Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. April 1992, Zl. VII/2a-V-1538/0/1-92, betreffend Übertretungen des Heimarbeitsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchteile 2),
3) und 6) des mit ihm übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Ansehung der Schuldsprüche sowie der Straf- und Kostenaussprüche wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer bestraft, weil er "als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma J Warenhandelsges.m.b.H. mit dem Standort in B, die auf den beiliegenden Kopien angeführten insgesamt 304 Personen in den angegebenen Zeiträumen mit Heimarbeit beschäftigt (hat), wobei folgende Vorschriften des Heimarbeitsgesetzes nicht eingehalten wurden:
1) Gemäß § 7 Abs. 1 HAG sind Auftraggeber verpflichtet, eine fortlaufend richtiggestellte Liste aller unmittelbar beschäftigten Heimarbeiter, Zwischenmeister und verwendeten Mittelspersonen in zweifacher Ausfertigung zu führen. Gemäß § 7 Abs. 2 HAG ist bis zum 15. Jänner eines jeden Jahres die erste Ausfertigung dieser Liste dem Arbeitsinspektorat vorzulegen. Die Liste für 1989 wurde dem Arbeitsinspektorat bis mindestens 20. März 1990 nicht vorgelegt.
2) Gemäß § 10 Abs. 1 HAG hat der Auftraggeber über die unmittelbare Ausgabe (Zustellung) von Heimarbeit an Heimarbeiter oder an Zwischenmeister sowie die Übernahme (Abholung) der durchgeführten Heimarbeit und über die Entgeltzahlung Nachweise in zweifacher Ausfertigung zu führen. Gemäß § 51 HAG sind Auftraggeber verpflichtet, den Arbeitsinspektoren sowie deren Organen auf Verlangen in Ausgabe- und Abrechnungsnachweise Einsicht zu gewähren. Bei der Betriebskontrolle am 4. Oktober 1989 durch das Arbeitsinspektorat wurde festgestellt, daß diese Nachweise nicht geführt wurden bzw. wurde in diese Nachweise auf Verlangen nicht Einsicht gewährt.
3) Gemäß § 10 Abs. 3 HAG sind jeweils auf gesonderten Nachweisen die Auszahlung des Urlaubs- und Feiertagsentgeltes, der Urlaubsabfindung, des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration anzuführen. Gemäß § 51 HAG sind Auftraggeber verpflichtet, den Arbeitsinspektoraten sowie deren Organen auf Verlangen in die für die Entgeltermittlung notwendigen Unterlagen Einsicht zu gewähren.
Bei der Betriebskontrolle am 4. Oktober 1989 durch das Arbeitsinspektorat wurde festgestellt, daß diese Nachweise nicht geführt wurden bzw. wurde in diese Nachweise auf Verlangen nicht Einsicht gewährt.
4) Gemäß dem Heimarbeitstarif in der jeweils gültigen Fassung gebührte den angeführten Personen ein Heimarbeitszuschlag in der Höhe von 10 % der erzielten Arbeitsentgelte. Gemäß § 35 Abs. 2 HAG ist der Heimarbeitstarif rechtsverbindlich. Gemäß § 52 Abs. 1 HAG liegt eine Unterentlohnung vor, wenn infolge Anwendung unrichtiger Entgeltsätze im Vergleich zum Heimarbeitstarif ein geringeres Entgelt gezahlt wurde. Der gemäß dem Heimarbeitstarif vorgeschriebene Zuschlag wurde den in der Beilage angeführten 304 anspruchsberechtigten Personen bis mindestens 5. März 1990 nicht bezahlt.
5) Gemäß § 18 Abs. 1 HAG haben die Heimarbeiter für die im Feiertagsruhegesetz angeführten Feiertage Anspruch auf Feiertagsentgelt. Gemäß § 18 Abs. 3 HAG ist das Feiertagsentgelt jeweils bei der ersten Entgeltzahlung nach dem 15. März und nach dem 15. September abzurechnen und auszuzahlen; endet das Heimarbeitsverhältnis früher, so ist das Feiertagsentgelt bei der letzten Entgeltzahlung abzurechnen und auszuzahlen. Gemäß § 52 Abs. 1 HAG liegt eine Unterentlohnung vor, wenn die Ansprüche auf Feiertagsentgelt ncht ordnungsgemäß erfüllt wurden. Das Feiertagsentgelt wurde den in der Beilage angeführten 304 anspruchsberechtigten Personen bis mindestens 5. März 1990 nicht bezahlt.
6) Gemäß § 22 Abs. 1 HAG gebührt dem Heimarbeiter ein Urlaubsentgelt. Gemäß § 22 Abs. 6 HAG ist das Urlaubsentgelt bei Antritt des Urlaubes zu zahlen. Gemäß § 23 Abs. 1 gebührt dem Heimarbeiter eine Abfindung der Anwartschaft auf Urlaub, wenn das Beschäftigungsverhältnis des Heimarbeiters vor Erwerb eines Urlaubsanspruches gelöst wird. Gemäß § 52 Abs. 1 HAG liegt eine Unterentlohnung vor, wenn die Ansprüche auf Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsabfindung nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden.
Das Urlaubsentgelt bzw. die Urlaubsabfindung wurde den in der Beilage angeführten 304 anspruchsberechtigten Personen bis mindestens 5. März 1990 nicht bezahlt.
7) Gemäß § 27a Abs. 1 HAG haben die Heimarbeiter Anspruch auf Urlaubszuschuß. Gemäß § 27a Abs. 2 HAG ist der Urlaubszuschuß jeweils bei Urlaubsantritt für den Urlaubszeitraum abzurechnen und auszuzahlen; endet das Heimarbeitsverhältnis früher, so sind die aliquoten Teile des Urlaubszuschusses bei der letzten Entgeltzahlung abzurechnen und auszuzahlen. Gemäß § 52 Abs. 1 HAG liegt eine Unterentlohnung vor, wenn die Ansprüche auf Urlaubszuschuß nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden. Der Urlaubszuschuß wurde den in der Beilagen angeführten 304 anspruchsberechtigten Personen bis mindestens 5. März 1990 nicht bezahlt.
8) Gemäß § 27a Abs. 1 HAG haben die Heimarbeiter Anspruch auf Weihnachtsremuneration. Gemäß § 27a Abs. 2 HAG ist die Weihnachtsremuneration zu dem für Betriebsarbeiter des Erzeugungszweiges vorgesehenen Fälligkeitstermin bzw. zu dem im Heimarbeitsgesamtvertrag oder Heimarbeitstarif festgesetzten Zeitpunkt abzurechnen und auszuzahlen; endet das Heimarbeitsverhältnis früher, so sind die aliquoten Teile der Weihnachtsremuneration bei der letzten Entgeltzahlung abzurechnen und auszuzahlen. Gemäß § 52 Abs. 1 HAG liegt eine Unterentlohnung vor, wenn die Ansprüche auf Weihnachtsremuneration nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden. Die Weihnachtsremuneration wurde den in der Beilage angeführten 304 anspruchsberechtigten Personen bis mindestens 5. März 1990 nicht bezahlt."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, ihren Bescheid mangelhaft begründet zu haben. Sie habe nur auf das Ermittlungsergebnis des Arbeitsinspektorats verwiesen, jedoch keine eigenen Feststellungen getroffen. Dem ist zu erwidern, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides gerade noch erkennbar zum Ausdruck kommt, daß der Entscheidung jener Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, der in der im erstinstanzlichen Straferkenntnis wiedergegebenen, unter Berücksichtigung der Erhebungsergebnisse erstatteten zusammenfassenden Stellungnahme des Arbeitsinspektorats vom 26. Februar 1991 dargestellt worden war. Damit genügte die belangte Behörde aber ihrer Begründungspflicht, zumal der Beschwerdeführer selbst nicht konkret aufzeigt, inwieweit dieser Sachverhalt (nicht die daran geknüpften rechtlichen Überlegungen) unrichtig ist und welche anderen Feststellungen zu treffen gewesen wären. Hat er solche Ausführungen unterlassen, dann kann er sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des Parteiengehörs berufen.
Soweit der Beschwerdeführer in der Verwertung einer Stellungnahme des auch als Anzeiger aufgetretenen Arbeitsinspektorats einen Verstoß gegen Art. 6 MRK zu erkennen glaubt, sei darauf verwiesen, daß der von der Republik Österreich zum Art. 5 MRK samt Zusatzprotokoll erklärte, im Verfassungsrang stehende Vorbehalt für die unter die in diesem Vorbehalt zitierten Verwaltungsstrafgesetze fallenden Verfahren auch die Anwendung des Art. 6 MRK ausschließt (vgl. neben vielen anderen das hg. Erkenntnis vom 13. September 1991, Zlen. 91/18/0050, 0051).
Der Antrag des Beschwerdeführers, "Erhebungsorgane der Handelskammer für Niederösterreich in das Verfahren einzubeziehen und diese mit den entsprechenden Feststellungen zu beauftragen," entbehrt jeder Rechtsgrundlage; durch die Nichtstattgebung dieses Antrages konnte der Beschwerdeführer somit in keinem Recht verletzt werden.
Auch der Einwand des Beschwerdeführers, daß Verfolgungsverjährung eingetreten sei, weil ihm die Aufforderung zur Rechtfertigung gesetzwidrig zugestellt worden sei, ist unberechtigt, kommt es doch nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 885, zitierten Entscheidungen) für den Ausschluß der Verfolgungsverjährung darauf an, daß die Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist nach außen - z.B. durch Abfertigung - in Erscheinung getreten ist. Im Beschwerdefall wurde die gegen den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung nach der Aktenlage am 29. März 1990, somit innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950, abgefertigt.
Dem Beschwerdeführer kann ferner nicht gefolgt werden, wenn er meint, daß der Begriff der "Heimarbeit" im Gesetz nicht definiert sei, weshalb die Bestimmung des Begriffes des "Heimarbeiters" im § 2 Abs. 1 lit. a Heimarbeitsgesetz, BGBl. Nr. 105/1961, "völlig unbestimmt und im Ergebnis inhaltsleer" sei. Nach der genannten Bestimmung ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Heimarbeiter, wer, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbst gewählter Arbeitsstätte im Auftrage und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt ist. Daraus ist unschwer abzuleiten, daß unter "Heimarbeit" jene Arbeit zu verstehen ist, die in der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren besteht und von jemanden, der nicht Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung ist, in eigener Wohnung oder selbst gewählter Arbeitsstätte im Auftrage und für Rechnung von Personen, die eine solche Arbeit vergeben, verrichtet wird.
Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, daß dem besonderen Beschäftigungsverhältnis eines Heimarbeiters sowohl das Element der Dauer als auch jenes der Regelmäßigkeit innewohnen müsse, so trifft dies nur in dem Sinn zu, daß die ausnahmsweise Übernahme eines einzelnen Auftrages das besondere Beschäftigungsverhältnis nicht begründen kann (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 27. April 1973, Slg. Nr. 8406/A). Auf Grund der Aussagen der im Verwaltungsstrafverfahren vernommenen Zeugen und der vorgelegten Informationsblätter ("J Information") konnte die belangte Behörde vom Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen ausgehen, die den Erfordernissen der Dauer (der zeitlichen Bindung) und der Regelmäßigkeit im Sinne der angeführten Rechtsprechung entsprechen. Konkrete Behauptungen, daß die bzw. welche der in der Beilage zum erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführten Personen nur ausnahmsweise einzelne Aufträge übernommen hätten, stellte der Beschwerdeführer entgegen der ihn als Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren treffenden Mitwirkungspflicht (vgl. Hauer-Leukauf, aaO, 844 ff) im Verwaltungsstrafverfahren nicht auf; das von ihm in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen, die "Aushilfslöhner" seien nur von Fall zu Fall bei konkretem Bedarf infolge eines neuen Auftrages und nur für eine kurze Zeit, ein großer Teil nur einmalig, in unregelmäßigen Abständen beschäftigt worden, läßt den nach der erwähnten Rechtsprechung wesentlichen Umstand, daß es sich um die ausnahmsweise Übernahme eines einzelnen Auftrages gehandelt habe, nicht mit hinreichender Bestimmtheit erkennen. Gegen die Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen des Heimarbeitsgesetzes auf die Beschäftigungsverhältnisse mit den in der Beilage des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten Personen bestehen daher keine Bedenken.
Dennoch ist der angefochtene Bescheid in den Spruchpunkten 2), 3) und 6) des mit ihm übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. In diesen Punkten entspricht die Tatumschreibung nämlich nicht den Erfordernissen des § 44a lit. a VStG 1950 weil sie - arg.: "bzw." - einen unzulässigen Alternativvorwurf enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1987, Zl. 86/03/0131).
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich dieser Punkte in Ansehung der Schuldsprüche sowie der Straf- und Kostenaussprüche gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992180180.X00Im RIS seit
11.07.2001