TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/7 A148/89

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Veröffentlicht am 07.03.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / Verzug ABGB §1334 B-VG Art137 / sonstige Klagen

Leitsatz

Verfrühte Klagsführung mangels Setzung angemessener Nachfrist; Kostenersatzforderung jedoch berechtigt; taugliche Mahnung; Rückzahlungsverpflichtung der Behörde nach aufhebendem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes

Spruch

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.180,64 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. In der unter Berufung auf Art137 B-VG am 25. November 1989 erhobenen Klage bringt der Kläger vor, daß ihm mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Mai 1989 eine Geldstrafe von S 3.000,-- und Kostenbeiträge in Höhe von je S 300,-- für die Verfahren erster und zweiter Instanz auferlegt worden seien. Er habe diesen Betrag am 1. September 1989 zur Einzahlung gebracht. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. September 1989, Z89/18/0113, 0114, den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Mai 1989 aufgehoben habe und obwohl der Kläger mit Schreiben vom 20. November 1989 an die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf die Rückzahlung des bezahlten Betrages samt Zinsen binnen 4 Tagen gefordert habe, habe die beklagte Partei eine Refundierung des Betrages nicht vorgenommen.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von S 3.600,-- samt 4 % Zinsen seit 1. September 1989 sowie den Ersatz der Verfahrenskosten.

1.2. Mit Schriftsatz vom 1. Feber 1990 schränkte der Kläger das Klagsbegehren auf den Ersatz der Kosten ein, da die beklagte Partei am 11. Jänner 1990 den eingeklagten Betrag samt Zinsen bezahlt habe.

2. Das beklagte Land Niederösterreich trat in der Gegenschrift dem Sachverhaltsvorbringen des Klägers nicht entgegen, beantragte jedoch die Abweisung der Klage. Der Kläger habe die Rückzahlung mit einer an die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf gerichteten Eingabe begehrt. Die beklagte Partei habe erst durch den Schriftsatz des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1989 Kenntnis von der eingebrachten Klage erhalten. In der Folge sei mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Jänner 1990 der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Folge gegeben und das Strafverfahren eingestellt worden. Daraufhin sei die Rückzahlung des Betrages von S 3.620,-- durch die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf am 11. Jänner 1990 erfolgt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - auf Kosten eingeschränkte - Klage erwogen:

3.1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B-VG in Ansehung der klagsweise geltend gemachten Forderung auf Erstattung des Strafbetrages samt Verfahrenskostenbeiträgen nach Aufhebung des Strafbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. hiezu VfSlg. 9498/1982 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10496/1985) gegeben.

3.2. Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in sinngemäßer Anwendung des §1334 ABGB (vgl. insbesondere VfSlg. 5079/1965, 9849/1982) der Beginn des Verzuges nicht bereits mit der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen ist, sondern erst, wenn der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegende Beschwerdeführer die Rückzahlung begehrt hat und eine (von ihm gesetzte) angemessene (siehe unter 3.3.) Nachfrist abgelaufen ist. Ein solches Rückzahlungsbegehren wurde vom Kläger mit Schreiben vom 20. November 1989 unter Setzung einer 4-tägigen Frist erhoben. Da diese Frist jedoch keineswegs als angemessen bezeichnet werden kann (vgl. VfSlg. 11040/1986; VfGH 12.6.1989 A22/89), ist die am 25. November 1989 erfolgte Klagsführung jedenfalls verfrüht erfolgt.

Das beklagte Land Niederösterreich hat am 11. Jänner 1990 dem Kläger den Klagsbetrag zuzüglich S 20,-- für Zinsen überwiesen.

3.3. Die Kostenersatzforderung des Klägers ist berechtigt:

Die Klage wurde zwar verfrüht erhoben (siehe oben 3.2.). Nach Ablauf einer angemessenen Zahlungsfrist (d.i. 14 Tage nach Einlangen des Mahnschreibens des Klägers bei der Behörde (vgl. VfSlg. 10496/1985)) wäre sie jedoch gerechtfertigt erhoben worden. Daß der Kläger sie verfrüht eingebracht hat, kann im Hinblick darauf, daß das Land die Rückzahlung verspätet geleistet hat, nicht zu Lasten des Kostenersatzbegehrens gehen.

Zum Einwand der beklagten Partei, daß an sie keine Aufforderung zur Rückzahlung gerichtet wurde, verweist der Verfassungsgerichtshof auf sein Erkenntnis VfSlg. 11262/1987, in welchem bereits dargelegt wurde, daß ein Rückforderungsbegehren, das an jene Behörde gerichtet wird, die berechtigt war, einen zu Unrecht vorgeschriebenen Betrag einzuziehen, als taugliche Mahnung zu werten ist.

Der Ansicht der beklagten Partei, daß im Fall der Aufhebung eines Verwaltungsstrafbescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes eine Rückzahlungspflicht der Behörde erst nach Erlassung eines die Verpflichtung zur Zahlung einer Verwaltungsstrafe endgültig zum Erlöschen bringenden Ersatzbescheides eintrete, ist entgegenzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 5001/1965, 8542/1979, 9498/1982, 10497/1985) die Meinung vertreten hat, daß die Behörde zur Rückzahlung eines Strafbetrages schon dann verpflichtet ist, wenn der Verwaltungsgerichtshof einen Strafbescheid, gleichgültig ob wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufhebt, wobei die Behörde in Zahlungsverzug kommt, sobald einem Rückzahlungsbegehren nicht entsprochen wird.

4. Die Kostenersatzforderung des Klägers ist daher gerechtfertigt.

Die dem Kläger zustehenden Prozeßkosten waren gemäß §41 iVm.

§35 VerfGG und §41 Abs2 ZPO anhand des Rechtsanwaltstarifes auszumessen, wobei eine Klagseinschränkung als kurzer Schriftsatz im Sinne des TP1 zu qualifizieren ist. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 293,44 enthalten.

Schlagworte

VfGH / Klagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:A148.1989

Dokumentnummer

JFT_10099693_89A00148_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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