TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/18 87/17/0147

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Veröffentlicht am 18.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
32/04 Steuern vom Umsatz;
37/02 Kreditwesen;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
KWG 1979 §1 Abs2;
KWG 1979 §1 Abs3;
KWG 1979 §5 Abs1 Z1;
KWG 1979 §6 Abs1;
KWG 1979 §6;
StGG Art6 Abs1;
UStG 1972 §2 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der E-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 5. Februar 1987, Zl. 23 5410/36-V/13/86, betreffend Zurücknahme einer Konzession gemäß § 6 Abs. 1 Kreditwesengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 5. Februar 1987 wurden die der Beschwerdeführerin zustehenden Berechtigungen zum Betrieb der näher bezeichneten Bankgeschäfte gemäß § 6 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes - KWG, BGBl. Nr. 63/1979 in der Fassung BGBl. Nr. 325/1986, zurückgenommen.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, im Rahmen der erteilten Berechtigungen sei die Beschwerdeführerin im Zeitraum zwischen 1. Jänner 1984 und dem 21. April 1986 mit sieben Partnern Geschäftsbeziehungen eingegangen. Hievon seien zwischen dem 1. Jänner 1985 und dem 21. April 1986 zwei "Neuerwerbungen" betroffen gewesen, wobei es sich in diesen Fällen um zwei Garantieerklärungen gegenüber österreichischen Banken im geringen Umfang (S 1,4 Mio bzw. S 500.000,--) gehandelt habe, deren Zweck im letztlich erfolglosen Versuch bestanden habe, mit den anerklärten Banken Geschäftsbeziehungen zu knüpfen. Bei den sonstigen Engagements habe es sich um Kreditgewährungen im Zusammenhang mit Exportgeschäften (in der Regel durch Wechseldiskont) gehandelt. Die Refinanzierung der genannten Aktivitäten sei durch Eigenkapital der Gesellschaft sowie durch eine Zwischenbankeinlage einer österreichischen Kreditunternehmung, die als einzige Bank bereit gewesen sei, die Beschwerdeführerin zu refinanzieren, erfolgt. Diese Refinanzierungslinie sei im Frühjahr 1986 gestrichen worden. Zum 21. April 1986 habe die Gesellschaft, abgesehen von einer Restkaufpreisforderung für verkaufte Wechsel an eine ausländische Bank in Höhe von 175.000,-- US Dollar über keinen einzigen Posten aus einem eigenen Aktivgeschäft verfügt. Es hätten im Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1984 und dem 21. April 1986 Treuhandbeziehungen zu einzelnen Banken in geringem Umfang bestanden, bei denen die Beschwerdeführerin lediglich die Aufgabe einer Abrechnungsstelle ausgeübt und selbst kein Obligo übernommen habe. Die aufsummierten Volumina der bankgeschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft zu den jeweiligen Monatsletzten im Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1984 und dem 30. April 1986 hätten die aus der Beilage zum Bescheid ersichtlichen Ausmaße betragen. Diese Beilage sei Bestandteil der Bescheidbegründung. Andere Bankgeschäfte seien zwischen dem 1. Jänner 1984 und dem 21. April 1986 nicht durchgeführt worden. Die Eigenmittel der Gesellschaft hätten bei einem Stammkapital von S 40 Mio zum 21. April 1986 rund S 17 Mio betragen. An monatlichem laufenden Aufwand sei von der Gesellschaft rund S 1 Mio verbraucht worden.

Wie es in der Begründung weiters heißt, sei daher rechtlich zu beurteilen, ob die festgestellten Tätigkeiten überhaupt als "Aufnahme" eines Geschäftsbetriebes seit Erteilung der Konzession bzw. als "Ausübung" des Geschäftsbetriebes zu werten seien. Hinsichtlich der erteilten Berechtigung zum Betrieb des Depotgeschäftes sei festzustellen, daß für den Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1984 und dem 21. April 1986 kein einziger Geschäftsfall vorgelegen sei. Alle anderen Berechtigungen seien durch die seit dem 1. Jänner 1984 festgestellten Transaktionen zumindest theoretisch miterfaßt gewesen.

In der rechtlichen Beurteilung heißt es sodann, § 1 Abs. 2 des Kreditwesengesetzes zähle demonstrativ Tätigkeiten auf, die unter der Voraussetzung, daß diese gewerblich und nach der Verkehrsauffassung dem Geschäftsbereich der Kreditunternehmungen zuzuordnen seien, Bankgeschäfte seien. Ohne diese Voraussetzungen seien einzelne Transaktionen nicht als Bankgeschäfte zu qualifizieren. Die Verkehrsauffassung setze hinsichtlich der bankbetrieblichen Tätigkeit einen "gewissen zahlen- und umsatzmäßigen Umfang" voraus, der sich u. a. in der Mindestausstattung der Banken mit Eigenkapital gemäß § 12 Abs. 3 des Kreditwesengesetzes widerspiegle. Die von der Gesellschaft im Zeitraum vom 1. Jänner 1984 bis 21. April 1986 abgewickelten Geschäfte könnten weder von der Zahl noch vom Umsatz gesehen als bankbetrieblicher Geschäftsbetrieb bezeichnet werden. Nach dem Wegfall der letzten Refinanzierungslinie sei die Gesellschaft auch passivseitig nicht mehr in der Lage, bankbetrieblich entsprechende Aktivgeschäfte anzubieten. Für die Berechtigung zur Durchführung des Depotgeschäftes und für das Devisen- und Valutengeschäft sei gemäß § 6 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes der zweijährige Unterlassungszeitraum, für alle übrigen Berechtigungen der einjährige Unterlassungszeitraum anzuwenden. Diese Fristen seien jeweils verstrichen. Da somit in den gesetzliche vorgesehenen Zeiträumen keine Bankgeschäfte im Sinne des Kreditwesengesetzes betrieben worden seien, sei von der Behörde letzlich zu prüfen, in welcher Weise das ihr gesetzlich nach § 6 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes eingeräumte Ermessen im gegenständlichen Fall auszuüben sei. Es folgen sodann Ausführungen zur Ermessensübung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach ihrem gesamten Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtzurücknahme der erteilten Berechtigungen verletzt. Das Beschwerdevorbringen geht im wesentlichen dahin, es fehle die Beweiswürdigung, warum eine mangelnde Gewerbsmäßigkeit der Geschäfte der Beschwerdeführerin und die geschäftspolitische Abstinenz angenommen worden seien. Selbst auf Grund der vorhandenen Unterlagen und der Feststellungen der belangten Behörde, insbesondere der zugegebenen Geschäftsfälle, hätte die belangte Behörde den Sachverhalt dahingehend beurteilen müssen, daß eben diese Gewerbsmäßigkeit vorliege. Die Beschwerdeführerin habe nach wie vor versucht und sei es ihr auch gelungen, Geschäfte abzuschließen, sodaß von einer Nichtausübung der Berechtigung der Beschwerdeführerin innerhalb der Zeiträume von zwei Jahren bzw. einem Jahr keinesfalls die Rede sein könne. Auch seien die von der belangten Behörde ausgesprochenen Erwägungen "nicht gegenständlich" für die Ermessensentscheidung im Sinne des § 6 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Absätze 1 bis 3 des § 1 KWG haben folgenden Wortlaut:

"(1) Wer auf Grund dieses Bundesgesetzes oder besonderer bundesgesetzlicher Regelungen berechtigt ist, Bankgeschäfte zu betreiben, ist eine Bank.

(2) Bankgeschäfte sind jene gewerblichen Tätigkeiten, die nach der Verkehrsauffassung dem Geschäftsbereich der Banken zuzuordnen sind. Bankgeschäfte sind unter diesen Voraussetzungen insbesondere:

1. die Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage (Einlagengeschäft);

2. die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs in laufender Rechnung für andere (Girogeschäft);

3. der Abschluß von Geldkreditverträgen und die Gewährung von Gelddarlehen (Kreditgeschäft);

4. der Kauf von Schecks und Wechseln, insbesondere die Diskontierung von Wechseln (Diskontgeschäft);

5. die Anschaffung, Veräußerung sowie die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (Effekten- und Depotgeschäft);

6. der Handel mit ausländischen Zahlungsmitteln (Devisen- und Valutengeschäft) sowie der schaltermäßige Ankauf von ausländischen Zahlungsmitteln (z.B. Geldsorten, Schecks, Reisekreditbriefen, und Anweisungen) und der schaltermäßige Verkauf von ausländischen Geldsorten und Schilling-Reiseschecks (Wechselstubengeschäft);

7. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Haftungen für andere, sofern die übernommene Leistung in Geld zu erfolgen hat (Garantiegeschäft);

8. die Ausgabe von Pfandbriefen, Kommunalschuldverschreibungen und fundierten Bankschuldverschreibungen und die Veranlagung ihres Erlöses nach den hiefür geltenden besonderen Rechtsvorschriften (Wertpapieremissionsgeschäft);

9. die Ausgabe anderer festverzinslicher Wertpapiere zur Veranlagung des Erlöses in anderen Bankgeschäften (sonstiges Wertpapieremissionsgeschäft);

10. die Verwaltung von Kapitalanlagefonds und die Werbung für den Erwerb von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalanlagefonds und ähnlichen Einrichtungen nach dem Investmentfondsgesetz, BGBl. Nr. 192/1963 (Investmentgeschäft);

11. das Finanzierungsgeschäft durch Erwerb von Anteilsrechten und deren Weiterveräußerung (Kapitalbeteiligungsgeschäft);

12. die Errichtung oder Verwaltung von Beteiligungsfonds nach dem Beteiligungsfondsgesetz, BGBl. Nr. 111/1982 (Beteiligungsfondsgeschäft);

13. der Ankauf von Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen, die Übernahme des Risikos der Einbringlichkeit solcher Forderungen - ausgenommen die Kreditversicherung - und im Zusammenhang damit der Einzug solcher Forderungen (Factoringgeschäft);

14. die Vermittlung von Geschäften nach Z. 1 , Z. 3, ausgenommen die behördlich konzessionierte Vermittlung von Hypothekardarlehen und Personalkrediten (§§ 259 und 267 der GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974), Z. 4, Z. 6, soweit diese das Devisengeschäft betrifft, sowie Z. 7.

(3) Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, durch Verordnung festzustellen, ob andere als die im Abs. 2 bezeichneten Tätigkeiten Bankgeschäfte sind. Hiebei hat er auf das volkswirtschaftliche Interesse und den Schutz der Gläubiger Bedacht zu nehmen."

Nach § 6 Abs. 1 KWG kann der Bundesminister für Finanzen die Konzession zurücknehmen, wenn der Geschäftsbetrieb, auf den sie sich bezieht, nicht innerhalb von zwei Jahren seit der Erteilung der Konzession aufgenommen oder ein Jahr lang nicht ausgeübt worden ist.

Der Abs. 1 des § 6 KWG sieht somit zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände vor: Einerseits den Fall der Nichtaufnahme des Geschäftsbetriebes innerhalb von zwei Jahren und andererseits den Fall, daß der Geschäftsbetrieb ein Jahr lang nicht ausgeübt wurde. Aus dem Zusammenhalt ist zu ersehen, daß der Fall der "Nichtausübung" eine (einmal erfolgte) Aufnahme des Geschäftsbetriebes voraussetzt.

Der GESCHÄFTSBETRIEB (auf den sich die Konzession bezieht) ist AUFGENOMMEN, sobald EIN - unter dem Konzessionsvorbehalt stehendes - Bankgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 2 KWG getätigt wird. Abgesehen vom Inhalt (vgl. die demonstrative Aufzählung der Bankgeschäftstypen in den Ziffern 1 bis 14 KWG) knüpft § 1 Abs. 2 KWG die Qualifikation eines Rechtsgeschäftes als Bankgeschäft daran, daß es "gewerblich" betrieben wird (anders § 1 d KWG, der darauf abstellt, daß die dort aufgezählten Tätigkeiten von einem Unternehmen in einem Umfang betrieben werden, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert; vgl. dazu auch (Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, Rz. 3 und 6 zu § 1). Nach den Materialien (Regierungsvorlage, 844 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XIV. GP, S 37, sowie Bericht des Finanz- und Budgetausschusses, 1124 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XIV. GP, S 1) ist der im § 1 Abs. 2 KWG vorausgesetzte Begriff "gewerblich" im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1972 zu verstehen. In diesem Sinne ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gewerblich, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.

Legt man nun zugrunde, daß bereits eine einmalige Handlung eine gewerbliche im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1972 sein kann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles auf eine Wiederholungsabsicht geschlossen werden kann (Laurer in Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Ruess, Kommentar zum Kreditwesengesetz2, Rz. 6 zu § 1 m.w.H.), so genügt - unter dieser Voraussetzung - schon der Abschluß eines Geschäftes für die Aufnahme des Geschäftsbetriebes (vgl. Laurer a.a.O., Rz. 5 zu § 6).

Demgegenüber setzt die "AUSÜBUNG" DES GESCHÄFTSBETRIEBES - in Abgrenzung zu dessen Aufnahme - ein weiteres Handeln voraus: Es ist erforderlich, daß weitere (gleichartige) Bankgeschäfte im Sinne eines auf Dauer angelegten Geschäftsbetriebes zur Erzielung von Einnahmen folgen. Der von Laurer (a.a.O., Rz. 5 zu § 6) vertretenen Rechtsmeinung, wonach der Umstand allein, daß eine bestimmte Art von Bankgeschäften seit einem Jahr nicht mehr ausgeübt werde, nicht ausreiche, sondern vielmehr noch die geschäftspolitische Abstinenz treten müsse, die darin bestehe, daß die Bank für derartige Geschäfte nicht werbe, sich weigere, solche Geschäfte zu schließen etc., vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Kommt es doch eben auf die Ausübung von - unter Konzessionsvorbehalt stehenden - Bankgeschäften an und nicht bloß auf ein darauf gerichtetes geschäftspolitisches Handeln.

Die belangte Behörde verkannte nun insoweit die Rechtslage, indem sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausging, die "bankbetriebliche Tätigkeit" setzte nach der Verkehrsauffassung einen "gewissen zahlen- und umsatzmäßigen Umfang" voraus.

Nach der Regierungsvorlage (a.a.O., S 37) geht der Gesetzgeber davon aus, daß der Begriff der Bankgeschäfte nach Inhalt und Umfang kein feststehender, in sich geschlossener Begriff sei, sondern sich mit der Weiterentwicklung des Wirtschaftslebens wandle (die Regierungsvorlage bezieht sich damit offenkundig auf das hg. Erkenntnis vom 9. März 1976, Zl. 1886/75). Außer einer allgemeinen Definition, die der Verkehrsauffassung der wirtschaftlich beteiligten Kreise Raum gebe, werde der Begriff des Bankgeschäftes nur beispielsweise umschrieben. Allen Bankgeschäften sei es jedoch gemeinsam, daß es sich hiebei um gewerbliche Tätigkeiten handeln müsse. Der Gesetzgeber ging somit erkennbar davon aus, daß die im § 1 Abs. 2 KWG beispielsweise umschriebenen (gewerblichen) Geschäfte jedenfalls Bankgeschäfte sind; die Frage, ob DIESE (gewerblichen) Geschäfte nach der Verkehrsauffassung Bankgeschäfte sind, hat der Gesetzgeber in feststellender Art positiv-rechtlich gelöst (vgl. auch § 1 Abs. 3 KWG). Ein Geschäft, dessen Typus bereits durch die Aufzählung und nähere Umschreibung im Gesetz als Bankgeschäft festgelegt ist, ist nicht neuerlich dahin zu untersuchen, ob es nach der Verkehrsauffassung ein Bankgeschäft ist (so auch Laurer a.a.O., Rz. 5 zu § 1 m.w.H.).

Da es bei den demonstrativ aufgezählten Typen von Bankgeschäften auf die Verkehrsauffassung nicht (mehr) ankommt, hat es auch dahingestellt zu bleiben, ob eine derartige Verkehrsauffassung, welche "hinsichtlich der bankbetrieblichen Tätigkeit einen gewissen zahlen- und umsatzmäßigen Umfang" voraussetze, vorliegt. Daß aber mit dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwendeten Begriff der "bankbetrieblichen Tätigkeit" das Betreiben von Bankgeschäften - und zwar bezogen auf den Begriff des Bankgeschäftes nach § 1 Abs. 2 KWG und nicht auf jenen der "Ausübung des Geschäftsbetriebes" nach § 6 Abs. 1 zweiter Fall KWG - gemeint ist, ist entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretenen Auffassung nicht zweifelhaft; ergibt sich dies doch schon aus der (zusammenfassenden) Wertung im angefochtenen Bescheid, daß "in den gesetzlich vorgesehenen Zeiträumen keine Bankgeschäfte im Sinne des Kreditwesengesetzes betrieben wurden".

Wenn in diesem Zusammenhang die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Rechtsmeinung vertritt, daß der Begriff "Ausübung des Geschäftsbetriebes" weiter gefaßt sei (als der Begriff des Bankgeschäftes nach § 1 Abs. 2 KWG) und der Geschäftsbetrieb einer Bank einen "gewissen zahlen- und umsatzmäßigen Umfang an EINZELNEN Bankgeschäften" voraussetze, so ist folgendes zu sagen:

Wie bereits oben ausgeführt, setzt die "Ausübung" des Geschäftsbetriebes voraus, daß weitere (gleichartige) Bankgeschäfte im Sinne eines auf Dauer angelegten Geschäftsbetriebes zur Erzielung von Einnahmen folgen.

Mit der Konzession zum Betrieb von Bankgeschäften wird unter anderem festgestellt, daß die beabsichtigte Tätigkeit dem örtlichen Bedarf (und dem volkswirtschaftlichen Interesse) entspricht; dies kommt in der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 1 Z. 1 KWG zum Ausdruck, wonach die Konzession zu versagen ist, wenn die beabsichtigte Tätigkeit nicht dem örtlichen Bedarf (oder dem volkswirtschaftlichen Interesse) entspricht. Wie jede Bedarfsprüfung dient auch die im KWG vorgesehene Regelung, daß eine Konzession zu versagen ist, wenn die beabsichtigte Tätigkeit nicht dem örtlichen Bedarf entspricht, dem Konkurrenzschutz bestehender Unternehmungen. Einen solchen Konkurrenzschutz hat der Verfassungsgerichtshof nur dann als mit dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit vereinbar angesehen, wenn besondere Gründe für eine derartige Einschränkung sprechen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1989, Slg. 12.098). Wie der Verfassungsgerichtshof im vorzitierten Erkenntnis vom 22. Juni 1989 ausgeführt hat, rechtfertigen es die Tatsache, daß die Banken ihre Tätigkeit in einem sogenannten volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich ausüben, von dessen Funktionieren weite Teile der Volkswirtschaft abhängig sind, sowie vor allem auch die Tatsache der besonderen Schutzbedürftigkeit der Einleger und sonstiger Gläubiger von Kreditunternehmungen, die Erwerbsausübungsfreiheit neuer Bewerber im Interesse des Schutzes bestehender Bankunternehmungen und ihrer Kunden durch die Einrichtung einer Bedarfsprüfung einzuschränken.

Das Rechtsinstitut der Zurücknahme einer Konzession nach § 6 Abs. 1 KWG dient ersichtlich dem Zweck, zu erreichen, daß der Konzessionär von der im öffentlichen Interesse als notwendig erkannten Konzession auch tatsächlich durch Aufnahme und "Ausübung" des Geschäftsbetriebes Gebrauch macht; es sollte durch Nichtbetrieb der konzessionierten Tätigkeit die Prüfung nach § 5 Abs. 1 Z. 1 KWG für (neue) Bewerber - zumindest am gleichen Ort - nicht insoweit verschärft werden. Das Gesetz sieht die Ermächtigung zur Konzessionszurücknahme im Grunde des § 6 Abs. 1 KWG vor, weil ein öffentliches ordnungspolitisches Interesse daran besteht, daß vor dem Hintergrund des Art. 6 StGG und der Bedarfsprüfung des KWG Standorte nicht "blockiert" werden (können), obwohl an sich der Konzession ein Bedarf zugrundeliegt, den ein anderer Bewerber befriedigen könnte.

Aus diesem Schutzzweck der Regelung in seinem normativen Gefüge läßt sich ableiten, daß beim (negativen) Tatbestandsmerkmal "Geschäftsbetrieb ... nicht ausgeübt" von einem Begriffsinhalt auszugehen ist, der einen MINDESTUMFANG von Bankgeschäften (als gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 KWG) voraussetzt, um NOCH von einer "Ausübung" des Geschäftsbetriebes einer Bank sprechen zu können. Dieser als Beurteilungsmaßstab jeweils konkret zugrundezulegende Mindestumfang ist nach objektiven Beurteilungsmethoden auf der Grundlage vergleichbarer Bankunternehmen (am Markt) zu ermitteln; und zwar bezogen auf die jeweiligen Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 2 DWG. Das im § 6 Abs. 1 KWG eingeräumte Ermessen soll hiebei eine Elastizität der Handhabung (auch) insoweit gewährleisten, daß bei einer allfälligen "partiellen Zurücknahme" (Zurücknahme bloß einzelner Bankgeschäftstypen; vgl. Laurer, a.a.O. Rz. 5 zu § 6) Interdependenzen mit den vom Zurücknahmebescheid nicht erfaßten (verbleibenden) Bankgeschäftstypen beachtet werden können. Bei einer teilweisen Entziehung der Konzession wäre daher auch in dieser Hinsicht die Ermessensübung im Sinne des Gesetzes zu begründen.

Schon im Hinblick auf die weiter oben dargestellte Verkennung der Rechtslage (hinsichtlich des Begriffes des Bankgeschäftes) ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. In dieser Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde auch unterlassen, entsprechende Sachverhaltsfeststellungen über den Mindestumfang von Bankgeschäften im vordargestellten Sinn zu treffen.

Wegen der aufgezeigten inhaltichen Rechtswidrigkeit ist der angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, obwohl unbestritten der Geschäftsbetrieb hinsichtlich des Depotgeschäftes gar nicht "aufgenommen" (§ 6 Abs. 1 erster Fall KWG) wurde. Von der Möglichkeit einer "partiellen Zurücknahme" hat aber die belangte Behörde keinen Gebrauch gemacht (und daher auch gar nicht die Ermessensübung für eine teilweise Entziehung der Konzession im oben dargestellten Sinn begründet). Daher ist auch nicht darauf einzugehen, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides einerseits davon die Rede ist, (nur) hinsichtlich des Depotgeschäftes sei kein einziger Geschäftsfall vorgelegen gewesen, während es an anderer Stelle heißt, für die Berechtigung zur Durchführung des Depotgeschäftes UND "für das Devisen- und Valutengeschäft" sei der "zweijährige Unterlassungszeitraum" (gemeint: § 6 Abs. 1 erster Fall KWG) anzuwenden gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher, und zwar zur Gänze, gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 gewerblich Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 gewerblichen Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1987170147.X00

Im RIS seit

19.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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