TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/22 92/05/0060

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Veröffentlicht am 22.09.1992
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1.) des JD und 2.) der MD in A, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Februar 1992, Zl. R/1-V-915, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) P in A, 2) Stadtgemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 31. Oktober 1990 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Erstmitbeteiligten die nachträgliche baubehördliche Bewilligung für Umbauarbeiten beim bestehenden Gebäude sowie zur Errichtung eines Schwimmbeckens und von Pkw-Abstellplätzen auf der Liegenschaft. Gleichzeitig wurde zu den Einwendungen der beschwerdeführenden Nachbarn Stellung genommen und ausgeführt, aus welchen Gründen diese nach Meinung der Baubehörde erster Instanz unbegründet seien.

Die dagegen von den Nachbarn erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als unbegründet ab. Im wesentlichen vertrat die Berufungsbehörde die Ansicht, daß das Bauvorhaben in dem nach dem Flächenwidmungsplan als Grünland-Landwirtschaft ausgewiesenen Bereich deshalb zulässig sei, weil im neuen Flächenwidmungsplan gegenüber dem bisherigen die besondere Nutzungsart "erhaltenswerte Gebäude" festgelegt worden sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die NÖ Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Beschwerdeführer durch die Erteilung der Baubewilligung nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten nach § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) verletzt worden seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Gesetzesstelle dient die Bestimmung des § 19 Abs. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes (ROG) ausschließlich dem öffentlichen Interesse und nicht auch dem Interesse der Nachbarn. In diesem Zusammenhang wurde auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1978, Slg. N.F. Nr. 9726/A, und vom 31. Mai 1988, Zl. 88/05/0089, verwiesen. Durch die Erteilung der Baubewilligung in einem nach dem Flächenwidmungsplan als Grünland-Landwirtschaft "gewidmeten" Gebiet seien sohin Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt worden. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, daß die Baubewilligung deshalb zu versagen gewesen wäre, weil von ihrem landwirtschaftlichen Betrieb Emissionen in die Nachbarschaft ausgehen würden, könnte der Vorstellung nicht zum Erfolg verhelfen. In diesem Zusammenhang sei jedoch auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides hinzuweisen, wonach im Grünland Stall- und andere für landwirtschaftliche Betriebe typische Gerüche bzw. andere negative Einflüsse wie Fliegen, Ungeziefer, Betriebsgeräusche, Tierrufe und anderes in Kauf genommen werden müßten. Dies gelte insbesondere auch für das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid als gesetzwidrig aufzuheben. Sie erachten sich durch die Abweisung ihrer Vorstellung in ihren aus den Bestimmungen des § 118 BO, insbesondere gemäß Abs. 8 und Abs. 9, sowie des § 8 AVG erfließenden Rechten verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 118 Abs. 8 Satz 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Nach Abs. 9 dieser Gesetzesstelle werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.)

den Brandschutz;

2.)

den Schutz vor Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3.)              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4.)              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zu Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Nach § 19 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) sind nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse für Flächen, die für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, für Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Flächennutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden.

§ 19 Abs. 4 ROG bestimmt sodann, daß im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur vorgesehen werden dürfen, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.

Im vorliegenden Fall behaupten die beschwerdeführenden Nachbarn, daß ihnen auf die Einhaltung der Bestimmung des § 19 Abs. 4 ROG ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 118 Abs. 9 BO zustehe. Soweit sie in diesem Zusammenhang behaupten, daß die im Flächenwidmungsplan festgesetzte Widmung Grünland-Landwirtschaft die Bebaubarkeit eines Grundes beschränke und daher regelmäßig dem Interesse der Nachbarn diene, kann ihren Ausführungen nicht gefolgt werden, weil die Einhaltung einer im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung ganz allgemein ausschließlich dem öffentlichen Interesse dient, es sei denn, es wäre damit ein bestimmter Immissionsschutz gewährleistet, was bei der Regelung des § 19 Abs. 4 ROG nicht der Fall ist (vgl. zu dieser Problematik insbesondere Hauer,

Der Nachbar im Baurecht2, S. 172 ff. und die dort wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Daß aber die Vorschrift des § 19 Abs. 4 ROG ausschließlich dem öffentlichen Interesse dient, nicht aber auch den Interessen der Nachbarn, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. Dezember 1978, Slg. N.F. Nr. 9726/A, vom 9. November 1982, Zl. 82/05/0112, Slg. N.F. Nr. 10.879/A - nur Rechtssatz). Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde sieht sich der Gerichtshof nicht veranlaßt, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Vor allem verkennen die Beschwerdeführer, daß § 19 Abs. 4 ROG nicht die Bebaubarkeit eines Grundes im Sinne der Bestimmungen eines Bebauungsplanes beschränkt, wie dies auch im Interesse der Nachbarn insbesondere im Hinblick auf bestimmte Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse der Fall ist, sondern es hier ausschließlich um das öffentliche Interesse an der Einhaltung einer bestimmten Raumordnung geht. Die belangte Behörde hatte gar nicht zu prüfen, ob die erteilte Baubewilligung mit der hier gegebenen Flächenwidmung übereinstimmt, sondern sie hatte als Gemeindeaufsichtsbehörde ausschließlich zu prüfen, ob die Beschwerdeführer durch die erteilte Baubewilligung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden sind. Die Prüfungsbefugnis der Gemeindeaufsichtsbehörde ist im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies für die beschwerdeführenden Nachbarn gemäß § 118 Abs. 8 und 9 BO zutrifft, eben nur auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich deren ein Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht besteht, was hier bezüglich der Vorschrift des § 19 Abs. 4 ROG nicht der Fall ist, wie die belangte Behörde zutreffend in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt hat (vgl. in diesem Zusammenhang zum beschränkten Prüfungsrecht der Rechtsmittelbehörde insbesondere das Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A). Auf die Frage, ob die erteilte Baubewilligung in objektiver Hinsicht der gegebenen Flächenwidmung entsprach oder nicht, hatte die belangte Behörde daher nicht einzugehen und es konnte auch unterörtert bleiben, ob eine Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides zu irgendeinem Zeitpunkt zulässig war.

Zum Beschwerdevorbringen ist noch zu bemerken, daß unmittelbar aus § 118 Abs. 9 BO subjektiv-öffentliche Rechte nicht abgeleitet werden können, wird doch in dieser Gesetzesstelle ausdrücklich ausgeführt, daß subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet werden, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Eine konkrete Vorschrift, die durch die Erteilung der Baubewilligung verletzt worden wäre, haben aber die Beschwerdeführer mit Ausnahme des § 19 Abs. 4 ROG in ihrer Beschwerde gar nicht genannt. Auch aus § 8 AVG kann unmittelbar ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei nicht abgeleitet werden, ein solches muß vielmehr aus den jeweils zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften ableitbar sein (vgl. etwa Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, und die dort zu § 8 AVG zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Da sohin eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer in den geltend gemachten Beschwerdepunkten nicht vorliegt, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050060.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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