TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/18 91/12/0174

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Veröffentlicht am 18.09.1992
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Index

L82404 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AbfallG OÖ 1975 §2 Abs1;
AbfallG OÖ 1975 §24 Abs1;
AbfallG OÖ 1975 §24 Abs12;
AbfallG OÖ 1975 §24 Abs8;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §74;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §31b;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde 1.) des SK und

2.) der HK in A, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Juni 1991, Zl. UR - 210001/2-1991 Se/Kl, betreffend Bewilligung einer Anlage nach dem Oö. Abfallgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1.) C und 2.) S, beide in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat an die Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Jänner 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft über Antrag der Mitbeteiligten eine Bewilligung nach dem Oberösterreichischen Abfallgesetz, die die Errichtung einer Kompostieranlage für Grünabfälle auf dem Grundstück nn/1, der Katastralgemeinde S, Gemeinde A, umfaßte und mit der eine Reihe von Auflagen verbunden war.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid ab und bestätigte diesen vollinhaltlich. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten in ihrer Berufung gerügt, daß dem Ermittlungsverfahren kein medizinischer Sachverständiger und kein solcher aus dem Fachgebiet der Chemie beigezogen worden seien. Um die von der Anlage ausgehende Gefährdung oder Beeinträchtigung beurteilen zu können, wäre die Beiziehung dieser Sachverständigen erforderlich gewesen. Auch sei eine Beweissicherung der Grundwassergüte nicht vorgeschrieben worden. Es sei auch nicht geprüft worden, ob die Anlage dem "Stand der Technik" entspreche. Nach dem Oberösterreichischen Abfallgesetz dürfe eine Genehmigung erst dann erteilt werden, wenn die für die Anlage erforderlichen sonstigen behördlichen Genehmigungen nach anderen Rechtsvorschriften zuvor erteilt worden seien. Dem angefochtenen Bescheid sei kein baubehördliches Verfahren vorausgegangen, obwohl die Anlage geeignet sei, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen. Im erstinstanzlichen Bescheid sei angeordnet, den Inhalt der Sickerwassersammelbecken für die Befeuchtung der Mieten zu verwenden und die Überschüsse fein verteilt auf landwirtschaftliche Flächen auszubringen. Es komme jedoch zu einer großflächigen Versickerung jener Niederschlagswässer, die nicht in den Sammelbecken gestapelt werden könnten. Straßenkehricht stelle Sondermüll dar, für dessen Ablagerung bundesgesetzliche Regelungen bestünden, eine danach erforderliche Bewilligung läge nicht vor, weshalb nach dem Oö. Abfallgesetz eine Bewilligung nicht hätte erteilt werden dürfen. Die Müllbeseitigungsanlage sei lediglich 40 m von der Grundgrenze der Beschwerdeführer entfernt, wodurch dem in Richtlinien festgelegten Mindestabstand von 200 m zu geschlossenen Siedlungen nicht Rechnung getragen worden sei.

Dazu führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus, das Kompostieren von "biogenem Material" stelle eine Verwertungsform dar, die im Rahmen von land- und forstwirtschaftlichen sowie damit vergleichbaren Tätigkeiten seit alters her angewendet werde, um die Erträgnisse der Urproduktion, die nicht unmittelbar verwertet werden könnten, für den natürlichen Lebenskreislauf wieder nutzbar zu machen. Wie in dem im Ermittlungsverfahren erstellten Gutachten nach allgemeiner Lebenserfahrung zutreffend ausgeführt werde, sei mit Beeinträchtigungen und Gefährdungen für die Umwelt lediglich bei unsachgemäßer Kompostierung sowie beim Einsatz ungeeigneter Ausgangsmaterialien zu rechnen. Gerade dem Erfordernis des sachgemäßen Betriebes und des Einsatzes geeigneter Materialien werde durch die Auflagen Rechnung getragen, die sich auf den Einsatz bestimmter biogener Materialien sowie die Handhabung des Rotteprozesses bezögen. Aus diesem Grund sei mit ausreichender Schlüssigkeit dargelegt, daß keine Gefährdungen oder Beeinträchtigungen auftreten könnten, die die Einholung der beantragten zusätzlichen Gutachten erforderlich gemacht hätten. Dies gelte insbesondere auch für die von den Beschwerdeführern behauptete Bewilligungspflicht nach dem Wasserrechtsgesetz 1959. Nach § 32 Abs. 2 lit. c dieses Gesetzes unterlägen Maßnahmen, die zur Folge hätten, daß durch das Versickern von Stoffen in das Grundwasser dieses beeinträchtigt werde, der Bewilligungspflicht. Dies jedoch nur dann, wenn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung zu erwarten sei, was sich aus § 32 Abs. 1 WRG ergebe. Dem Argument des Vorliegens einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht sei entgegenzuhalten, daß die Kompostierung auf einer abgedichteten Fläche erfolge und die sich darauf ansammelnden Sickerwässer in dichten Senkgruben gesammelt würden, sodaß im Zusammenhang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen sei, daß die Anlage nicht auf eine Nutzung von Gewässern, insbesondere des Grundwassers, abziele. Die Behörde erster Instanz habe diese Frage ausreichend geprüft und sei im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß eine wasserrechtliche Bewilligung nicht erforderlich sei und eine Bewilligung nach dem Oö. Abfallgesetz dementsprechend erteilt werden könne. Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, daß bei starkem Regen oder langanhaltenden Niederschlägen eine Versickerung über eine flache Rasenmulde erfolge. In diesen Fällen komme es überdies nur dann zur Versickerung, wenn die Sammelbecken voll seien; daraus ergäbe sich, daß der belastete Teil der Sickerwasser gestapelt bleibe, bis die Witterungsverhältnisse die auferlegte breitflächige Ausbringung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zuließen. Der enorme Verdünnungsgrad des "Überschusses" lasse in Verbindung mit einer großflächigen (nicht punktförmigen) Versickerung in einer Rasenmulde, was im wesentlichem einem natürlichen Zustand gleichkomme, keinesfalls den Schluß zu, daß eine bewilligungspflichtige Einwirkung auf die Grundwasserbeschaffenheit vorläge. Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, daß die Sammelbeckeninhalte breitflächig auf landwirtschaftlich genutzte Flächen auszubringen seien, während dies auf die "Überschüsse" nicht zutreffe, sei dem entgegenzuhalten, daß nach dem natürlichen Lauf der Dinge beide "Abwasserarten" völlig unterschiedliche Konzentrationen aufwiesen, weshalb ein "Vergleich dieser beiden Wässer" nicht zielführend sei.

Zur Frage der Baubewilligung sei anzumerken, daß die Errichtung von baulichen Anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Müllbeseitigung als Müllbeseitigungsanlagen errichtet würden und einer Bewilligung nach § 24 des Oö. Abfallgesetzes bedürften, nach der Verordnung der Oö. Landesregierung vom 6. April 1987, LGBl. Nr. 20/1987, von der Baubewilligungspflicht gemäß § 41 Abs. 1 der Oö. Bauordnung ausgenommen seien. Daß die gegenständliche Anlage eine öffentliche im Sinne der zitierten Verordnung sei, stehe außer Zweifel, weil alle Haushalte der Gemeinde A zum Einzugsbereich zählten. Der Landesgesetzgeber habe dem Umstand, daß eine Kompostierungsanlage keine Müllbeseitigungsanlage im herkömmlichen Sinn darstelle, sondern die Umwandlung von in der Ausgangsform nicht oder nur schwer einsetzbaren biogenen Stoffen in direkt einsetzbares Düngematerial durchgeführt werde, insoferne Rechnung getragen, als in dem das Oö. Abfallgesetz ersetzenden Oö. Abfallwirtschaftsgesetz der Entfall einer Baubewilligung bei Abfallbehandlungsanlagen (insbesondere Kompostierungsanlagen) normiert worden sei.

Ob die Anlage dem Stand der Technik entspreche, habe die Behörde erster Instanz zutreffend dem Gutachten des Amtssachverständigen entnommen, wonach die Anforderungen der technischen Richtlinien für die Errichtung und den Betrieb eines Kompostplatzes erfüllt würden. Dabei sei davon auszugehen, daß die bestehenden Richtlinien dem geltenden Stand der Technik entsprächen. Daraus sei zu erschließen, daß auch die gegenständliche Anlage dem Stand der Technik entspräche und diese Frage vom Amtssachverständigen kompetent beantwortet worden sei. Im Zusammenhang mit den erwähnten Richtlinien stehe die vorgebrachte Verkürzung des festgelegten Mindestabstandes von 200 m zu geschlossenen Siedlungen auf 40 m. Diese der Aktenlage nach einzige Ausnahme von den Richtlinien stelle keinen tauglichen Grund dar, die Bewilligung der Anlage zu versagen. Einerseits würden sich aus der Darstellung in den Projektunterlagen erhebliche Zweifel daran ergeben, ob im 200 m-Bereich der Anlage eine "geschlossene Siedlung" im Sinne der Richtlinien vorliege, ohne daß es einer näheren Prüfung dieser Problematik bedürfe, habe doch das Verfahren der Erstbehörde zweifelsfrei ergeben, daß dieser 200 m-Bereich dazu diene, Geruchsbelästigungen fernzuhalten. Geruchsbelästigungen seien bei ordnungsgemäßen und vor allem den erteilten Auflagen entsprechendem Betrieb auszuschließen. Bei Betrachtung der Lage der Kompostieranlage und des Anwesens der Beschwerdeführer zueinander sei im Zusammenhang mit der Hauptwindrichtung gewährleistet, daß die im übrigen nicht näher definierten "verheerenden Auswirkungen" nicht eintreten würden. Der von den Beschwerdeführern gezogene Schluß, daß alleine aus der Verkürzung des Abstandes der zwangsläufige Eintritt schädlicher Auswirkungen abzuleiten sei, könne von der Behörde nicht nachvollzogen werden. Zum Einwand, die Anlage bedürfe wegen der Ablagerung von Straßenkehricht einer Bewilligung nach bundesgesetzlichen Vorschriften, wird ausgeführt, daß einerseits sowohl auf Grund der Projektunterlagen als auch auf Grund der Bescheidauflagen die Ablagerung von Straßenkehricht weder beabsichtigt noch gestattet sei; andererseits sei auch das Bundesabfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, auf die Anlage nicht anzuwenden, weil keine gefährlichen Abfälle gelagert würden. Dementsprechend sei eine Bewilligung nach dieser bundesgesetzlichen Bestimmung nicht erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht durch die bewilligte Kompostieranlage als Nachbarn weder persönlich noch in ihrem Eigentum gefährdet oder belästigt zu werden (§ 24 Abs. 7 Oö. Abfallgesetz) verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, die von der belangten Behörde und den Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften und weiteren Schriftsätze erwogen:

Im Beschwerdefall ist noch das Oö. Abfallgesetz, LGBl. Nr. 1/1975 anzuwenden. Dies folgt aus der Übergangsbestimmung des § 45 Abs. 12 des Oö. Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 28/1991, wonach alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängigen Verfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften weiterzuführen sind. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes mit 1. Jänner 1991 und dem gleichzeitigen Außerkrafttreten des Oö. Abfallgesetzes mit 1. Jänner 1991 (§ 46) ist im gegenständlichen Verfahren noch altes Recht anzuwenden.

Nach den Begriffsbestimmungen des § 2 des Oö. Abfallgesetzes sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle zum Unrat gehörigen beweglichen Sachen, deren Sammlung, Abfuhr oder Beseitigung aus Gründen des Umweltschutzes, der Gesundheit, der Sicherheit oder mit Rücksicht auf sonstige öffentliche Interessen einer Regelung bedarf (Abs. 1). Als Hausmüll im Sinne dieses Gesetzes gelten die üblicherweise im Haushalt anfallenden festen Abfälle, wie insbesondere Küchenabfälle, Speisen- und Pflanzenreste, Verpackungsmaterial, Papier und Pappeabfälle, Flaschen und Dosen, Glas-, Holz-, Blech- und Metallgegenstände, Kunststoff-, Leder- und Textilsachen, Asche und Schlacke, Ruß, Kehricht und kleinere Mengen an Laub und Gartenabfällen. Alle diese Abfälle gelten auch dann als Hausmüll, wenn sie nicht in einem Haushalt anfallen.

Nach § 24 Abs. 1 des Gesetzes bedarf die Errichtung von Müllbeseitigungsanlagen (einschließlich Müllzwischenlagerstätten) für Zwecke der öffentlichen Müllbeseitigung (§ 23 Abs. 1) einer schriftlichen Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen ist vor der Erteilung der Bewilligung eine mit einem Augenschein verbundene mündliche Verhandlung gemäß den Bestimmungen der §§ 40 ff AVG durchzuführen. Bedarf die Errichtung der Anlage auch der behördlichen Bewilligung (Genehmigung) nach anderen Rechtsvorschriften, so ist die mündliche Verhandlung in Vollziehung dieses Gesetzes soweit als möglich und tunlich zugleich mit dem nach anderen Rechtsvorschriften jeweils erforderlichen Verhandlungen durchzuführen.

Die im Beschwerdefall in erster Linie für die Entscheidung wesentliche Bestimmung des § 24 Abs. 8 des Gesetzes hat folgenden Wortlaut:

"Bedarf die Errichtung (Änderung oder Erweiterung) der Anlage auch der behördlichen Bewilligung (Genehmigung) nach anderen Rechtsvorschriften, so darf unbeschadet des Umstandes, daß die jeweils erforderlichen mündlichen Verhandlungen soweit als möglich und tunlich zugleich durchzuführen sind (Abs. 3 letzter Satz), die Bewilligung gemäß Abs. 1 erst erteilt werden, wenn die nach den anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Genehmigungen) erteilt wurden. Im übrigen ist die Bewilligung gemäß Abs. 1 zu erteilen, wenn die Anlage (Änderung, Erweiterung) den Vorschriften dieses Gesetzes und der zu seiner Ausführung erlassenen Verordnungen entspricht. Die Bewilligung (Abs. 1) ist an Bedingungen und Auflagen zu binden oder nur befristet zu erteilen, soweit dies zur Erfüllung der Vorschriften dieses Gesetzes und der zu seiner Ausführung erlassenen Verordnungen erforderlich ist. Sie kann auch unter dem Vorbehalt der späteren Vorschreibung zusätzlicher Maßnahmen für den Fall erteilt werden, daß sich erst nach Fertigstellung der Anlage die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen zur Wahrung der im § 3 angeführten Grundsätze ergibt."

Nach Abs. 6 der zitierten Bestimmung sind der mündlichen Verhandlung jedenfalls die Parteien (insbesondere die Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Anlage errichtet, geändert oder erweitert werden soll bzw. auf denen sie sich befindet, und die Nachbarn) sowie die jeweils erforderlichen Sachverständigen beizuziehen.

Aus der zuletzt genannten Bestimmung ergibt sich eindeutig die im Verfahren auch nicht bestrittene Parteistellung der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren.

Die zitierte Regelung des Abs. 8 der Norm begründet eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde erster Instanz zur Erteilung einer Bewilligung im Sinne des Oö. Abfallgesetzes subsidiär erst nach der behördlichen Bewilligung (Genehmigung), wenn die Errichtung der Anlage der Bewilligung (Genehmigung) nach anderen Rechtsvorschriften bedarf. Dies ergibt sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zur Frage der Zuständigkeit mit der Vorfrage auseinandergesetzt, ob die gegenständliche Müllbeseitigungsanlage einer wasserrechtlichen Bewilligung bedarf. Dabei ist sie von der besonderen Art der Anlage, die das Kompostieren von "biogenem Material" zum Gegenstand hat, ausgegangen. Eine Sonderregelung für solches Material enthält das Oö. Abfallgesetz jedoch nicht. Es handelt sich eindeutig um Abfälle im Sinn des § 2 Abs. 1 des Gesetzes. Nach § 23 Abs. 3 letzter Satz kommen als Arten der Müllbeseitigung die geordnete Ablagerung und die Umwandlung (wie die Wiederverwertung, die Kompostierung und die Verbrennung) in Betracht. Aus der Art der Anlage, die der Kompostierung von Abfall dient, ist eine besondere Behandlung der Anlage im Verfahren gemäß den Bestimmungen des Oö. Abfallgesetzes somit nicht zu erschließen. Der von der belangten Behörde bei Prüfung der Vorfrage der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht der Abfallbeseitigungsanlage getroffene Schluß, eine Bewilligungspflicht nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 bestehe deshalb nicht, weil nach § 32 Abs. 2 lit. c dieses Gesetzes eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung nicht zu erwarten sei, ist aus der Art der Abfallbeseitigungsanlage allein nicht zu erschließen.

Dabei ist die belangte Behörde offenbar von der Rechtslage nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 ausgegangen, die gemäß deren Art. IV Abs. 1 mit dem 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist. Im Beschwerdefall ist die Frage der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht aber unter Zugrundelegung aller in Betracht kommenden Zeitpunkte - beginnend mit dem Antrag der mitbeteiligten Parteien auf abfallrechtliche Bewilligung vom 2. Juli 1990 - auf Grund der neuen Rechtslage zu prüfen. Daher ist auch der neu eingeführte Bewilligungstatbestand des § 31 b WRG "Abfalldeponien" zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung bedarf die Ablagerung von Abfällen - ausgenommen solcher, bei deren ungeschützter Lagerung eine Verunreinigung der Gewässer einschließlich des Grundwassers nicht zu besorgen ist - sowie die Errichtung und der Betrieb der hiezu dienenden Anlagen einer wasserrechtlichen Bewilligung durch den Landeshauptmann; § 32 Abs. 2 lit. c WRG findet keine Anwendung.

Dies bedeutet im Beschwerdefall, daß der Bewilligungstatbestand nach § 31 b WRG, der als die speziellere Bestimmung der Bewilligungspflicht nach § 32 WRG vorgeht, in die Überlegungen miteinbezogen hätte werden müssen. Bei Bejahung der Abfalleigenschaft (im Sinne des Wasserrechtsgesetzes) der in der gegenständlichen Kompostieranlage vorgesehenen Ablagerungen wäre zu prüfen gewesen, ob ein Ausnahmetatbestand von der Bewilligungspflicht nach § 31 b WRG vorliegt.

Ist die Anwendbarkeit des § 31 b WRG mangels Abfalleigenschaft zu verneinen, so ist die Bewilligungspflicht nach § 32 WRG zu prüfen. Nach Maßgabe dieser Einschränkung sind die folgenden Ausführungen zu § 32 WRG zu verstehen.

Nach § 32 Abs. 1 WRG sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die übliche land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung. Eine Kompostieranlage wie die gegenständliche kann weder unter den Begriff des Gemeingebrauches noch unter den der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung fallen, wenn sie bestimmungsgemäß "biogenes Material" von Haushalten einer Gemeinde aufnehmen soll.

Eine solche Kompostieranlage, die an sich geeignet ist, eine Gewässerverunreinigung herbeizuführen, bedarf auch dann einer wasserrechtlichen Bewilligung, wenn bereits das Projekt alle jene Vorkehrungen vorsieht, die erforderlich sind, um schädliche Einwirkungen auf ein Gewässer auszuschließen. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, ermöglicht es nur eine wasserrechtliche Bewilligung der Behörde, die projektmäßige Herstellung der Anlage und deren Erhaltung in diesem Zustand durchzusetzen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1964, Slg. N.F. Nr. 6223/A u.a.).

Daraus folgt aber für den Beschwerdefall, daß es nicht Sache der Behörden des Verfahrens nach dem Abfallbeseitigungsgesetz war, zu prüfen, ob die bei der Anlage vorgesehenen Maßnahmen Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Grundwassers derart ausschließen, daß weder eine Verunreinigung der Gewässer zu besorgen noch auch eine nur geringfügige Beeinträchtigung im Sinne des § 32 Abs. 1 WRG (die Anwendbarkeit der Bestimmung vorausgesetzt) zu erwarten ist.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil sie - ausgehend von einer unrichtigen Auslegung des Wasserrechtsgesetzes 1959 - die Bewilligungspflicht der gegenständlichen Anlage nach § 31 b WRG nicht geprüft bzw. nach § 32 WRG (sollte diese Bestimmung zur Anwendung kommen) zu Unrecht verneint und damit die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz zur Bewilligung nach dem Oö. Abfallgesetz unzutreffend bejaht hat.

Hinzu kommt, daß gemäß § 24 Abs. 12 die Bestimmungen der Abs. 1 bis 11 des Oö. Abfallgesetzes auf Anlagen nicht anzuwenden sind, die einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen. Mit der Frage der gewerbebehördlichen Bewilligungspflicht hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt, obwohl diese Frage ebenso für die Zuständigkeit zur Erlassung eines abfallrechtlichen Bescheides wesentlich war und eine solche auf Grund des Sachverhaltes nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991120174.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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