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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Tir 1989 §25 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentMag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des L in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. Februar 1992, Zl. 2/30-1/1991, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 19. September 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dadurch, daß er in der Zeit vom 3. Mai 1991 bis zumindest 5. Juli 1991 auf seiner Grundparzelle Nr. n1 KG S Arbeiten zur Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftgebäudes durchgeführt habe, obwohl für dieses bewilligungspflichtige Bauvorhaben keine rechtskräftige Baubewilligung vorlag und überdies mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 2. April 1990 die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt wurde, eine Übertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 in Verbindung mit § 25 lit. a der Tiroler Bauordnung (TBO) und eine Übertretung des § 53 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 40 Abs. 2 TBO begangen zu haben. Wegen dieser zwei Verwaltungsübertretungen wurden über ihn Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 100.000,-- (Ersatzarrest jeweils 6 Wochen) verhängt. Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 1992 das Straferkenntnis vom 19. September 1991 in seinem Punkt 1 (Übertretung nach § 25 lit. a in Verbindung mit § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TBO) behoben und zu seinem Punkt 2 der Berufung insofern Folge gegeben, als die Strafe auf S 60.000,-- (Ersatzarrest 4 Wochen) herabgesetzt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wegen der Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes auf der Grundparzelle Nr. n1, KG S, ohne die erforderliche Baubewilligung wurde der Beschwerdeführer bereits zumindest zweimal bestraft. Mit seinen Erkenntnissen vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0137 und vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0186 hat der Verwaltungsgerichtshof die angefochtenen, an denselben Beschwerdeführer gerichteten Bescheide jeweils hinsichtlich der Übertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben und ausgesprochen, daß dann, wenn die Baueinstellung wegen Fehlens einer Baubewilligung und nicht etwa wegen eines anderen der im § 53 Abs. 1 lit. f TBO angeführten Sachverhaltes erfolgte, durch das Weiterbauen ohne Baubewilligung seit Erlassen der Einstellverfügung durch den Beschwerdeführer dasselbe Rechtsgut verletzt wurde und daher seit der Erlassung der Einstellverfügung hinsichtlich des Deliktes zu Punkt 1 Konsumtion vorliege. Diesbezüglich liege eine unzulässige Doppelbestrafung des Beschwerdeführers vor. Hinsichtlich der Übertretungen nach § 53 Abs. 1 lit. f TBO wurde die Beschwerde jeweils als unbegründet abgewiesen. Aufgrund dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid auch das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft betreffend die Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a TBO aufgehoben.
In der gegenständlichen Beschwerde wird nun ausgeführt, der Bürgermeister der Gemeinde S verweigere dem Beschwerdeführer nunmehr seit Jahren - nach Auffassung des Beschwerdeführers rechtswidrig und aus Gründen persönlicher Feindschaft - die Erteilung einer Baubewilligung für ein Wohn- und Wirtschaftgebäude. Da der Beschwerdeführer zutiefst davon überzeugt sei, daß die Verweigerung der Baubewilligung ein rechtswidriger und willkürlicher Behördenakt sei, und er die zwischenzeitlich immerhin fünfjährige Verfahrensdauer wohl nicht zu Unrecht als einen Akt der Rechtsverweigerung empfinde, habe er ungeachtet der Tatsache, daß er über keine rechtskräftige Baubewilligung verfüge, mit der Errichtung des geplanten Wohn- und Wirtschaftgebäudes begonnen und trotz der wiederholten und erheblichen Strafen, die über den Beschwerdeführer verhängt wurden, die Arbeiten zur Errichtung des Wohn- und Wirtschaftgebäudes fortgesetzt. Aufgrund dieses Verhaltens hätte aber die Behörde die Zurechnungs- und Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel ziehen und von einer Bestrafung des Beschwerdeführers absehen müssen, zumal erkennbar und offensichtlich sei, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers nicht den Strafzweck herbeizuführen vermöge, dem Beschwerdeführer das verbotene seiner Handlungsweise bewußt zu machen und ihn von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen derselben Art abzuhalten. Mit diesem Vorbringen vermochte der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides jedoch nicht darzutun. Nach § 3 Abs. 1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist dann, wenn die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Maß vermindert war, dies als mildernder Umstand bei Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewußtseinsstörungen, die auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhen. Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, sind die Bestimmungen des § 3 VStG von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1967, Zlen. 1134 und 1135/67,). Allerdings weist die Uneinsichtigkeit des Beschuldigten allein nicht zwingend auf einen Zustand nach § 3 Abs. 1 oder 2 VStG hin, weil nach der Lebenserfahrung uneinsichtig auch dann gehandelt wird, wenn keine Bewußtseinsstörung, keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit und keine Geistesschwäche vorliegt. Das aktenkundige Verhalten, das der Beschwerdeführer während des Verwaltungsstrafverfahrens, insbesondere anläßlich der Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten am 25. Juni 1991 sowie am 7. August 1991 zutage legte, ließ, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, keinen Hinweis auf eine Bewußtseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder Geistesschwäche zu. Da keinerlei Indizien in dieser Richtung vorlagen, war auch die belangte Behörde nicht gehalten, von einer mangelnden Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit auszugehen.
Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß hinsichtlich der Weiterführung der Bauarbeiten am Wohn- und Wirtschaftsgebäude ein einheitliches Tatmotiv und ein einheitlicher Wille vorliege, das einmal begonnene Bauvorhaben ungeachtet des Verbotes der Behörden zu vollenden. Die mehrfache und wiederholte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen dieser Handlungsweise sei rechtswidrig. Diesem Beschwerdevorbringen kommt zumindest teilweise Berechtigung zu: Bei einer unzulässigen Bauführung, die sich als Einheit darstellt und auch von einem einheitlichen Bauwillen getragen ist, handelt es sich um ein sogenanntes fortgesetztes Delikt, das strafrechtlich als Einheit anzusehen ist. Bei einem fortgesetzten Delikt ist zwar eine kalendermäßig eindeutige Umschreibung des Tatzeitraumes erforderlich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1986, Zl. 86/18/0034, 0045 sowie vom 11. April 1986, Zlen. 86/18/0051, 0052) doch gilt unabhängig davon, daß die Bestrafung eines forgesetzten Deliktes erst allenfalls später bekannt gewordene Einzeltathandlungen bis zum Zeitpunkt der Fällung (Zustellung) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfaßt (siehe die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1980, Slg. NF Nr. 10.186/A, vom 8. Oktober 1986, Zl. 86/09/0046 u.v.a.).
Aufgrund dieser Erfassungswirkung war zu überprüfen, ob dem Beschwerdeführer nicht die Begehung einer Verwaltungsübertretung während eines Tatzeitraumes angelastet wurde, der bereits von einem früher ergangenen Straferkenntnis miterfaßt war.
Wie in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt wurde, bezieht sich der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid auf jene Arbeiten, die in der Zeit vom 3. Mai 1991 bis 5. Juli 1991 vom Beschwerdeführer am Wohn- und Wirtschaftsgebäude getätigt wurden. Schon aus den hg. Vorerkenntnissen geht hervor, daß der Beschwerdeführer jedenfalls mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 16. Mai 1991 schuldig erkannt wurde, dadurch daß auf seiner Grundparzelle Nr. n1 KG S Arbeiten zur Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftgebäudes durchgeführt habe, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Es wurde daher dem Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 16. Mai 1991 die Begehung desselben fortgesetzten Deliktes angelastet wie in dem gegenständichen Berufungsbescheid. Bei dieser Sachlage hätte aber die belangte Behörde aufgrund der Erfassungswirkung des erstinstanzlichen Bescheides überprüfen müssen, wann das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 16. Mai 1991 erlassen wurde. Da dies nicht vor dem 16. Mai 1991 der Fall sein konnte, im nunmehr angefochtenen Bescheid aber eine Tatzeit vom 3. Mai 1991 bis mindestens 5. Juli 1991 angenommen wurde, liegt jedenfalls hinsichtlich des Zeitraumes vom 3. Mai 1991 bis zur Erlassung des Straferkenntnisses vom 16. Mai 1991 eine unzulässige Doppelbestrafung vor. Da die belangte Behörde dies nicht erkannte, belastete sie aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren für die Vergebührung einer nicht erforderlichen Ausfertigung der Beschwerde war abzuweisen.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit fortgesetztes DeliktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992060087.X00Im RIS seit
22.09.1992