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L00209 Auskunftspflicht Informationsweiterverwendung Wien;Norm
AuskunftspflichtG Wr 1988 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Dr. H und 2. des Dr. R, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. April 1992, Zl. MA 64-B 76/91, betreffend Verweigerung einer Auskunft nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. April 1992 wurde spruchgemäß wie folgt entschieden:
"Gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 25. 4. 1988 über die Auskunftspflicht (Wiener Auskunftspflichtgesetz) LGBl. für Wien Nr. 20/1988 wird der Antrag der Rechtsanwälte Dr. H und Dr. R vom 21. August 1991 auf Auskunft darüber, daß "im März/April 1991 für den Gehsteig vor dem Haus Wien, M-Straße 1a (k)eine Bewilligung zum Aufstellen von Werbeständern nach § 82 StVO bzw. TP B 24/C/6 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 i.d.F. des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 43/1990 für die "N"-Zeitschriften Verlags-GesmbH oder eine "X" Gesellschaft bestand" abgewiesen."
Die Berufungsbehörde verwies in der Begründung ihres Bescheides auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach das vorliegende Auskunftsverlangen mit der Rechtsfindung in einem anhängigen Gerichtsverfahren begründet worden sei, da nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung die Auskunft für die Entscheidung unabdingbar sei. Nach Meinung der Beschwerdeführer könne das Interesse einer Partei an der Geheimhaltung des Bestehens oder Nichtbestehens einer öffentlich-rechtlichen Bewilligung denkunmöglich überwiegen. Nach einer Wiedergabe des Wortlautes des § 1 Abs. 1 und 3 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes sowie des Art. 20 Abs. 3 B-VG vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, daß auch individuelle Verwaltungsakte der Auskunftspflicht unterlägen und die im Art. 20 Abs. 3 B-VG angeführten Verschwiegenheitsgründe taxativ aufgezählt seien. Bei der Beurteilung der Frage, ob schutzwürdige Interessen des Betroffenen überwiegen, seien dann besonders strenge Maßstäbe zu setzen, wenn die Auskunft dessen persönlichen oder wirtschaftlichen Bereich berühre. Die Beschwerdeführer hätten ihren Antrag damit begründet, daß sie im Verfahren beim Handelsgericht Wien, welches gegen die N-Zeitschriften Verlagsgesellschaft m.b.H. als Beklagte geführt werde, die Kläger vertreten. Das Begehren lasse somit offensichtlich erkennen, daß die gewünschte Auskunft über die im Spruch genannten Verlage im Wettbewerbskampf zum Vorteil der von ihnen vertretenen Konkurrenzunternehmen verwendet werden soll. Für die Behörde stehe zweifelsfrei fest, daß das erkennende Gericht in einem anhängigen Zivilprozeß, sofern die begehrte Auskunft zur Wahrheitsfindung erforderlich sei, im Amtshilfeweg die entsprechende Auskunft einholen könne. Da im konkreten Fall die Auskunft von dem privaten Auskunftswerber offensichtlich im wirtschaftlichen Wettbewerb benötigt werde, sei die Behörde erster Instanz zu Recht davon ausgegangen, daß schutzwürdige Interessen des die Auskunft Betreffenden das Interesse des Auskunftswerbers an der angestrebten Information überwiegen.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Abs. 1, 3 und 5 des § 1 des Wiener Auskunftspflichtgesetzes, LGBl. Nr. 20/1988, haben nachstehenden Wortlaut:
"(1) Die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
.....
(3) Jedermann hat das Recht, Auskünfte zu verlangen.
.....
(5) Auskunft ist nur insoweit zu erteilen, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Auskunft ist nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig begehrt wird."
Zufolge Art. 20 Abs. 3 B-VG sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit).
Die belangte Behörde ist entsprechend der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides einerseits davon ausgegangen, daß das erkennende Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses die begehrte Auskunft erhalten würde, sofern diese zur Wahrheitsfindung erforderlich ist, und hat andererseits die Auffassung vertreten, daß die Auskunft offensichtlich im wirtschaftlichen Wettbewerb benötigt werde, weshalb schutzwürdige Interessen des die Auskunft Betreffenden das Interesse des Auskunftswerbers an der angestrebten Information überwiegen.
Zunächst ist festzuhalten, daß der von der belangten Behörde gegebene Hinweis auf die dem Zivilgericht allenfalls im Wege der Amtshilfe im Sinne des Art. 22 B-VG zu erteilende Auskunft über das den Gegenstand des Auskunftsbegehrens der Beschwerdeführer bildende Thema insofern ohne rechtliche Bedeutung ist, als den Bestimmungen des Wiener Auskunftspflichtgesetzes nicht entnommen werden kann, daß eine Auskunft verweigert werden darf, wenn sie gegebenenfalls - mittelbar - im Wege der Amtshilfe im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens erwirkt werden kann. Im übrigen verkennt die belangte Behörde bei der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung, daß die von den Beschwerdeführern verlangte Auskunft im Rahmen eines Zivilprozesses zur Durchsetzung möglicher Ansprüche benötigt wird, weshalb bei Abwägung der Interessen der an diesem gerichtlichen Verfahren Beteiligten darauf Bedacht genommen werden muß, daß die verlangte Auskunft geeignet sein kann, als Mittel zur Herbeiführung eines dem Gesetz entsprechenden Ergebnisses (im Beschwerdefall also die Beseitigung der durch eine allfällige Verletzung der guten Sitten im Wettbewerb im Sinne des § 1 UWG entstandenen Folgen) zu dienen. Nach Ansicht des Gerichtshofes entspricht es daher nicht dem Sinn des im Art. 20 Abs. 3 B-VG verankerten Gebotes der Interessenabwägung, den Beschwerdeführern die verlangte Auskunft lediglich mit dem Hinweis darauf zu verweigern, daß sie "im wirtschaftlichen Wettbewerb benötigt würde".
Die belangte Behörde hat daher in dieser Hinsicht die Rechtslage unrichtig beurteilt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer war abzuweisen, weil für die in zweifacher Ausfertigung vorzulegende Beschwerde und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides insgesamt nur S 300,-- an Stempelgebühr zu entrichten waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050131.X00Im RIS seit
22.09.1992Zuletzt aktualisiert am
07.10.2016