Index
L82404 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Oberösterreich;Norm
AbfallG OÖ 1975 §24 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1991, Zl. UR-210026/12-1991 Se-Kl (mitbeteiligte Partei: Reinhalteverband A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L), betreffend Bewilligung einer Müllbeseitigungsanlage gemäß § 24 Abs. 10 des OÖ Abfallgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfange der Anfechtung (Spruchabschnitt II) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft G erteilte mit Bescheid vom 24. November 1988 der Marktgemeinde A die Bewilligung zur Errichtung einer Mülldeponie auf dem Grundstück nn/4 KG. A, Gemeinde A, nach Maßgabe des vorgelegten Projektes und der in der Verhandlungsschrift vom 21. und 22. November 1988 enthaltenen Beschreibungen. Weiters wurden mit diesem Bescheid insgesamt 38 Auflagen erteilt. Die letzte dieser Auflagen verpflichtet den Betreiber der Deponie unter anderem Beginn und Abschluß der jeweiligen Deponieabschnitte der Behörde anzuzeigen.
Mit Bescheid vom 13. Juli 1990 erteilte die Bezirkshauptmannschaft der mitbeteiligten Partei als Rechtsnachfolger für den ersten Deponieabschnitt der Mülldeponie auf dem oben genannten Grundstück die Betriebsbewilligung gemäß §§ 3 und 24 Abs. 10 des OÖ Abfallgesetzes, LGBl. Nr. 1/1975. Begründend wurde lediglich ausgeführt, das durchgeführte Beweisverfahren habe ergeben, daß der erste Deponieabschnitt entsprechend der Bewilligung nach § 24 Abs. 1 des OÖ Abfallgesetzes ausgeführt worden sei und den in § 3 dieses Gesetzes angeführten Grundsätzen entspreche. Die Betriebsbewilligung werde an die im Spruch angeführten Auflagen gebunden. Die bei der Endbeschau am 15. Mai 1990 festgestellten Abweichungen hätten bewilligt werden können, weil sie geringfügig seien und die im § 3 angeführten Grundsätze nicht verletzt würden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde unter anderem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab (Spruchabschnitt II). Begründend wird zu diesem Abspruch im wesentlichen ausgeführt, auf das Verfahren seien die Bestimmungen des OÖ Abfallgesetzes anzuwenden gewesen, obwohl seit Jänner 1991 das OÖ Abfallwirtschaftsgesetz in Geltung stehe, doch seien die zu diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften weiterzuführen. Im Berufungsverfahren sei zu überprüfen gewesen, ob die festgestellten Abweichungen von der Bewilligung einerseits geringfügig seien und andererseits den in § 3 des OÖ Abfallgesetzes angeführten Grundsätzen entsprächen. Dazu seien Gutachten des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Stellungnahmen des Amtsarztes vorgelegt worden. Auf Grund dieser Beweismittel und der Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens ergebe sich folgendes:
Hinsichtlich des Kubaturgewinnes durch die Verlegung der Zufahrtsstraße sei der Berufungsumfang eingeschränkt worden, insofern sich die Berufung nicht auf jene Zufahrtsstraße beziehe. Andererseits werde in der Berufung vorgebracht, daß im erstinstanzlichen Verfahren betreffend die Erteilung der Errichtungsbewilligung bereits festgestellt worden sei, eine Verlegung der Zufahrtsstraße stelle eine wesentliche Änderung dar. Dazu werde festgestellt, daß in der Begründung des genannten Bescheides von einer "wesentlichen Projektsänderung" die Rede sei. Dies sei insofern von Bedeutung, als in einem Antragsverfahren wie dem vorliegenden eine Bewilligung entweder zu erteilen oder zu versagen sei. Nähere Aufträge seien durch Vorschreibung von Auflagen zu erteilen. Projektsändernde Auflagen seien unzulässig; eine solche Projektsänderung wäre bei einer Vorschreibung zur Umlegung der Zufahrtsstraße vorgelegen. Das Projekt sei daher in der eingereichten Form bewilligt worden. Daraus sei zu entnehmen, daß eine "wesentliche Projektsänderung" begrifflich nicht ident sei mit einer "wesentlichen Änderung der Anlage", weshalb diesen Argumenten des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren keine Bedeutung zugemessen worden sei. Dem Berufungseinwand, daß der Zweck der Anlage (Sanierung) nicht erfüllt sei, wenn "neue" Abfälle gelagert würden, wird entgegengehalten, daß das mit dem Bescheid von 1988 bewilligte Projekt auch die Einbringung "neuer" Abfälle vorsehe. Im Zusammenhang mit der zeitlichen Verlängerung der Deponierung werde die dadurch verlängerte Geruchsbelästigung als Argument gegen die Erteilung der Betriebsbewilligung angeführt. Dem Auftreten von Geruchsstoffen sei durch die Vorschreibung von Auflagen entgegengewirkt worden (Punkt 23 der Errichtungsbewilligung in Verbindung mit Punkt 6 des erstinstanzlichen Bescheides). Bei der Erteilung einer Bewilligung seien die Grundsätze des § 3 des OÖ Abfallgesetzes einzuhalten, wonach die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen nicht gefährdet oder in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Es sei daher nicht erforderlich, die Geruchsbildung bei Deponieanlagen generell zu unterbinden, sondern es dürfe die Geruchsemission das Maß der Zumutbarkeit nicht überschreiten. Die Einhaltung dieses Grundsatzes werde durch die erwähnten Auflagen sichergestellt. Daß im erstinstanzlichen Verfahren derselbe Sachverständige als Gutachter für Deponietechnik wie im Rechtsmittelverfahren herangezogen worden sei, könne keinen Verfahrensmangel begründen, weil die Berufungsbehörde keinen Anlaß habe, an der fachlichen Qualifikation des Gutachters zu zweifeln. Mit der Abweichung vom bewilligten Projekt sei eine Schaffung zusätzlichen Deponievolumens verbunden. Bei der Beurteilung, ob in dieser Volumsvergrößerung eine mehr als geringfügige Abweichung vom bewilligten Projekt zu erblicken sei, müsse eine Betrachtung des gesamten Projektes erfolgen. Dem Argument des Beschwerdeführers, daß sowohl in der Deponieeintiefung als auch in der Deponieaufhöhung eine wesentliche Abänderung der Anlage gelegen sei, könne nicht beigepflichtet werden. Dies deshalb, weil bei der Beurteilung dieser Frage von der im § 24 Abs. 1 des OÖ Abfallgesetzes enthaltenen Legaldefinition einer wesentlichen Änderung oder Erweiterung auszugehen sei. Demnach liege eine wesentliche Änderung oder Erweiterung nur dann vor, wenn sie geeignet sei, private Rechte oder öffentliche Interessen zu beeinflussen. Eine Erweiterung liege nicht vor, weil die in der Niederschrift der Behörde erster Instanz vom 15. Mai 1990 festgehaltenen Änderungen keine zusätzlichen Deponieflächen in Anspruch nähmen. Eine geänderte Ausführung der Anlage sei im Verfahren erster Instanz festgestellt und von der mitbeteiligten Partei nicht bestritten worden. Streitpunkt bleibe die Frage der Wesentlichkeit der Änderung. Ausgehend von der zitierten Legaldefinition sei die Eignung der Änderung, private Rechte oder öffentliche Interessen zu beeinflussen, zu prüfen. Gerade im Hinblick auf die Beeinflussung privater Rechte ergebe sich aus den durchgeführten Abänderungen, daß eine idente Anlage vorliege, wenn auch mit erhöhtem Volumen, weshalb die selben Auswirkungen zu erwarten seien, über die bereits im Rahmen der Errichtungsbewilligung 1988 abgesprochen worden seien. Da durch die Abänderung keine fremden Rechte beeinflußt würden, sei von einer Geringfügigkeit der Änderung auszugehen. Zum Einwand der zeitlichen Verlängerung des Deponiebetriebes wird ausgeführt, daß in den Projektsunterlagen die Beendigung des Betriebes im Jahre 1993 rechnerisch ermittelt worden sei. Die Bewilligung enthalte aber keine zeitliche Befristung, sodaß diesem Argument im gegenständlichen Verfahren keine Bedeutung zukomme. Daß eine Umlagerung nicht möglich sei, sondern dazu eine Aufhöhung (im Bereich des zweiten Deponieabschnittes) erfolgt sei, sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß als rechtliche Voraussetzung für die Umlagerung eine Betriebsbewilligung vorliegen müsse. Die Frage der technischen Durchführung der Umlagerung bilde nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die nicht projektgemäße Ausgestaltung habe zur Bewilligung der Abänderungen gegenüber dem vorher bewilligten Projekt geführt. Die Unterlassung der Umlagerung im Rahmen des durchzuführenden Betriebsbewilligungsverfahrens betreffend den zweiten Deponieabschnitt werde neuerlich die Frage nach einer wesentlichen bzw. geringfügigen Abänderung des Projektes aufwerfen. Gerade die Abänderungen gegenüber dem bewilligten Projekt hätten ihren Ursprung in der Verminderung der Geruchsbelästigung. Der Argumentation des Beschwerdeführers, daß der beigezogene Amtsarzt keine abschließende Beurteilung aus hygienischer Sicht abgeben habe können, könne nicht beigepflichtet werden. Die Grundlagen basierten auf eigenen Wahrnehmungen (offenbar des Amtssachverständigen) und eine ausreichende Beurteilung sei möglich gewesen, weil auf das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens und die zusätzlichen Wahrnehmungen zurückgegriffen haben werden können. Auch sei die Genehmigung unter Vorschreibung bestimmter Auflagen erteilt worden. Die "Zweifel" am Privatgutachten des von der mitbeteiligten Partei beauftragten Arztes über die darin angeführten Erkrankungen gingen "insoweit ins Leere, als diese Ausführungen auf subjektiven Erfahrungen des Gutachters beruhten und auf Grund der eigenen Erkrankung des Beschwerdeführers und deren Verlauf im Hinblick auf die kalte Jahreszeit keine Verallgemeinerung dieser Zweifel" zulasse. Gleiches sei bezüglich der Ausführungen zu vermerken, die sich auf Auskünfte einer Apotheke bezögen. Dem Beschwerdeführer sei beizupflichten, daß dem Amtssachverständigen bei der Erstellung des Gutachtens das Vorbringen vom 29. Mai 1991 nicht bekannt gewesen sei. Soweit sich die Ausführungen in der genannten Stellungnahme auf den medizinischen Bereich bezögen, sei eine weitere Begründung nicht erforderlich, weil auf Grund der sonstigen Verfahrensergebnisse die vorliegende Entscheidung ausreichend "begründbar" erscheine. Das vom Beschwerdeführer bemängelte Fehlen einer Massenberechnung sei nicht wesentlich, die gutachtlichen Ausführungen beruhten zwar auf einer Schätzung, doch sei diese ausreichend, um genügend Anhaltspunkte zur Begründung der Entscheidung zu liefern, weil der Volumensgewinn nicht als ausschließliches Beurteilungskriterium heranzuziehen sei. Eine Änderung der Schüttreihenfolge auf den Deponieabschnitten I und II vermöge die Rechte des Beschwerdeführers nicht zu beeinflussen. Für die Beurteilung, ob die Grundsätze des § 3 OÖ Abfallgesetz eingehalten würden, sei es unbeachtlich, in welcher Reihenfolge Tätigkeiten auf den jeweiligen Deponieabschnitten entfaltet würden. In diesem Zusammenhang sei es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wohl zulässig, ja sogar geboten die Abweichungen vom bewilligten Projekt in Relation zur gesamten Deponie zu stellen. Allerdings sei dabei insofern eine Einschränkung zu beachten, als lediglich die Abweichungen des ersten Deponieabschnittes in Relation zur Gesamtdeponie zu setzen seien. Eine Abweichung innerhalb des zweiten Deponieabschnittes könne gegebenfalls eine wesentliche Änderung des Vorhabens nach sich ziehen und aus diesem Grund eine neuerliches Bewilligungsverfahren erforderlich machen. Wegen der ausreichenden und zutreffenden Beurteilung des Sachverhaltes, "an dessen Schlüssigkeit keine Zweifel zu stellen seien", könne von der beantragten Erstellung eines neuen Gutachtens Abstand genommen werden. Auf die angeführten Kosten, die mit der Verwirklichung des Projektes verbunden seien, brauche nicht eingegangen werden, weil dieser Teil der Stellungnahme nicht als Argument für die Begründung einer wesentlichen Änderung vorgebracht worden sei und diesem Faktor keine Bedeutung zukomme. Wegen der nichtvorliegenden Beeinflussung privater Rechte und der Einhaltung der Grundsätze des § 3 OÖ Abfallgesetz stelle die gegebene Abweichung vom bewilligten Projekt keine wesentliche Änderung im Sinn des § 24 des Gesetzes dar. Der Vollständigkeit halber werde angemerkt, daß die Oberflächengestaltung bei der Entscheidung außer acht zu bleiben gehabt habe; alle im Zusammenhang mit der in Auftrag gegebenen Gestaltung der künftigen Deponieoberfläche im Zusammenhang stehenden Ausführungen seien bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden.
Gegen den den Beschwerdeführer betreffenden Abspruch (Punkt II) des Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichterteilung der Betriebsbewilligung für die gegenständliche Mülldeponie der mitbeteiligten Partei, insbesondere auf Nichtgenehmigung der von der mitbeteiligten Partei vorgenommenen wesentlichen Abweichungen vom genehmigten Projekt, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften und weiteren ergänzenden Schriftsätzen der Parteien erwogen:
Im Beschwerdefall ist noch das OÖ Abfallgesetz, LGBl. Nr. 1/1975, anzuwenden. Dies folgt aus dem klaren Wortlaut der Übergangsbestimmung des § 45 Abs. 12 des O.ö. Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 28/1991, wonach alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängigen Verfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften weiterzuführen sind. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes mit 1. Jännner 1991 und dem gleichzeitigen Außerkrafttreten des OÖ Abfallgesetzes mit 1. Jänner 1991 (§ 46) ist im gegenständlichen Verfahren noch altes Recht anzuwenden. Für die Rechtsauffassung der mitbeteiligten Partei in der Gegenschrift, wonach Einwendungen des Beschwerdeführers nach Ablauf der Berufungsfrist anders zu beurteilen wären, fehlt jede rechtliche Grundlage.
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des OÖ Abfallgesetzes haben folgenden Wortlaut:
"§ 24
Bewilligung
(1) Die Errichtung von Müllbeseitigungsanlagen (einschließlich Müllzwischenlagerstätten) für Zwecke der öffentlichen Müllbeseitigung (§ 23 Abs. 1) bedarf einer schriftlichen Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde. Das gleiche gilt für wesentliche Änderungen und Erweiterungen solcher Anlagen. Wesentlich ist eine Änderung oder Erweiterung dann, wenn sie geeignet ist, private Rechte oder öffentliche Interessen zu beeinflussen (§ 3).
(10) Anlagen, die gemäß Abs. 1 einer Bewilligung bedürfen, dürfen nach ihrer Fertigstellung erst in Betrieb genommen werden, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde die Bewilligung hiezu schriftlich erteilt hat (Betriebsbewilligung). Die Betriebsbewilligung ist zu erteilen, wenn die Anlage (Änderung, Erweiterung) entsprechend der Bewilligung nach Abs. 1 ausgeführt wurde und den in § 3 angeführten Grundsätzen entspricht. Die Betriebsbewilligung ist an Bedingungen und Auflagen zu binden, soweit dies zur Erfüllung der Vorschriften dieses Gesetzes und der zu seiner Ausführung erlassenen Verordnungen erforderlich ist. Vor der Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Betriebsbewilligung ist ein Gutachten der jeweils erforderlichen Sachverständigen einzuholen. Bei der Überprüfung festgestellte Abweichungen von der Bewilligung nach Abs. 1 können ohne Durchführung eines neuen Verfahrens im Rahmen der Betriebsbewilligung bewilligt werden, wenn die Abweichungen geringfügig sind und die im § 3 angeführten Grundsätze nicht verletzt werden."
Im Beschwerdefall ist vor allem die Auslegung des letzten Satzes des Abs. 10 der zitierten Bestimmung strittig. Während die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei die Rechtsauffassung vertreten, der in dieser Norm enthaltene Begriff der geringfügigen Abweichung entspreche jenem einer unwesentlichen Änderung und Erweiterung im Sinne des Abs. 1 der Bestimmung, sodaß die Legaldefinition der Wesentlichkeit im letzten Satz des Abs. 1 auch auf die Geringfügigkeit der Abweichungen von der Bewilligung nach Abs. 1 anzuwenden sei, vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, die Begriffe "geringfügig" und "wesentlich" stünden nicht in einem derartigen Zusammenhang, daß die Definition der § 24 Abs. 1 letzter Satz auch für die Frage der Geringfügigkeit im Sinne des Abs. 10 letzter Satz herangezogen werden dürfe.
Für die Auslegung des Beschwerdeführers spricht der klare Wortlaut des Gesetzes, das zur Regelung innerhalb eines Paragraphen verschiedene Wörter verwendet. Gerade dann, wenn der Gesetzgeber innerhalb einer Vorschrift ähnliche Konstellationen mit verschiedenen Worten umschreibt, ist daraus offensichtlich dessen Wille zu erschließen, eine Differenzierung vorzunehmen. Dazu kommt, daß die Wörter "geringfügig" und "(un)wesentlich" tatsächlich verschiedene Bedeutungen haben. Das Wort "geringfügig" bedeutet nämlich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. Duden, Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Band, S. 1004) unbedeutend, nicht ins Gewicht fallend, belanglos; die Geringfügigkeit dementsprechend Unbedeutendheit, Belanglosigkeit oder eine unwichtige, nebensächliche Sache, Kleinigkeit. Demgegenüber bedeutet das Wort wesentlich (aaO. 6. Band, S. 2871) den Kern einer Sache ausmachend und daher besonders wichtig; von entscheidender Bedeutung, grundlegend, essentiell. Mit dem Wort "geringfügig" hat der Gesetzgeber daher begrifflich einen anderen Gegenstand bezeichnet, als er sich bei Verwendung des Wortes "unwesentlich" erschließen läßt.
Aber auch die Systematik des Gesetzes spricht dagegen, eine geringfügige Abweichung im Sinn des Abs. 10 letzter Satz mit einer nicht wesentlichen Abänderung oder Erweiterung einer Anlage im Sinne des Abs. 1 desselben Paragraphen gleichzusetzen. Nach dem Regelungsinhalt betrifft nämlich der Abs. 1 die Anlagenbewilligung, während der Abs. 10 die Betriebsbewilligung einer Müllbeseitigungsanlage zum Regelungsinhalt hat. Diese Unterscheidung ist, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, streng vorzunehmen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde hätte nämlich zur Folge, daß jede Änderung und Erweiterung der Anlage unter der Voraussetzung im Betriebsbewilligungverfahren genehmigt werden könnte, daß sie nicht geeignet ist, private Rechte oder öffentliche Interessen zu beeinflussen (§ 24 Abs. 1 letzter Satz). Damit wäre aber für die Bestimmung des Abs. 10 letzter Satz ein Regelungsüberschuß anzunehmen, weil der Nebensatz "und die im § 3 angeführten Grundsätze nicht verletzt werden" schon durch den Verweis auf § 3 am Schluß des § 24 Abs. 1 vom Regelungsinhalt erfaßt wäre. Dem Gesetzgeber ist aber nicht zuzumuten, daß er innerhalb eines Paragraphen ein überflüssige - weil doppelte - Normierung der gleichen Voraussetzung vorgenommen hat.
Die unrichtige Auslegung der Bestimmung des § 24 Abs. 10 letzter Satz OÖ Abfallgesetz durch die belangte Behörde hat zur Folge, daß eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers über die mengenmäßige Abweichung der Anlage von der Anlagenbewilligung nicht erfolgt ist. Die Fragen der Zufuhr, der Höhe der Ablagerung bzw. der Vertiefung der Anlage sind für die Frage der Geringfügigkeit nicht ohne Bedeutung. Ebenso kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß durch eine nicht nur geringfügige Vermehrung des Ablagerungsgutes auch die Belastung privater Interessen voraussichtlich durch einen erheblich längeren Zeitraum erfolgen werde, Bedeutung zu.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid aber auch in einer zweiten Richtung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Zutreffend rügt der Beschwerdeführer nämlich, daß bei der Betriebsbewilligung des ersten Abschnittes der Mülldeponie hinsichtlich der Frage der Abweichungen vom Projekt von demselben Abschnitt der Anlagengenehmigung auszugehen ist und dieser allein der Maßstab sein kann, an dem die beantragte Betriebsbewilligung zu messen ist. Dies schon deshalb, weil eine Müllbeseitigungsanlage, die abschnittsweise in Betrieb genommen werden soll, jedenfalls an der bestimmte Abschnitte bezeichnenden Anlagengenehmigung des jeweils in Betrieb zu nehmenden Abschnittes zu messen ist. Eine Berücksichtigung der Gesamtanlage bei Erteilung einer Betriebsbewilligung für einen Abschnitt sieht das Gesetz nicht vor; dies widerspräche auch dem Zweck der Regelung, die nach Bewilligung der Anlage eine besondere Betriebsbewilligung fordert. Die zum Schutz der privaten und öffentlichen Interessen vorzunehmende Prüfung hat sich in diesem Verfahren an die Anlagengenehmigung anzuschließen, sodaß bei der Betriebsbewilligung des ersten Abschnittes nicht etwa das Maß der Geringfügigkeit durch Berücksichtigung weiterer Abschnitte der bewilligten Anlage, deren Betrieb noch nicht beantragt wird, überschritten werden darf.
Der angefochtene Bescheid mußte daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991120219.X00Im RIS seit
11.07.2001