Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in O, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. März 1992, Zl. IIb2-K-2405/2-1992, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. März 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 wegen Verkehrsunzuverlässigkeit die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B für die Dauer von zehn Monaten (ab Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 5. April 1991 am 17. April 1991) vorübergehend entzogen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der bekämpften Maßnahme liegt zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 26. März 1991 zwischen 01.47 Uhr und 01.52 Uhr in Grieß am Brenner sowie nach einem in der Zwischenzeit erfolgten Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr um 02.42 Uhr in Steinach am Brenner abermals eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 durch Verweigerung der Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt begangen hat. Der Beschwerdeführer wurde deshalb mit Berufungserkenntnissen des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 23. Oktober 1991 rechtskräftig bestraft. Die belangte Behörde ging unter Hinweis auf ihre Bindung an die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers davon aus, daß er diese zwei Alkoholdelikte begangen habe. Aus ihnen ergebe sich auf Grund ihrer Verwerflichkeit seine Verkehrsunzuverlässigkeit, wobei auf Grund der Tatsache der zweimaligen Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auch unter Berücksichtigung seiner bisherigen Unbescholtenheit der von der Erstbehörde gezogene Schluß berechtigt sei, daß die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers erst nach Verstreichen von zehn Monaten wieder gegeben sein werde.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, übersehen zu haben, daß eine seine Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e sublit. aa KFG 1967 nur dann vorläge, wenn er WIEDERHOLT eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hätte. Diese Voraussetzung liege aber bei nur zwei derartigen Verstößen noch nicht vor. Dazu komme, daß die ihm vorgeworfenen Delikte zu Zeitpunkten begangen worden seien, die "außerhalb" der jeweiligen Lenktätigkeit gelegen seien. § 66 Abs. 2 lit. e sublit. aa KFG 1967 stelle aber darauf ab, daß die Übertretungen "hiebei", also BEIM Lenken oder Inbetriebnehmen des Fahrzeuges begangen worden sei.
Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer läßt zum einen die Änderungen, die § 66 Abs. 2 lit. e durch die 12. und 13. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 375/1988 und BGBl. Nr. 458/1990, erfahren hat, außer acht. Nach der nunmehrigen Fassung dieser Bestimmung liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 bereits dann vor, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach Art. IX Abs. 1 Z. 3 EGVG zu beurteilen ist. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers bildet daher bereits die einmalige Begehung eines Alkoholdeliktes nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967. Zum anderen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. Oktober 1984, Zl. 84/11/0161, klargestellt, daß das Wort "hiebei" als "im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen" erfolgt zu verstehen ist. Eben dies trifft auf die gegenständlichen zwei Alkoholdelikte offensichtlich zu.
Der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Erstbehörde die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers bereits zu einem Zeitpunkt angenommen habe, zu dem die Begehung der beiden Alkoholdelikte noch nicht rechtskräftig festgestellt gewesen sei. Dies widerspreche der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK wie auch jener des § 66 Abs. 1 KFG 1967.
Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Gemäß § 66 Abs. 1 KFG 1967 gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muß, daß sie eine Sinnesart im Sinne der lit. a oder b aufweist. Die belangte Behörde hatte in Ausübung sowohl ihrer Kontroll- als auch ihrer reformatorischen Funktion (vgl. zu diesen Begriffen das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. 11.237/A) in Bindung an die rechtskräftigen Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 23. Oktober 1991 davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer diese beiden Alkoholdelikte begangen hat. Es handelt sich demnach jedenfalls um "erwiesene" Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967. Im übrigen stellt diese Bestimmung gar nicht darauf ab, daß eine bestimmte Tatsache rechtskräftig festgestellt ist. Vielmehr ist die Kraftfahrbehörde dann, wenn noch keine sie bindende Entscheidung vorliegt, berechtigt, selbständig zu beurteilen, ob sie eine bestimmte Tatsache auf Grund der ihr vorliegenden Beweisergebnisse als erwiesen ansieht oder nicht. Von dieser Möglichkeit hat die Erstbehörde bei Erlassung des Mandatsbescheides vom 5. April 1991 Gebrauch gemacht.
Unberechtigt ist auch der Vorwurf, die belangte Behörde habe jede Wertung des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 unterlassen. Schon eine einzige Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 berechtigt auf Grund ihrer besonderen Verwerflichkeit zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person.
Dementsprechend sieht § 73 Abs. 3 KFG 1967 für diesen Fall, soferne hiebei nicht auch ein Verkehrsunfall verschuldet wurde, die Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von vier Wochen vor. Insofern gibt daher das Gesetz in Ansehung der Verwerflichkeit von Alkoholdelikten selbst eine "starre Automatik bzw. eine schablonenhafte Beurteilung" vor und bleibt demnach der Kraftfahrbehörde für eine davon abweichende Beurteilung kein Raum. Im übrigen hat die belangte Behörde entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers sein strafbares Verhalten im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG gewertet. Sie hat unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit dem Umstand der zweimaligen Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 zum Nachteil des Beschwerdeführers besonderes Gewicht beigemessen und daraus - unter Berücksichtigung seiner bisherigen Unbescholtenheit - den Schluß gezogen, die Wiedererlangung seiner Verkehrszuverlässigkeit sei erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit von zehn Monaten zu erwarten. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Das Fehlen einer ausdrücklichen Bedachtnahme auf die übrigen Wertungsgesichtspunkte des § 66 Abs. 3 KFG 1967 bewirkt deshalb nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil den Kriterien der "seither verstrichenen Zeit" und des "Verhaltens während dieser Zeit" im Hinblick auf die Kürze der Zeit bis zur Erlassung des Mandatsbescheides der Erstbehörde keine Bedeutung zukommen konnte und es für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person auf Grund von Alkoholdelikten nicht erforderlich ist, daß diese "unter gefährlichen Verhältnissen" begangen wurden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1987, Zl. 87/11/0140).
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 der relativ enge zeitliche Konnex zwischen den beiden Alkoholdelikten nicht wesentlich und kommt es auch nicht darauf an, ob die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft "jeweils nach selbständiger Alkoholkonsumation erfolgt oder nur nach einer Alkoholkonsumation". Für die Verwerflichkeit der zweiten Übertretung ist es ohne Belang, daß der Beschwerdeführer nach der ersten Übertretung den Arzt Dr. O. aufgesucht hat, "um sich von seiner Verkehrszuverlässigkeit überzeugen zu lassen". Denn dieser Umstand entband ihn keineswegs von der Verpflichtung, der etwa eine Stunde später nach einer zwischenzeitigen Lenktätigkeit an ihn ergangenen Aufforderung eines Organes der Straßenaufsicht zur Überprüfung der Atemluft mittels Alkomaten zu entsprechen. Es bedurfte daher weder der vom Beschwerdeführer beantragten Vernehmung des betreffenden Arztes noch der vom Beschwerdeführer vermißten Feststellungen über das Ergebnis der Untersuchung. Auf den Grund für die Verweigerung des Beschwerdeführers, seine Atemluft mittels Alkomaten überprüfen zu lassen, kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1988, Zl. 87/11/0270, und vom 25. April 1989, Zl. 88/11/0086). Sollte das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er die Untersuchung der Atemluft mittels Alkomaten wegen des angeblichen Verdachtes einer bei ihm bestehenden Lungen-TBC im öffentlichen Interesse verweigert habe, als Bestreitung seines Verschuldens an der Tat oder als Geltendmachen eines Rechtfertigungsgrundes zu verstehen sein, so ist dem die Tatsache der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers wegen zweier Übertretungen nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 entgegen zu halten. Damit stand für die belangte Behörde das Verschulden des Beschwerdeführers wie auch das Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes bindend fest und bedurfte es weder der vom Beschwerdeführer vermißten Feststellungen im angefochtenen Bescheid über sein Vorbringen hinsichtlich des Verdachtes einer Lungen-TBC noch der Einholung eines medizinischen Gutachtens darüber, ob die Betätigung eines Alkomaten durch einen im Verdacht der Erkrankung der Atmungsorgane Stehenden "eine öffentliche Gefährdung" darstelle. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit den insoweit behaupteten Verfahrensmängeln behaftet.
Schließlich macht es für die Wertung von Alkoholdelikten keinen Unterschied, ob jemand "tatsächlich in alkoholisiertem Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat oder ob er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand war, ferner ob dieser Umstand tatsächlich vorhanden war oder ob er nur vermutet werden konnte". Entscheidend ist, daß der Betreffende ein Alkoholdelikt nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat. Diese Delikte sind, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Juni 1991, Zl. 90/11/0234, mit weiteren Judikaturhinweisen), hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit als gleichwertig zu beurteilen. Schon im Hinblick darauf kann dem vom Beschwerdeführer als aktenwidrige Sachverhaltsannahme gerügten Umstand, daß es im angefochtenen Bescheid heißt (Seite 4 oben), der Beschwerdeführer habe nach der ersten Verweigerung der Durchführung eines Alkotests wiederum "in alkoholisiertem Zustand" ein Fahrzeug gelenkt, nach dem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol derartiges aber nur "vermutet werden konnte", keine Relevanz beigemessen werden. Davon abgesehen handelt es sich hiebei offensichtlich nicht um den Vorwurf einer Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960, sondern bloß um den Versuch der Umschreibung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 StVO 1960, daß nämlich beim Beschwerdeführer vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinde. Desgleichen ist für die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 der Umstand ohne rechtliche Bedeutung, daß es im Mandatsbescheid vom 5. April 1991 hieß, für die Gendarmeriebeamten sei "offenbar" gewesen, daß sich der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinde, während im Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol insoweit nur noch von einer berechtigten Vermutung die Rede ist. In diesem Zusammenhang führt der Beschwerdeführer zu Recht aus, die Verwerflichkeit des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand steige mit dem Grad der Alkoholisierung. Daraus folgt aber keineswegs eine geringere Verwerflichkeit der Verweigerung einer entsprechenden Untersuchung gegenüber dem Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem erwiesenermaßen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Der Möglichkeit der Entkräftung des entstandenen Verdachtes, daß er sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, hat sich der Beschwerdeführer durch sein Verhalten selbst begeben.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als nicht begründet. Sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
TatbildLenken oder Inbetriebnehmen eines KraftfahrzeugesRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110124.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
26.11.2010