staatsbürgerschaft handelte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1952, Slg. Nr. 2437/A). Eine Beibehaltung der Staatsbürgerschaft tritt nicht mit der Stellung eines Beibehaltungsantrages ein, sondern erst mit der Bewilligung der Beibehaltung, zu der es vor dem Erwerb der britischen Staatsbürgerschaft durch die Beschwerdeführerin nicht gekommen ist.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage richtig erkannt. Die von der Beschwerdeführerin begehrte Feststellung, daß ihre österreichische Staatsbürgerschaft "nach wie vor aufrecht ist", konnte nicht getroffen werden. Auch einem allenfalls im Juli 1962 gestellten Beibehaltungsantrag (diesbezüglich gibt es lediglich die Behauptung der Beschwerdeführerin, während aktenmäßige Unterlagen fehlen) könnte schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil eine solche Bewilligung auf Grund des nunmehr anzuwendenden § 27 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (wie dies aber auch schon der früheren Rechtslage entsprach) nach Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft ausgeschlossen war. Darin, daß die belangte Behörde festgestellt hat, die Beschwerdeführerin habe die britische Staatsbürgerschaft (trotz des von ihr behaupteten Rechtsirrtums) "aus freiem Willen" erworben, ist keine wesentliche Aktenwidrigkeit gelegen; ebensowenig war der (ohnedies auf den Angaben der Beschwerdeführerin beruhende) Sachverhalt in diesem Punkt ergänzungsbedürftig.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991010213.X00Im RIS seit
16.09.1992Zuletzt aktualisiert am
15.01.2013