Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der H-GmbH in X, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 26. Februar 1992, Zl. 30.109-3/92, betreffend Umsatzsteuer 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Strittig ist die durch die Abgabenbehörden für 1985 vorgenommene Vorsteuerberichtigung im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG infolge Einbaus seitlicher Fenster in diesem Jahr in den 1983 angeschafften Puch-Geländewagen 300 GD 2 mit geschlossenem Aufbau, wodurch dieser seine Eigenschaft als Lastkraftwagen verloren habe.
Auf das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1991, 91/15/0045, in dieser Sache wird hingewiesen.
Die belangte Behörde hat in ihrem Ersatzbescheid die Berufung neuerdings als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 15. Juni 1992, B 449/92-4, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben der Vorsteuerberichtigung verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Unter Hinweis auf das zitierte Vorerkenntnis in seiner Sache macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe entgegen der ihr überbundenen Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geprüft, ob bei der Anschaffung das Fahrzeug die Eigenschaft eines Lkw oder eines Pkw gehabt habe. Sie sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, durch den Fenstereinbau sei aus einem Lkw ein Pkw geworden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat der belangten Behörde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG Gelegenheit gegeben, zu diesem Vorwurf einer Verletzung des § 63 Abs. 1 VwGG, die sich schon aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zu ergeben schien, alles vorzubringen, was geeignet wäre, das Vorliegen dieser Rechtsverletzung als nicht gegeben erkennen zu lassen.
Die belangte Behörde hat hievon Gebrauch gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Vorbringen der belangten Behörde ist nicht geeignet, das Vorliegen der in der Beschwerde behaupteten und sich bereits aus dem angefochtenen Bescheid ergebenden Rechtsverletzung zu widerlegen.
Die Bindung der Behörde sowie des Verwaltungsgerichtshofes selbst im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG erstreckt sich auf alle vom Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis gegebene Antworten auf Fragen, die eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt des aufhebenden Erkenntnisses bilden.
Im vorliegenden Fall gehört hiezu die im Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, 89/14/0291, das ebenfalls ein als Lkw typisiertes Kfz betraf, das vom Verwaltungsgerichtshof als Pkw bzw. Kombi beurteilt wurde, gelegene Aussage im Vorerkenntnis, daß es für die steuerliche Einordnung als Lastkraftwagen einerseits oder als Pkw bzw. Kombi andererseits auf die kraftfahrrechtliche Typisierung des Fahrzeuges als Lastkraftwagen nicht ankommt. Es ist daher ein Kraftfahrzeug, das schon äußerlich den üblichen Typen von Geländefahrzeugen bzw. Stationswagen entspricht, steuerlich als Pkw bzw. Kombi zu behandeln. Solches träfe auf den Puch-Geländewagen 300 GDN 3-2 Stationswagen 2400 laut dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1990, 89/14/0291 (ÖStZB 1991, 190), zu. Konkrete Fakten für die Beurteilung, inwieweit das streitgegenständliche Fahrzeug demjenigen entspräche, das Gegenstand des Erkenntnissese vom 23. Oktober 1990 gewesen sei, fehlten, weshalb sich nicht beantworten ließe, ob das gegenständliche Kraftfahrzeug überhaupt ursprünglich zu Recht umsatzsteuerrechtlich als Lkw behandelt worden sei. Auch Fahrzeuge mit geschlossenem Aufbau, also ohne hintere Seitenfenster, wären unter Umständen durchaus schon von vornherein nicht der Kategorie Lkw zuzordnen. Insofern komme der Frage des nachträglichen Einbaus von Seitenfenstern zentrale Bedeutung nicht zu. Selbst in einem relevanten Umbau zum Pkw könne kein Eigenverbrauch erblickt werden. Es könnte dies - innerhalb der relevanten vier Jahre - nur zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges führen. Sollte im fortgesetzten Verfahren festgestellt werden, daß es sich von vornherein nicht um einen Lkw gehandelt habe, könnte der bereits erfolgte Vorsteuerabzug ausschließlich im Jahre der Anschaffung des Kfz rückgängig gemacht werden, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften eine Berichtigung der Veranlagung dieses Jahres zuließen.
Von diesem zuletzt genannten Fall ist auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ausgegangen.
Sie hat vielmehr angenommen, daß das Kraftfahrzeug schon seinerzeit ("von vornherein") zu Recht als Lkw behandelt worden sei, dies mit folgender Begründung:
"Nach dem vorliegenden Typenschein handelt es sich bei dem gegenständlichen Kraftfahrzeug, Marke
Puch-Geländewagen 300 GD 2, um einen werkseitig hergestellten Lastkraftwagen mit geschlossenem Aufbau (ohne seitliche hintere Fenster) mit zwei Seitentüren und einer einflügeligen Tür in der Rückwand zur Beförderung von zwei Personen einschließlich Lenker und Gütern. Die gegenständliche Fahrzeugtype wird auch werkseitig mit zweitürigem Fahrerhaus und offenem Laderaum und Ladeklappe in der Rückwand geliefert (Ladegewicht über 600 kg). Demnach liegt auf Grund der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Kraftfahrzeuges, nach seiner von vornherein und im allgemeinen typischen Beschaffenheit und Bauart im Sinne der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes ein Lastkraftwagen vor."
Zur Unterstützung dieser Meinung legte die belangte Behörde mit ihrer Äußerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die ihr von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Typengenehmigungsbescheide mit rückseitigem Vermerk des Herstellerwerkes in Ablichtung vor. Es handelt sich dabei um den Typengenehmigungs-Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr (Tag der Prüfung 24. Juni 1980, Änderung mit Erlaß vom 20. November 1981) betreffend Puch 300 GDN 3-2 mit dem rückseitigen Vermerk des Herstellerwerkes, daß das Fahrzeug des Beschwerdeführers (Puch-Geländewagen 300 GD 2) mit der genehmigten Type übereinstimme, sowie den Zusatzbescheid des Bundesministeriums für Verkehr vom 8. Juli 1982 betreffend die Ausführungen B, C samt Zeichnung.
Weder aus diesen Unterlagen noch aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides läßt sich entnehmen, daß sich das vom Beschwerdeführer 1983 angeschaffte Kraftfahrzeug hinsichtlich des typischen Erscheinungsbildes an Hand seiner charakteristischen, das Fahrzeug von einem Lastkraftwagen unterscheidenden Merkmale vom Puch Geländewagen 300 GDN 3-2 Stationswagen 2400 in einer Weise unterscheide, die es erlaubte, das Fahrzeug steuerlich anders als das als Maßstab im bindenden Vorerkenntnis für ein Geländefahrzeug bzw. einen Stationswagen herangezogene Vergleichsfahrzeug einzustufen.
Dafür, ob es sich um einen "werkseitig hergestellten Lastkraftwagen" im steuerlichen Sinn handelt, ist die Typisierung durch die Behörde ebensowenig entscheidend wie die Bezeichnung durch den Hersteller. Im übrigen ist in der Bestätigung des Herstellers vom 6. April 1983 (Rückseite des Typengenehmigungs-Bescheides) das gegenständliche Fahrzeug ausdrücklich als "Puch-Geländewagen 300 GD 2" bezeichnet. Die in der vorgelegten Zeichnung enthaltenen Abbildungen des Puch 300 GDN 3-2 (mit einem Kreuz angezeichnet ist die Ausführung B) zeigen das typische Erscheinungsbild eines Geländewagens und nicht das eines Lastkraftwagens. Die höchste zulässige Belastung der Ausführungen A und B beträgt 660 kg, ihre höchste zulässige Nutzlast 592 kg. Das Fehlen von Seitenfenstern ist laut dem Vorerkenntnis für die Einstufung nicht von zentraler Bedeutung.
Der Beschwerdeführer rügt daher zu Recht, daß die belangte Behörde der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen § 63 Abs. 1 VwGG nicht Rechnung getragen hat, weil sie von der Zulässigkeit der Vorsteuerberichtigung im Streitjahr ausgegangen ist, ohne daß sich aus ihren Feststellungen (einschließlich der vorgelegten Unterlagen) eine entscheidende Abweichung von dem im Vorerkenntnis angeführten Kraftfahrzeug (300 GDN 3-2 Stationswagen 2400), das als Pkw bzw. Kombi einzustufen sei, entnehmen ließe.
Dadurch hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG) belastet.
Da sich diese Rechtsverletzung schon aus dem angefochtenen Bescheid ergab, was zu widerlegen der belangten Behörde nicht gelang, war der angefochtene Bescheid gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992140139.X00Im RIS seit
22.09.1992