TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/22 92/06/0116

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Veröffentlicht am 22.09.1992
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauO Stmk 1968 §69 Abs3;
BauO Stmk 1968 §73 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art132;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a lita;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §27;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des GN in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. April 1992, Zl. 03-12 Sche 35-92/26, betreffend Übertretung der Steiermärkischen Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschft Bruck an der Mur vom 9. Oktober 1989 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzarrest 6 Tage) verhängt, weil er seit 1. November 1981 bis dato das auf dem Grundstück Nr. 1134/12 der KG R befindliche Wohnhaus benutzt habe, obwohl keine Benützungsbewilligung erteilt worden sei. Aufgrund des Einspruchs des Beschwerdeführers wurde das ordentliche Verfahren eingeleitet. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 6. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, seit 1. Jänner 1981 bis dato das auf dem Grundstück Nr. 1134/12 der KG R befindliche Wohnhaus benutzt zu haben, obwohl vom zuständigen Marktgemeindeamt keine Benützungsbewilligung erteilt worden sei. Er habe hiedurch § 69 Abs. 3 in Verbindung mit § 73 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung übertreten, gemäß § 73 leg. cit. wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzarrest 20 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit Schreiben des Marktgemeindeamtes S vom 10. August 1990 sowie vom 27. November 1990 sei mitgeteilt worden, daß das gegenständliche Objekt nach wie vor ohne Benützungsbewilligung bewohnt werde. In seinen Stellungnahmen habe der Beschwerdeführer u.a. darauf hingewiesen, daß er bereits Maßnahmen gesetzt hätte, um die ärgsten Unzukömmlichkeiten zu verbessern. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens komme die Behörde zur Ansicht, daß der Beschwerdeführer offenbar nicht gewillt sei, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen.

In seiner gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, ein im Straferkenntnis zitiertes Schreiben der Marktgemeinde vom 27. November 1990 sei ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden. Sein Vertreter sei aufgefordert worden, nach Kenntnis des Akteninhaltes eine Stellungnahme zu erstatten. Bei dieser Stellungnahme sei nur ein Schreiben vom 10. August 1990 vorgelegen, worin die Rauchableitung der Heizung beanstandet worden sei, die der Erteilung einer Benützungsbewilligung entgegen stünde. Weiters wies der Beschwerdeführer auf seine wirtschaftliche Notlage hin und bestritt, daß der Zustand des Hauses so sei, daß keine Benützungsbewilligung erteilt werden könne, Alleineigentümerin der Liegenschaft und des Hauses sei die Ehefrau des Beschwerdeführers, er selbst sei nur Bauwerber gewesen und habe als solcher auch um Erteilung der Benützungsbewilligung angesucht. Überdies sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht erhoben worden seien. Er lebe vom Existenzminimum und sei sorgepflichtig für zwei Kinder. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. April 1992 wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 6. Februar 1991 insofern abgeändert, als festgestellt wurde, daß das mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S vom 4. Mai 1977 bewilligte Wohnhaus seit 1. Jänner 1981 ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung benützt wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß es nicht Gegenstand des anhängigen Strafverfahrens sei, zu prüfen, ob der Bau mit der Baubewilligung übereinstimme, sondern daß es allein darauf ankomme, ob das Haus ohne Benützungsbewilligung benutzt wurde oder nicht. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft, der Beschwerdeführer dagegen Eigentümer des darauf befindlichen Wohnhauses. Da er seiner Verpflichtung als Eigentümer nicht nachgekommen sei, sei er auch Adressat des gegenständlichen Strafverfahrens. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdevertreter bezeichnete in seiner Beschwerde das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" als belangte Behörde. Der Beschwerde legte er den angefochtenen Bescheid bei, auf dessen Kopf die Bezeichnung "Amt der Steiermärkischen Landesregierung-Rechtsabteilung 3" aufscheint, die Fertigungsklausel lautet "Für die Steiermärkische Landesregierung". In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Slg. NF Nr. 12.088/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß dann, wenn in einer Beschwerde über eine Berufung gegen ein Straferkenntnis einer Bezirkshauptmannschaft wegen einer Verwaltungsübertretung als belangte Behörde deren Hilfsapparat (Amt der Landesregierung) bezeichnet ist, die Beschwerde deshalb nicht zurückzuweisen ist. Es bedürfe auch keines Mängelbehebungsauftrages gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Herbeiführung der richtigen Bezeichnung der belangten Behörde. Es sei jene Behörde Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens, einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen, sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation als belangte Behörde zu erkennen sei. Es sei hier die Landesregierung. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß trotz der Bezeichnung des Hilfsapparates der belangten Behörde als belangte Behörde die Steiermärkische Landesregierung zu erkennen ist. Ein diesbezügliches Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist daher nicht geeignet, die behauptete mangelnde Passivlegitimation der belangten Behörde darzutun.

In seiner Beschwerde weist der Beschwerdeführer zunächst darauf hin, daß er sich bereits in seiner Berufung auf Notstand im Sinne des § 6 VStG berufen habe. Dieser Notstand bestehe darin, daß dem Beschwerdeführer jegliche Mittel fehlten, den Bau soweit fertig zu stellen, daß er all den Bestimmungen entspreche, die die Steiermärkische Bauordnung erwarte. Der Schuldausschließungsgrund des Notstandes im Sinne des § 6 VStG ist jedoch nur anzunehmen, wenn jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; dies trifft aber bei einer nur wirtschaftlichen Not nicht zu (vgl. die Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 1986, Zl. 86/05/0065, vom 20. Oktober 1988, Zl. 88/08/0036, u.v.a.). Ein strafbefreiender Notstand ist schließlich nur dann gegeben, wenn eine Verwaltungsübertretung zur Abwendung einer dem Beschuldigten unmittelbar drohenden Gefahr erfolgt, die so groß ist, daß er sich in umwiderstehlichem Zwang befindet, eher die in Betracht kommende Vorschrift zu übertreten, als das unmittelbar drohende Übel über sich ergehen zu lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Dezember 1952, Slg. NF Nr. 2.783/A, vom 9. Februar 1961, Slg. NF Nr. 5.495/A, u.v.a.). Der Beschwerdeführer war durch keinerlei Zwang gehalten, von der erteilten Baubewilligung Gebrauch zu machen, wenn die vorhandenen Mittel nicht so weit reichten, den Bau so fertigzustellen, daß er allen baubehördlichen Bestimmungen entspreche. Überdies war er auch nicht gezwungen, das Gebäude ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung zu bewohnen.

Dem Beschwerdevorbringen, bei der Benützung ohne Benützungsbewilligung handle es sich um ein Zustandsdelikt, es sei der Zeitraum vom 1. Jänner 1981 zumindest bis 28. April 1989 absolut verjährt, ist zu erwidern, daß entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die Benützung ohne Baubewilligung im Geltungsbereich der Steiermärkischen Bauordnung ein fortgesetzten Delikt ist, und die Verjährungsfrist erst von dem Zeitpunkt an zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen war (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4, Seite 877 unter E 36 und 37 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Da die strafbare Tätigkeit, nämlich die Benützung des bewilligten Gebäudes ohne Benützungsbewilligung unbestritten jedenfalls bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses andauerte, war auch grundsätzlich für die Zeit bis 28. April 1989 keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Allerdings - in diesem Umfang ist das diesbezügliche Beschwerdevorbringen berechtigt - finden sich im Akt keine Hinweise dafür, daß die Benützung bereits seit 1. Jänner 1981 erfolgte: In der Strafverfügung vom 9. Oktober 1989 ist ein Tatzeitraum vom 1. November 1981 bis dato inkriminiert, auch im Schreiben der Marktgemeinde S vom 28. September 1989 ist festgehalten, daß die Benützung seit 1. November 1981 erfolgt. In einem weiteren Schreiben der Marktgemeinde S vom 27. November 1990, das nach dem in dieser Hinsicht unbestritten gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers diesem nicht einmal vorgehalten wurde, wird festgehalten, daß das Objekt seit 1. Dezember 1981 von verschiedenen Personen, jedenfalls durchgehend von Frau AN, ohne Bewilligung bewohnt werde. Hinweise dafür, daß das Gebäude bereits seit 1. Jänner 1981 bewohnt werde, können dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden. Schon dadurch ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die Berufungsbehörde hat, soferne die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, nur in der Sache selbst zu entscheiden. Die Sache ist dabei immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1971, Slg. N.F. Nr. 8.123/A). Die Berufungsbehörde ist dabei berechtigt, in Entsprechung des § 44a lit. a VStG die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat dahin zu ergänzen, daß im Spruch des Bescheides nunmehr sämtliche Tatbestandsmerkmale der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften enthalten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1979, Zl. 2029/79. Wechselt aber die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befungnis in Anspruch (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1975, Slg. N.F. Nr. 8.864/A, vom 27. Juli 1980, Slg. N.F. Nr. 10.186/A, u.v.a.). Zutreffend hat nun die belangte Behörde erkannt, daß eine Bestrafung wegen Benützen ohne Benützungsbewilligung eine rechtskräftige Baubewilligung voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1987, Zl. 84/05/0072, BauSlg. 886) und die diesbezügliche Ergänzung in den Spruch ihres Bescheides aufgenommen. Allerdings hat sie den erstinstanzlichen Bescheid nicht nur insofern abgeändert, als ergänzt wurde, daß für das Gebäude eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt, sie hat vielmehr insofern noch eine weitere Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommen, als im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur dem Beschwerdeführer angelastet worden war, er habe das Gebäude selbst benutzt, während im Berufungsbescheid festgestellt wurde, daß das Gebäude ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung benützt werde. Damit hat sie aber eine unzulässige Auswechslung der Tat vorgenommen, die den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das weitere (zutreffende) Beschwerdevorbringen, die zweitinstanzliche Behörde hätte zumindest feststellen müssen, welches Einkommen sie dem Beschwerdeführer zumesse.

Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren für die Vergebührung einer nicht erforderlichen Ausfertigung der Beschwerde war abzuweisen.

Schlagworte

Anrufung der obersten BehördeUmfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des RechtsgrundesBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060116.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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