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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §299;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr,
Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der A-Sparkasse AG in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 10. Mai 1991, Zl. 8/5 - 6/91, betreffend Aufhebung eines Grunderwerbsteuerfestsetzungsbescheides in Ausübung des Aufsichtsrechtes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Mit Sacheinlagevertrag vom 18. Juni 1990 wurde entsprechend den Bestimmungen des § 8a KWG das gesamte bankgeschäftliche Unternehmen (mit den dazugehörenden inländischen Grundstücken) einer (Vereins)Sparkasse mit Sitz in Kärnten (in der Folge: Sparkasse) mit allen Aktiven und Passiven auf Grundlage der zum 31. Dezember 1989 erstellten Einbringungsbilanz mit dem zuletzt genannten Tag als Stichtag in die zu errichtende Beschwerdeführerin (eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Kärnten, deren Satzung am 18. Juni 1990 festgestellt wurde) eingebracht. Diese Einbringung erfolgte nach Punkt III. dieses Sacheinlagevertrages "gegen Gewährung von Aktien im Nennbetrag von S 252.000.000,--".
Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinne der Beschwerde bzw. des mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid im Aufsichtswege aufgehobenen Bescheides des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt vom 12. September 1990) die Grunderwerbsteuer auf Grund des § 4 Abs. 2 Z. 1 GrEStG 1987 (in der Folge GrEStG) vom Einheitswert der Grundstücke oder (im Sinne des angefochtenen Bescheides) gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG vom Wert der Gegenleistung zu berechnen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.
Auf Grund des Abs. 2 des durch Abschnitt I Art. I Z. 20 des Bundesgesetzes vom 10. Juni 1986, BGBl. Nr. 325, eingefügten § 8a KWG können Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken und Hypothekenbanken, die Pfandbriefstelle der österreichischen Landes-Hypothekenbanken und Genossenschaften ihr gesamtes bankgeschäftliches Unternehmen oder den bankgeschäftlichen Teilbetrieb nur nach den nachfolgenden Bestimmungen in eine Aktiengesellschaft einbringen.
Gemäß § 8a Abs. 3 erster Satz KWG hat die Einbringung jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres mit sämtlichen Aktiven und Passiven des eingebrachten Unternehmens als Sacheinlage zu Buchwerten zu erfolgen.
Nach § 8a Abs. 4 - dessen Z. 2 und 3 im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen - Z. 1 KWG ist die Einbringung nach diesen Bestimmungen nur zulässig in eine zu errichtende Aktiengesellschaft als deren alleiniger Aktionär.
Auf Grund des § 8a Abs. 5 erster Satz KWG bewirkt die Einbringung den Rechtsübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge.
Gemäß § 8a Abs. 9 erster und zweiter Satz KWG bleiben einbringende Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken und die Pfandbriefstelle der österreichischen Landes-Hypothekenbanken bestehen, einbringende Genossenschaften können bestehen bleiben. Hinsichtlich des eingebrachten bankgeschäftlichen Betriebes ist ihr Gegenstand auf die Vermögensverwaltung beschränkt.
Nach § 8a Abs. 9 siebenter bis neunter Satz KWG haben die einbringenden Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken, die Pfandbriefstelle der österreichischen Landes-Hypothekenbanken und Genossenschaften die bei der Einbringung gewährten Aktien dauernd zu halten; eine Kapitalerhöhung ist nur zulässig, wenn die Einbringenden weiterhin zu mindestens 51 vH am erhöhten Grundkapital beteiligt sind. Die von den Einbringenden zu haltenden Aktien dürfen nur in der Form vinkulierter Namensaktien ausgegeben werden. Ausnahmen von diesen Bestimmungen können vom Bundesminister für Finanzen bewilligt werden, wenn dies im volkswirtschaftlichen Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen oder im Interesse des Gläubigerschutzes gelegen ist.
Auf Grund des § 8a Abs. 10 KWG haften die einbringenden Sparkassen, Landes-Hypothekenbanken, die Pfandbriefstelle der österreichischen Landes-Hypothekenbanken und Genossenschaften mit ihrem gesamten Vermögen für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaft im Falle deren Zahlungsunfähigkeit als Ausfallsbürge gemäß § 1356 ABGB; mehrere Einbringende haften zur ungeteilten Hand. Weiters gilt für den Gläubigerschutz § 227 des Aktiengesetzes 1965, BGBl. Nr. 98, sinngemäß.
Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung kann im vorliegenden Fall der Anspruch der Sparkasse auf Erwerb aller Anteile der Beschwerdeführerin nicht dem § 1 Abs. 3 GrEStG unterstellt (und damit gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 GrEStG die Steuer vom Wert des Grundstückes berechnet) werden.
Nach § 1 Abs. 3 - dessen Z. 1 und 2 die "Vereinigung" aller Anteile der Gesellschaft betreffen und schon deshalb hier nicht in Betracht kommen - GrEStG unterliegen nämlich unter der Voraussetzung, daß zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, außerdem der Steuer ... 3. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile der Gesellschaft begründet, 4. der Erwerb aller Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z. 3 vorausgegangen ist.
Unter "Übertragung" bzw. "Erwerb" aller Anteile ist aber der Erwerb der bereits in einer Hand vereinigten Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz zu verstehen (es ist also die Weiterübertragung bzw. das Zusammenbleiben aller Anteile in einer Hand Tatbestandsmerkmal) - siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1989, Zl. 88/15/0155, ÖStZB 15/16/1990, S. 260; Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, Wien 1988 - Stand nach der 5. Lieferung November 1990, Rz 363 bis 366 zu § 1; Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Grunderwerbsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Band II, 3. Teil8, Enns 1987 - Stand nach der Ergänzung April 1992, Rz 329 bis 331 zu § 1). Davon kann aber bei dem ersten Erwerb aller Anteile an einer neu gegründeten Aktiengesellschaft nicht gesprochen werden.
Wenn die Beschwerdeführerin vermeint, es handle sich hier nicht um einen "echten" Sacheinlagevertrag, sondern um einen "Einbringungsvertrag" im Sinne der Sondernormen des § 8a Abs. 3, 5 bis 9 KWG, dann scheint sie einerseits zu übersehen, daß auf Grund des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, der Grunderwerbsteuer unterliegen, und andererseits gemäß § 8a Abs. 3 erster Satz KWG die Einbringung jeweils bis zum Ende eines Gesellschaftsjahres mit sämtlichen Aktiven und Passiven des eingebrachten Unternehmens als Sacheinlage zu Buchwerten zu erfolgen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat z.B. in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zl. 89/16/0101, ÖStZB 23/24/1991, S. 568, u. a. dargetan, daß auch Einbringungsverträge zu den in § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG genannten Erwerbsvorgängen gehören. Werden inländische Grundstücke anläßlich der Gründung einer Handelsgesellschaft von einem Gesellschafter eingebracht, dann bildet der Einbringungsvertrag einen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand. Dies gilt - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung - auch für den vorliegenden Fall, dessen sonstige besondere Lagerung für den Bereich des Grunderwerbsteuerrechtes nicht relevant ist. Überdies ist nicht nur in der von der Beschwerdeführerin zitierten (nachstehend unterstrichenen) Literatur für eine gegenteilige Annahme kein Anhaltspunkt zu finden (siehe z.B. ZAWISCHA, § 8a KWG - Novelle: Gesellschaftsrechtliche Universalsukzession bei Bankbetriebseinbringungen, ÖBA 1986, S. 388 ff; KASTNER, Gesellschaftsrecht und das novellierte Kreditwesengesetz, JBl. 1986, S. 749 ff; Wiesner, Die abgabenrechtlichen Begleitmaßnahmen zur KWG - Novelle, ÖStZ 18/1986, S. 222 ff; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, ÖStZ 13/1988, S. 214 ff; Lang, Jüngste Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, ÖStZ 13/1989, S. 159 ff; Helbich, Umgründungen4, Wien 1990, insbesondere S. 435 ff; Kastner, Gedanken zu § 8a Kreditwesengesetz, in Beiträge zum Zivil- und Handelsrecht, Festschrift für Rolf, Ostheim zum 65. Geburtstag, Wien 1990, S. 279 ff; JABORNEGG, Gesellschaftsrechtliche Fragen der Gründung von Sparkassenaktiengesellschaften, ÖBA 1990, S. 82 ff; Helbich,
Zur Einbringung von Sparkassen in Aktiengesellschaften, ÖSpZ 19/1990, S. 522 ff; Raschauer, Rechtsfragen der Sparkassenfusion, ÖZW 1/1991, S. 11 ff;
Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Ruess, Handkommentar zum Kreditwesengesetz2, Wien 1991, S. 141 ff).
Ganz abgesehen davon, daß in der Beschwerde der § 8a Abs. 9 KWG so zitiert wird, als "könnten" einbringende Sparkassen bestehen bleiben, ergibt sich schon aus dem oben zitierten Wortlaut dieser Gesetzesstelle, daß sie bestehen bleiben. Da die Sparkassen nämlich keine Eigentümer (Gesellschafter) haben, sieht das Gesetz auch bei Einbringung ihres gesamten Unternehmens oder ihres bankgeschäftlichen Teilbetriebes ihren Fortbestand als Holding vor (siehe z.B. Kastner, JBl. 1986, S. 751 links unten). Wenngleich hier der Sache nach eine gewisse Ähnlichkeit mit einer formwechselnden Umwandlung angenommen werden könnte, ist vor allem der Unterschied hervorzuheben, daß also am Ende der Gründung der Aktiengesellschaft zwei Rechtsträger bestehen, bei der Formumwandlung nur einer (siehe z.B. Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Ruess, a.a.O., S. 155 Abs. 4).
Der Verwaltungsgerichtshof findet auch im vorliegenden Fall keinen Anlaß, von seiner in dem zitierten Erkenntnis vom 20. Juni 1990 und weiters in seinem Erkenntnis vom 26. März 1992, Zl. 90/16/0234, auf dessen Entscheidungsgründe im Sinne des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, vertretenen Auffassung, daß Gesellschaftsrechte regelmäßig AUCH bei Neugründungen zu bewerten sind, abzugehen.
Abschließend ist noch folgendes zu bemerken:
Der Verwaltungsgerichtshof vermag keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, daß die belangte Behörde den auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhenden Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt vom 12. September 1990 mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs. 2 und Abs. 1 lit. c BAO aufhob, zumal das genannte Finanzamt auf Grund seiner fehlerhaften Rechtsansicht die erforderlichen Ermittlungen und Feststellungen unterließ.
Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung gilt § 307 Abs. 2 BAO, wonach im wiederaufgenommenen Verfahren eine Änderung der Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts oder eine allgemeine Weisung des Bundesministers für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der Partei berücksichtigt werden darf, nicht auch für solche Verfahren, die nach aufsichtsbehördlicher Aufhebung auf Grund des Aufsichtsrechtes, also nach Aufhebung gemäß § 299 BAO ergehen; eine analoge Anwendung der Grundsätze des § 307 Abs. 2 BAO über den Bereich der Wiederaufnahme des Verfahrens und der das wiederaufgenommene Verfahren abschließenden Sachbescheide hinaus wäre nämlich unzulässig (siehe z.B. Stoll, Bundesabgabenordnung - Handbuch, Wien 1980, S. 736 Abs. 1, mit Judikaturhinweis).
Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, und zwar ungeachtet des Antrages der Beschwerdeführerin auf Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG ohne Durchführung einer Verhandlung.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991160085.X00Im RIS seit
14.01.2002