Index
L10109 Stadtrecht Wien;Norm
ReinhalteV Wr 1982 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 11. Juni 1991, Zl. MA 62-III/643/90, betreffend Auftrag gemäß § 9 der Wiener Reinhalteverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft (Haus) in Wien.
Mit Bescheid vom 15. November 1990 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, dem Beschwerdeführer gemäß § 9 der Reinhalteverordnung 1982, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 21, dem Beschwerdeführer folgenden Auftrag:
"Die im Hof der Liegenschaft abgelagerten Gegenstände wie Möbelteile, Metallteile, Holz, Papier, Kartons und Matratzen und die in der Hauseinfahrt abgelagerten Öfen und Metallteile sind innerhalb einer Frist von einer Woche ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen."
Der darüberhinausgehende weitere Auftrag im erstinstanzlichen Bescheid ist nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid im Umfang des wiedergegebenen Abspruches gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Begründend wird ausgeführt, gemäß § 5 der Reinhalteverordnung sei das Verunreinigen von anderen als den in § 4 genannten Teilen (z.B. von Stiegenanlagen, Gängen und Hausfluren sowie von nicht der individuellen Benützung vorbehaltenen Keller- und Dachbodenabteilen) der im Privateigentum stehenden Gebäude sowie von im Privateigentum stehenden Höfen und Grundstücken verboten. Als Verunreinigung gelte unter anderen das Wegwerfen und Ausgießen sowie jegliches Ablagern von Abfällen, wie insbesondere Schutt, Aushubmaterial, altem Hausrat, Gerümpel, Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätewracks oder Teile davon, alte Fahrzeugreifen, Haus- und Hofkehricht, Asche und Schlacke, Ruß, Speisen oder Speiserückständen, Lumpen, Scherben, Knochen, Metallen, Blechdosen, Altpapier sowie hauswirtschaftlichen pflanzlichen und betrieblichen Abfallprodukten, und von anderen, für den bestimmungsgemäßen oder sonstigen sinnvollen Gebrauch augenscheinlich nicht mehr geeigneten oder solchen Gegenständen, deren sich der Inhaber nach den Umständen des Falles offenbar entledigen wollte, ferner das Verrichten der Notdurft außerhalb von sanitären Anlagen. Gemäß § 7 der zitierten Verordnung habe Übelstände im Sinne der §§ 4 bis 6 der Eigentümer (Miteigentümer) des Gebäudes, außerhalb von Gebäuden der Grundeigentümer (Grundmiteigentümer), im Falle einer Verpachtung, Vermietung oder sonstigen Überlassung zur Nutzung jedoch der Pächter, Mieter oder Nutzungsberechtigte, ohne unnötigen Aufschub zu beseitigen.
Gemäß § 9 Reinhalteverordnung habe der Magistrat aus öffentlichen Rücksichten, unbeschadet zivilrechtlicher Ersatzansprüche und der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, wenn der Verpflichtung zur Beseitigung des Übelstandes im Sinne der §§ 4 bis 8 nicht entsprochen werde, dem Eigentümer (Miteigentümer) des Gebäudes oder der Grundfläche mit Bescheid die Beseitigung des Übelstandes aufzutragen. Im Falle einer Verpachtung oder sonstigen Überlassung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundflächen zur Nutzung ist dieser Auftrag auch dem Pächter, Mieter oder Nutzungsberechtigten zu erteilen.
Der Beschwerdeführer habe den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem ihm als Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft der Auftrag erteilt worden sei, diverse Ablagerungen aus dem Hof und der Hauseinfahrt der Liegenschaft zu entfernen bekämpft und in seiner Berufung ausgeführt, daß die Verunreinigungen auf der derzeit nicht vermieteten Liegenschaft von Personen herrührten, die sich widerrechtlich auf der Liegenschaft aufhielten. Der bescheidmäßige Auftrag wäre diesen Personen zu erteilen gewesen. Dazu wird in der Bescheidbegründung ausgeführt, gemäß § 7 Abs. 1 der Reinhalteverordnung sei primär der Eigentümer der Liegenschaft zur Beseitigung der Übelstände im Sinne der §§ 4 bis 6 verpflichtet. Im Falle einer Vermietung oder sonstigen Überlassung zur Nutzung trete der Mieter, Pächter oder Nutzungsberechtigte an seine Stelle. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführe, sei die gegenständliche Liegenschaft nicht vermietet. Auch ein Pachtverhältnis sei nicht geltend gemacht worden, sondern es hielten sich nicht näher bezeichnete Personen gegen den Willen des Eigentümers auf der Liegenschaft auf, weshalb auch keine sonstige Überlassung zur Nutzung gegeben sei. Es sei daher Sache des Eigentümers, die Ablagerungen im Hof und in der Hauseinfahrt zu beseitigen, mögen diese auch nicht von ihm herrühren. Gemäß § 9 Abs. 1 der Reinhalteverordnung sei daher auch dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Liegenschaft der bescheidmäßige Auftrag zur Beseitigung der nach wie vor bestehenden Ablagerungen im Hof und in der Hauseinfahrt zu erteilen und der erstinstanzliche Bescheid diesbezüglich zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der ausschließlich Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 11. Juni 1991 ausdrücklich nur im Umfang der Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides.
Als Beschwerdepunkt wird geltend gemacht:
"Der Beschwerdeführer hat einen Rechtsanspruch darauf, gemäß der Reinhalteverordnung 1982, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 21/1982 als Adressat für die Beseitigung von abgelagerten Müll im Hof und in der Hauseinfahrt nicht herangezogen zu werden. In diesem Recht erachtet sich der Beschwerdeführer verletzt."
Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 41 Abs. 1 VwGG, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen. Bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides kommt dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG nach der zitierten Bestimmung des § 41 Abs. 1 VwGG entscheidende Bedeutung zu, weil nicht zu prüfen ist, ob irgend ein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A). Wird der Beschwerdepunkt vom Beschwerdeführer ausdrücklich und unmißverständlich bezeichnet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1984, Slg. N.F. Nr. 11.283/A).
Nach dieser verfahrensrechtlichen Lage ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf die Beschwerdeausführungen zur Frage der Rechtmäßigkeit der Leistungsfrist gemäß § 59 Abs. 2 AVG einzugehen, weil diese Frage nicht durch den wörtlich wiedergegebenen Beschwerdepunkt erfaßt wird.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob der Beschwerdeführer als Grundeigentümer zu den ihm von der Behörde aufgetragenen Leistungen verpflichtet ist oder nicht. Als Rechtsgrundlage ist zur Lösung dieser Frage die Bestimmung des § 7 Abs. 1 der Reinhalteverordnung maßgebend. Nach dieser Bestimmung trifft die Pflicht zur Beseitigung von Übelständen - das Vorliegen solcher ist im Beschwerdefall nicht strittig - den Eigentümer (Miteigentümer) des Gebäudes, außerhalb von Gebäuden den Grundeigentümer (Grundmiteigentümer). Nur in den Fällen einer Verpachtung, Vermietung oder sonstigen Überlassung zur Nutzung hat jedoch der Pächter, Mieter oder Nutzungsberechtigte die Übelstände zu beseitigen.
Unbestritten steht im Beschwerdefall fest, daß der Beschwerdeführer die gegenständliche Liegenschaft weder vermietet noch verpachtet hat.
Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, die Personen, die die Liegenschaft ohne seine Zustimmung, gegen seinen Willen und auch ohne hiefür irgend ein Entgelt zu entrichten, benützen, seien als "Nutzungsberechtigte" im Sinne der Reinhalteverordnung anzusehen, ist rechtlich nicht haltbar. Daß der Beschwerdeführer eine Entfernung der tatsächlichen Benützer seiner Liegenschaft nur mit dem Mittel der Räumungsklage durchsetzen kann, macht die "illegalen Bewohner" der Liegenschaft nicht zu "Nutzungsberechtigten" im Sinne der Reinhalteverordnung. Von einem Nutzungsberechtigten kann nämlich nur dann die Rede sein, wenn dieser einen Rechtstitel für die Nutzung der Liegenschaft hat. Die zur Durchsetzung der zwangsweisen Räumung der Liegenschaft erforderliche Erlangung eines Exekutionstitels (Räumungstitels) macht den tatsächlichen Benützer einer Liegenschaft auch nicht vor Erlangung des Räumungstitels zu einem Nutzungsberechtigten im Sinne der zitierten Bestimmungen.
Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ebenso wie aus dessen Zweck, eine Beseitigung von Übelständen jedenfalls auch dann durchsetzen zu können, wenn deren Urheber nicht bekannt oder feststellbar ist.
Da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer somit ohne Rechtsirrtum gemäß § 9 erster Satz der Reinhalteverordnung den gegenständlichen Auftrag erteilt hat, mußte die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991120195.X00Im RIS seit
18.09.1992