TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/22 92/11/0122

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Veröffentlicht am 22.09.1992
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Index

44 Zivildienst;

Norm

ZDG 1986 §17;
ZDG 1986 §18;
ZDG 1986 §19 Abs2;
ZDG 1986 §19 Abs3;
ZDG 1986 §19a Abs1;
ZDG 1986 §19a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1992, Zl. 149 302/16-IV/10/92, betreffend vorzeitige Entlassung aus dem Grundzivildienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. Dezember 1991 wies der Bundesminister für Inneres gemäß § 8 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) den Beschwerdeführer dem Sozialhilfeverband Linz-Land zur Leistung des Grundzivildienstes beginnend ab 3. Februar 1992 zu. Der Beschwerdeführer habe bei dieser Einrichtung Hilfsdienste im Pflegebereich, bei der Speisenzubereitung und -verteilung, Hol- und Bringdienste, Reinigungsarbeiten und Hilfsdienste bei den Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an den medizintechnischen und an den haustechnischen Anlagen zu leisten.

Mit Eingabe vom 17. Februar 1992 ersuchte der Rechtsträger der Einrichtung den Bundesminister für Inneres um dringliche Versetzung des Beschwerdeführers. Dieser sei nach dem Ergebnis einer amtsärztlichen Untersuchung aus gesundheitlichen Gründen für den Dienst in Alten- und Pflegeheimen untauglich. Angeschlossen war dem Schreiben ein amtsärztliches Zeugnis vom 4. Februar 1992, in dem die ärztliche Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land den Beschwerdeführer abschließend wie folgt beurteilte: "Aufgrund der aä. Untersuchung ist Herr H nicht geeignet für Tätigkeiten in einem Alten- und Pflegeheim, insbesondere das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 5 kg soll vermieden werden."

Mit Erledigung vom 27. Februar 1992 richtete der Bundesminister für Inneres an die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land unter Hinweis darauf, daß bei der amtsärztlichen Untersuchung vom 4. Februar 1992 die gesundheitliche Nichteignung des Beschwerdeführers für die bei der Einrichtung, der er zugewiesen worden war, vorgesehenen Tätigkeiten festgestellt worden sei, das Ersuchen um Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über die Eignung des Beschwerdeführers zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes.

Im Schreiben vom 10. März 1992 führte die ärztliche Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einleitend aus, daß der Beschwerdeführer am 4. Februar 1992 amtsärztlich untersucht worden sei, "ob er für die Tätigkeit im Bezirksaltenheim gesundheitlich geeignet ist". Nach Wiedergabe der Anamnese und des von ihr erstellten Befundes, wobei auf einen Röntgenbefund vom 23. Jänner 1992 Bezug genommen wurde, hielt die ärztliche Amtssachverständige ihre Beurteilung des Beschwerdeführers wie folgt fest: "Aufgrund dieses objektiven Befundes sind die von ihm angegebenen Beschwerden und Bewegungseinschränkungen glaubhaft. Um eine Verschlechterung hintanzuhalten, ist jedenfalls häufiges Bücken und Heben sowie Tragen schwerer Lasten zu vermeiden. Für Tätigkeiten, bei denen stundenlanges Sitzen erforderlich ist, ist Herr H ebenfalls wegen der dabei auftretenden Beschwerden nicht geeignet. Es ist daher festzustellen, daß Herr H zu Leistungen des ordentlichen Zivildienstes nicht geeignet ist."

Mit Bescheid vom 20. März 1992 verfügte der Bundesminister für Inneres gemäß § 19a Abs. 1 und 2 Z. 2 ZDG die vorzeitige Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Grundzivildienst mit Wirkung vom 5. Februar 1992. Für die verbleibende Restdienstzeit von 239 Tagen werde nach Maßgabe der Möglichkeiten eine neuerliche Zuweisung erfolgen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall ist die Frage des Beginnes der Wirksamkeit der vorzeitigen Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Grundzivildienst strittig. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, daß laut dem ("Für den Bezirkshauptmann" gefertigten) Schreiben der ärztlichen Sachverständigen vom 10. März 1992 anläßlich der amtsärztlichen Untersuchung vom 4. Februar 1992 festzustellen gewesen sei, daß der Beschwerdeführer zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht geeignet sei. Er sei daher gemäß § 19a Abs. 1 ZDG mit Ablauf des Tages dieser Feststellung vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, daß am 4. Februar 1992 nur seine Nichteignung zur Erbringung von Dienstleistungen bei der Einrichtung, der er zugewiesen wurde, festgestellt worden sei, nicht jedoch seine Unfähigkeit zu JEDEM Zivildienst. Gerade darauf stelle aber § 19a ZDG ab. Die belangte Behörde hätte ihn daher nicht rückwirkend mit Ablauf des 4. Februar 1992 aus dem Zivildienst entlassen dürfen.

Gemäß § 19a Abs. 1 ZDG (in der Fassung der ZDG-Novelle 1988) sind Zivildienstleistende, deren Dienstunfähigkeit von dem gemäß § 19 Abs. 2 zuständigen Amtsarzt festgestellt wird, mit Ablauf des Tages dieser Feststellung vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen. Nach Abs. 2 gilt als dienstunfähig, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig ist.

Aus § 19a ZDG folgt zunächst, daß die Rechtsfolge der vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst nur dann in Betracht kommt, wenn der zuständige Amtsarzt die (vorübergehende oder dauernde) Dienstunfähigkeit des Zivildienstleistenden zu JEDEM Zivildienst feststellt. Anderes gilt, wenn gemäß § 19 Abs. 2 ZDG (nur) die Nichteignung zur weiteren Dienstleistung bei der Einrichtung, der ein Zivildienstleistender bescheidmäßig zugewiesen worden ist, festgestellt wird. In diesem Falle kommen nur Verfügungen nach den §§ 17, 18 oder 19 Abs. 3 ZDG in Betracht.

§ 19a Abs. 1 ZDG knüpft den Beginn der Wirksamkeit der vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst an den Ablauf des Tages, an dem der Amtsarzt die Dienstunfähigkeit des Zivildienstleistenden feststellt. Eine solche Feststellung hat nach dem Gesetz, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 19 Abs. 2 ZDG (vgl. dazu auch § 9 Abs. 1 ZDG) ergibt, in Form eines Gutachtens des Amtsarztes zu erfolgen. Es kommt daher insbesondere nicht darauf an, wann die dem Gutachten zugrunde liegende Untersuchung stattgefunden hat oder wann die Dienstunfähigkeit erstmals erkennbar war.

Wie sich aus der einleitenden Sachverhaltsdarstellung ergibt, wurde im vorliegenden Fall ein Gutachten, in dem die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 19a ZDG festgestellt wird, nicht bereits am 4. Februar 1992 erstellt. Das Gutachten von diesem Tag stellte vielmehr lediglich die Nichteignung des Beschwerdeführers für jene Dienstleistungen fest, zu deren Erbringung er der Einrichtung zugewiesen worden war. Folgerichtig erging von seiten der belangten Behörde mit Erledigung vom 27. Februar 1992 nicht etwa eine Entlassungsverfügung gemäß § 19a ZDG, sondern ein Ersuchen um Feststellung der Eignung des Beschwerdeführers zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes. Dies wäre unverständlich, wenn tatsächlich bereits mit dem Gutachten vom 4. Februar 1992 die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 19a ZDG festgestellt worden wäre. Eine Feststellung dieses Inhaltes lag erst mit dem Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. März 1992 vor. Wenn es in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid heißt, die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land habe mit Schreiben vom 10. März 1992 mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer am 4. Februar 1992 amtsärztlich untersucht worden sei und daß seine Nichteignung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes "anläßlich dieser Untersuchung festzustellen war", so weicht die belangte Behörde (das gilt auch für die vergleichbaren Ausführungen in ihrer Gegenschrift) zum einen von der Aktenlage insofern ab, als dieses Schreiben eine derartige Aussage nicht enthält. Zum anderen hat die belangte Behörde dabei die Rechtslage verkannt, weil es nicht darauf ankommt, ob die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 19a ZDG bereits bei der Untersuchung vom 4. Februar 1992 festzustellen war, sondern ob der Amtsarzt in seinem Gutachten von diesem Tage tatsächlich eine solche Feststellung getroffen hat. Das aber war gerade nicht der Fall. Die belangte Behörde hat daher den Beschwerdeführer durch den Ausspruch seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst mit Wirkung ab 5. Februar 1992 in seinen Rechten verletzt.

Aus diesem Grunde ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der in der genannten Verordnung vorgesehene Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits die darauf entfallende Umsatzsteuer umfaßt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110122.X00

Im RIS seit

22.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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