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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine in Befolgung eines richterlichen Auftrags durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung mangels Zuständigkeit des VfGHSpruch
Die Beschwerde gegen die erkennungsdienstliche Behandlung wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur die mit 8.455,88 S bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mag. R K begehrte in seiner - zu B1610/88 protokollierten - Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 (Abs1) B-VG die kostenpflichtige Feststellung, er sei am 12. August 1988 von Organen der Bundespolizeidirektion Wien a) im Zug der Festnahme im Haus 1060 Wien, Aegidigasse Nr. 13, mit Gummiknüppeln geschlagen und getreten und b) unter Androhung von Brachialgewalt einer erkennungsdienstlichen Abnahme von Fingerabdrücken unterworfen, demnach durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich (zu a)) im Recht auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (Art3 EMRK) und (zu b)) im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG), verletzt worden.
1.2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die kostenpflichtige Zurückweisung, hilfsweise aber für die Abweisung der Beschwerde eintrat.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Zum Beschwerdefaktum a)
Der Beschwerdepunkt a) wird (erst nach Abschluß des damit der Sache nach zusammenhängenden Strafverfahrens AZ 26a Vr 2125/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) zufolge hg. Verfügung vom 21. Februar 1990 - zu B206/90 - gesondert behandelt werden, um den Fortgang des im übrigen spruchreifen verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens (B 1610/88) nicht zu verzögern.
2.2. Zum Beschwerdefaktum b)
2.2.1. Auf Grund der Ergebnisse des vom Verfassungsgerichtshof durchgeführten Beweisverfahrens, und zwar insbesondere der Aussagen der einvernommenen Zeugen Dr. P S, Dr. H K, Dr. W Z, Mag. G Z, J Z, Mag. G B, Mag. F S und O R sowie des Inhaltes des beigeschafften Aktes AZ 23 c Vr 8033/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, wurde als erwiesen festgestellt, daß der damals mit der Frage der erkennungsdienstlichen Behandlung der (am 12. August 1988 im Haus 1060 Wien, Aegidigasse Nr. 13) Festgenommenen befaßte Mag. G B von der Bundespolizeidirektion Wien bei Richter Dr. P S vom Landesgericht für Strafsachen Wien, der Journaldienst versah, telefonisch anfragte, ob die Häftlinge (jedenfalls) einer erkennungsdienstlichen Prozedur zu unterziehen seien (so Abnahme von Fingerabdrücken), weil sich offenbar nicht alle von ihnen freiwillig dazu bereit gefunden hatten. An den Inhalt dieses Telefongespräches erinnert sich der Zeuge Mag. B nicht mehr. Der Zeuge Dr. S sagte jedoch glaubwürdig aus, daß Mag. B im wiedergegebenen Sinn angefragt und eine richterliche "Stellungnahme zur Absicherung" gewünscht habe. Dr. S gab darauf, wie er im verfassungsgerichtlichen Verfahren als Zeuge deponierte, bekannt, daß er gegen eine "zwangsweise erkennungsdienstliche Behandlung" unter Beachtung einschlägiger Vorschriften nichts einwende.
Auf Grund des für die rechtliche Beurteilung maßgebenden objektiven Gehalts dieser seiner Worte (s. VfSlg. 11.130/1986) durften und mußten die Polizeiorgane also davon ausgehen, daß der (zuständige Journal-)Richter die Verantwortung für die in Erwägung gezogenen (erkennungsdienstlichen) Maßnahmen übernehme und einen entsprechenden Vollzugsauftrag erteile. Demgemäß findet sich in den Administrativakten auch der (mit 12. August 1988 datierte) Vermerk, daß die "erkennungsdienstliche Behandlung" laut Auftrag des Richters bei "Verweigerung . . . mit Zwangsgewalt (Brachialgewalt) durchzuführen" sei. Die hiefür zuständigen Polizeiorgane brachten denn auch diesen Aktenvermerk allen widerstrebenden Festgenommenen - so auch dem Beschwerdeführer - zur Kenntnis, worauf sich die Betroffenen der richterlichen Anordnung fügten.
2.2.2. Angesichts dieses Sachverhaltes, wie er hier objektiv in Erscheinung trat (VfSlg. 11.130/1986), wurde der Beschwerdeführer also in Befolgung eines - wenn auch nur mündlich erteilten (VfSlg. 7203/1973, 9616/1983) - richterlichen Auftrags einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Das bedeutet, daß der bekämpfte Verwaltungsakt dem zuständigen Gericht, d.i. das Landesgericht für Strafsachen Wien - nicht jedoch jener Verwaltungsbehörde, deren Organe in Vollziehung der Anordnung des Journalrichters einschritten - , zuzurechnen und darum (als polizeiliche Maßnahme auf Grund und in Gemäßheit eines Aktes der Gerichtsbarkeit) der Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof entzogen ist (s. VfSlg. 8627/1979, 8921/1980, 9554/1982, 10.272/1984; ferner VfGH 27.2.1981 B632/80; vgl. auch:
VfSlg. 6815/1972, 7203/1973, 8248/1978, 10.669/1985, 10.979/1986), und zwar unbeschadet der (im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht nachzuprüfenden) Frage seiner Gesetzmäßigkeit (VfSlg. 7203/1973; VfGH 25.2.1983 B512/82).
2.2.3. Aus diesen Erwägungen mußte die Beschwerde, soweit sie gegen die polizeiliche Abnahme von Fingerabdrücken gerichtet ist, wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückgewiesen werden.
2.4. Die Kostenentscheidung fußt auf §88 VerfGG 1953.
Bei Berechnung des Kostenbetrages war folgendes zu berücksichtigen: Da sich die Entscheidung nur auf das Beschwerdefaktum b) - nicht aber auf das Faktum a) - bezieht, konnten nur die 1/2 des für die Erstattung der Gegenschrift begehrten Betrages zugesprochen werden. Des weiteren war zu beachten, daß der Verfassungsgerichtshof die Beweistagsatzungen zur Klärung der Frage, ob ein richterlicher Auftrag zur Festnahme und erkennungsdienstlichen Behandlung vorlag, nicht nur aus Anlaß dieser Beschwerde, sondern auch aus Anlaß von sechzehn weiteren Beschwerden durchgeführt hatte; somit konnten für die Intervention des Vertreters der (in all den siebzehn Beschwerdeverfahren als belangte Behörde auftretenden) Bundespolizeidirektion Wien bei diesen Beweiserhebungen nicht die (pro Beschwerdeverfahren und Beweistagsatzung) begehrten 12.500 S, sondern bloß ein 1/17 dieses (um den 50 %-igen Streitgenossenzuschlag erhöhten) Betrages zuerkannt werden.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, erkennungsdienstliche BehandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B1610.1988Dokumentnummer
JFT_10099693_88B01610_00