TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/16 92/01/0344

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Veröffentlicht am 16.09.1992
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Index

25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §100 Abs1;
StVG §20 Abs2;
StVG §21 Abs1;
StVG §94 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des E in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 18. September 1991, Zl. 406.700/44-V7/91, betreffend Strafvollzug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Leiters der Strafvollzugsanstalt Stein vom 21. Februar 1991 gemäß § 121 Abs. 1 StVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG und § 20 Abs. 2 StVG keine Folge. Mit dem letztgenannten Bescheid war die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung eines Strafvollzugsbediensteten als unzulässig abgewiesen worden, welche wiederum das Ansuchen des Beschwerdeführers um Intimverkehr mit seiner Lebensgefährtin abgewiesen hatte. Die belangte Behörde gründete ihren Bescheid auf § 20 Abs. 2 StVG und vertrat die Auffassung, Strafgefangene hätten kein Recht, während der Verbüßung der Freiheitsstrafe Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Auch aus der nach Meinung des Beschwerdeführers im Alltag des Strafvollzuges bestehenden faktischen Gegebenheit homosexueller Beziehungen zwischen den Strafgefangenen könne der Beschwerdeführer kein Recht auf Geschlechtsverkehr jedweder Art ableiten. Der Umstand, daß den Strafgefangenen seitens des Anstaltsarztes Präservative ausgefolgt würden, trage nur dem in § 66 Abs. 1 StVG normierten Gebot der Erhaltung der körperlichen Gesundheit Rechnung, um der Übertragung ansteckender Krankheiten entgegenzuwirken. Er dokumentiere jedoch keinerlei Rechtsanspruch auf sexuellen Verkehr der Strafgefangenen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf gesetzes- und verfassungskonforme Anwendung des Strafvollzugsgesetzes und - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht auf Intimverkehr mit seiner Lebensgefährtin verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 Abs. 2 StVG normiert, daß zur Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen die Strafgefangenen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Vorschriften von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen sind.

Soweit im Strafvollzugsgesetz nichts anderes bestimmt ist, dürfen die Strafgefangenen gemäß § 21 Abs. 1 leg. cit. u.a. mit Personen außerhalb der Anstalt nicht verkehren.

Gemäß § 86 Abs. 1 leg. cit. dürfen die Strafgefangenen nur nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit anderen Personen schriftlich verkehren und von ihnen Besuche empfangen.

Die Abs. 2 und 3 der letztzitierten Gesetzesstelle lauten:

"(2) Jeder Strafgefangene darf unbeschadet der §§ 103 Abs. 3, 112 Abs. 2 und 114 Abs. 1 mit seinem Ehegatten, mit seinen Kindern und Enkeln, Eltern und Großeltern, Geschwistern, Wahl- und Pflegeeltern, Wahl- und Pflegekindern und mit seinem Vormund schriftlich verkehren und Besuche dieser Angehörigen empfangen. Der Briefverkehr und die Besuche sind jedoch zu untersagen, soweit davon eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder ein ungünstiger Einfluß auf den Strafgefangenen zu befürchten ist.

(3) Ein Briefverkehr mit anderen als den in Abs. 2 genannten Personen und Besuche solcher Personen sind unbeschadet der §§ 88 und 96 nur auf Verlangen des Strafgefangenen und soweit zu gestatten als zu erwarten ist, daß der Verkehr den Strafgefangenen günstig beeinflussen, sein späteres Fortkommen fördern oder sonst für ihn von Nutzen sein werde und davon keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu befürchten ist."

Gemäß § 94 Abs. 3 StVG haben sich die Besucher so zu verhalten, daß die Zwecke des Strafvollzuges nicht gefährdet werden und der Anstand nicht verletzt wird.

Gemäß § 95 StVG sind die Besuche schonend zu überwachen. Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, hat sich die Überwachung auch auf den Inhalt des zwischen dem Strafgefangenen und dem Besucher geführten Gespräches zu erstrecken. Erforderlichenfalls ist ein fremdsprachenkundiger Strafvollzugsbediensteter oder ein Dolmetscher beizuziehen.

Gemäß § 100 Abs. 1 StVG ist einem Strafgefangenen, der wünscht, eine Ehe zu schließen, hiezu unbeschadet der Bestimmungen der §§ 98 und 99 in der Anstalt Gelegenheit zu geben, wenn ihm ein Aufschub der Eheschließung bis zur Entlassung nicht zugemutet werden kann.

Kern der Argumentation des Beschwerdeführers ist die Ansicht, das Strafvollzugsgesetz "verbiete in keinem Paragraphen oder Satz den Geschlechtsverkehr". Der Beschwerdeführer vertritt in diesem Zusammenhang die Meinung, die Abweisung seines Ansuchens widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention, sei nicht verfassungskonform und auch nicht durch § 20 StVG gedeckt.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer damit das Wesen des Strafvollzuges grundsätzlich verkennt. Gemäß §§ 20 Abs. 2 und 21 Abs. 1 StVG sind die Abschließung des Strafgefangenen von der Außenwelt und die damit zwangsläufig verbundenen Beschränkungen seiner Lebensführung der Grundsatz Ausnahmen davon sind nur insoweit gestattet, als das Gesetz solche vorsieht. Es ist also keinesfalls so, daß ein Strafgefangener all das darf, was nicht gesetzlich verboten ist, sondern gerade umgekehrt: nur dann finden Erleichterungen von der grundsätzlich vorgesehenen Abschließung des Strafgefangenen statt, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind.

Was nun die Frage anlangt, ob die vom Beschwerdeführer angestrebte Gestattung des Intimverkehrs mit seiner Lebensgefährtin nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes zulässig ist oder nicht, ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, daß nach der dazu bereits vorliegenden Judikatur sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofes die ein Wesensmerkmal des Strafvollzuges darstellende, gesetzlich vorgesehene Abschließung eines Strafgefangenen von der Außenwelt und die damit verbundene Beschränkung seiner Lebensführung für die Dauer des Freiheitsentzuges auch die Unmöglichkeit mit sich bringen, mit dem jeweiligen Lebenspartner geschlechtlich zu verkehren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1980, Zl. 587/80, Slg. N.F. Nr. 10.115/A sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1979, B 311/77, Slg. 8691). Was in den zitierten Erkenntnissen betreffend den Sexualverkehr mit dem jeweiligen Ehepartner des Strafgefangenen gesagt wurde, hat jedenfalls auch für Lebensgemeinschaften zu gelten. Daran vermögen auch die Argumente des Beschwerdeführers nichts zu ändern, die von ihm angestrebte Erlaubnis könne eine positive erzieherische Beeinflussung bewirken, weiters der Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit des Strafgefangenen und schließlich der Pflege der Beziehungen zu seinen Angehörigen dienen.

Auch aus den gesetzlichen Regelungen betreffend Besuche und ihre Überwachung läßt sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen, weil - wie aus § 95 StVG klar wird - der wesentliche Aspekt des Besuches in der Ermöglichung eines verbalen Kontaktes zwischen dem Strafgefangenen und seinem Besucher besteht. Intimkontakte hingegen sind im Rahmen eines Besuches durch § 94 Abs. 3 StVG von vornherein ausgeschlossen.

Schließlich ergibt sich auch aus § 100 StVG nichts für den Standpunkt des Beschwerdeführers. Nach der dazu vorliegenden Judikatur des OGH (der sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt) ist zwischen der Vornahme einer Eheschließung und dem Vollzug der Ehe zu unterscheiden und steht nur der Eheschließung selbst die sich aus dem Wesen der Freiheitsstrafe ergebende grundsätzliche Abschließung des Strafgefangenen von der Außenwelt nicht entgegen, dem Vollzug hingegen schon (vgl. die E. des OGH vom 8. Jänner 1976, 13 Os 186-188/75 EVBl 1976/210).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen, auf die Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 8 und 12) gegründeten verfassungsrechtlichen Bedenken; dies einerseits mit Rücksicht auf die oben schon zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und andererseits vor allem wegen der in diesem Zusammenhang bereits erfolgten Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 3. Oktober 1978 (vgl. EuGRZ 1978, 518). Die Kommission hat nämlich deutlich ausgesprochen, daß es allgemein zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis als gerechtfertigt angesehen wird, dort sexuelle Beziehungen nicht zuzulassen. Was dabei für Ehegatten gesagt wurde, die sich in derselben Anstalt in Haft befinden, hat auch für den Beschwerdeführer und seine außerhalb der Strafanstalt befindliche Lebensgefährtin zu gelten.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als frei von der vom Beschwerdeführer behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer nicht näher zur Darstellung und können auch den vorgelegten Verwaltungsakten in dieser Richtung keinerlei Anhaltspunkte entnommen werden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010344.X00

Im RIS seit

16.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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