Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Oktober 1991, Zl. 4.292.546/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste am 3. Februar 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 6. Februar 1990 einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung gab er im wesentlichen folgendes an: Er gehöre einer "Glaubenssekte" an, deren Religion in Rumänien nicht anerkannt sei. Im Sinne dieser Religion sei er 1984 getauft worden. Auf Grund seiner religiösen Einstellung sei er schon während seiner Studienzeit gegenüber den anderen Studenten immer benachteiligt worden. Dies sei am Arbeitsplatz ebenso gewesen. Er habe nie eine Chance gehabt, das zu machen, was er wollte, oder mehr zu verdienen. Einen Beitritt zur KP habe er abgelehnt. Er sei mehrmals vorgeladen und verhört und auch geschlagen worden. Als der Sicherheitsdienst von seiner Religionszugehörigkeit erfahren habe, habe er bei den Verhören schwere Mißhandlungen hinnehmen müssen. An der Revolution habe er mitgewirkt, indem er in Timisoara an Demonstrationen teilgenommen habe. In der Folge habe er in seinem Heimatort in N ebenfalls Demonstrationen organisiert. Nach der Revolution habe er vom Sicherheitsdienst die Liste jener Personen verlangt, die früher Spitzeldienste geleistet hätten. Dies sei ihm verweigert und mit erheblichen Schwierigkeiten gedroht worden. Dies sei ein klarer Beweis, daß die Revolution keinen Erfolg gebracht habe. Er habe die Situation in Rumänien nicht länger ertragen können.
Mit Bescheid vom 23. April 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, schon sein Vater sei in Opposition zum kommunistischen Regime gestanden. Es habe furchtbare und grausame Konfrontationen mit Behörde und Securitate gegeben. Er selbst habe monatlich für die Securitate schriftliche Erklärungen über seine private und gesellschaftliche Tätigkeit abgeben müssen. Jahrelang habe er unter Terror und Angst gelebt; viele Tage und Nächte sei er in Untersuchungshaft terrorisiert und geschlagen worden. Er sei bei der Dezember-Revolution 1989 aktiv gewesen. Nach der Revolution hätten der Funktionärsapparat der Securitate und das Offizierskorps rasch eine neue Machtstruktur etabliert. Der Beschwerdeführer werde weiter verfolgt und bedroht. Schon Ende Dezember 1989 sei er bei einem Telefonanruf von einer "männlichen Stimme" mit dem Tod bedroht worden, wenn er nicht auf seinen Widerstand verzichte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde. Die Nachteile, die er seinen Angaben zufolge wegen seiner religiösen Gesinnung zu tragen gehabt habe, stellten keinen derart gravierenden Eingriff in seine Grundrechte dar, um dem in der Flüchtlingskonvention angesprochenen "Sachverhalt" zugrundegelegt zu werden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, wegen der Teilnahme an der Revolution von den rumänischen Behörden verfolgt worden zu sein bzw. Verfolgungshandlungen befürchten zu müssen, sei im Hinblick auf die Abhaltung demokratischer Wahlen in Rumänien nicht glaubwürdig. Der anonyme Telefonanruf könne nicht zur Anerkennung als Konventionsflüchtling führen, da es sich dabei (gemeint offenbar: nicht) um eine behördlich initiierte Verfolgung gehandelt habe. Dem Berufungsvorbringen, als Regimegegner Verfolgungen von staatlicher Seite ausgesetzt gewesen zu sein, sei die Glaubwürdigkeit zu versagen, weil der Beschwerdeführer in erster Instanz lediglich angegeben habe, aus religiösen Gründen verfolgt worden zu sein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, es sei für die Verwaltungsbehörden - ungeachtet allfälliger Undeutlichkeiten seines Vorbringens - klar erkennbar gewesen, daß er Morddrohungen wegen seiner politischen Aktivität im Betrieb behauptet habe. Die Behörde habe gegen ihre Verpflichtungen verstoßen, den Beschwerdeführer zur Klarstellung dieses Vorbringens aufzufordern und ihn ergänzend zu vernehmen.
Diese Darlegungen verkennen, daß die belangte Behörde ihrer Beurteilung die Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz zugrundelegte; diese enthalten keine Behauptung in der Richtung, daß der Beschwerdeführer wegen politischer Aktivitäten an seinem Arbeitsplatz telefonisch mit Mord bedroht worden sei. Dem eine solche Behauptung enthaltenden Berufungsvorbringen versagte die belangte Behörde hingegen die Glaubwürdigkeit; diese Beweiswürdigung kann vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es nicht als unschlüssig anzusehen ist, die von Asylwerbern bei der ersten Befragung gemachten Angaben als am ehesten der Wahrheit entsprechend zu werten und einem sich im Laufe des Instanzenzuges steigernden Vorbringen von Asylwerbern die Glaubwürdigkeit abzusprechen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 1. Juli 1992, Zlen. 92/01/0459, und 92/01/0140), nicht als mangelhaft angesehen werden.
Die belangte Behörde war daher schon deshalb nicht dazu verhalten, den Beschwerdeführer im Hinblick auf behauptete Undeutlichkeiten seines Berufungsvorbringens ergänzend zu vernehmen, weil sie dieses Vorbringen nicht als glaubwürdig ansah und daher ihren Feststellungen nicht zugrundelegte. Der behauptete Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt somit nicht vor.
Auch die Darlegungen der Rechtsrüge, die sich - offenbar im Zusammenhang mit den Berufungsbehauptungen des Beschwerdeführers - mit den allgemeinen Verhältnissen in Rumänien vor und nach der Revolution vom Dezember 1989 und der Frage der Zurechnung von Drohungen an staatliche Stellen auseinandersetzen, verkennen, daß der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen hat (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Die belangte Behörde hat aber den den Gegenstand der Rechtsrüge darstellenden Sachverhalt nicht festgestellt, sondern den entsprechenden Behauptungen des Beschwerdeführers ausdrücklich die Glaubwürdigkeit versagt. Den nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehenden Darlegungen der Rechtsrüge bleibt es daher versagt, eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides zu erweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Beweiswürdigung Wertung der BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010315.X00Im RIS seit
23.09.1992