TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/23 92/01/0284

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Veröffentlicht am 23.09.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1991, Zl. 4.285.858/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 16. März 1990 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein bulgarischer Staatsangehöriger, sei am 1. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 3. November 1989 einen Asylantrag gestellt. Bei seiner niederschriftlichen Befragung habe er angegeben, daß er im Oktober 1983 wegen Devisenbesitzes zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Weil er am Schwarzen Meer gearbeitet und dort Kontakte mit Touristen gehabt habe, sei er seit 1986 immer Schwierigkeiten von seiten der Behörden ausgesetzt gewesen. Er sei immer zur Polizei vorgeladen worden und habe dort schriftlich erklären müssen, keine Kontakte zu Touristen mehr zu pflegen. Auch sei ihm der Aufenthalt am Schwarzen Meer verboten worden. Da er nicht länger in Unfreiheit leben wolle, habe er sich zur Ausreise aus seinem Heimatstaat entschlossen.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer dargelegt, er sei von der Polizei ständig beschattet, zu Verhören vorgeladen und geschlagen worden.

Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Hinblick auf Umstände, die in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise aus seinem Heimatland lägen, außerhalb desselben befände. Sein Vorbringen, er habe auf Grund seiner Tätigkeit in der Tourismusbranche Probleme mit der Polizei bekommen, lasse keinen konkreten gravierenden Eingriff in seine Rechtssphäre erkennen. Überdies habe sich die Situation in Bulgarien derart gravierend in Richtung Demokratie geändert, daß eine Verfolgung aus politischen Gründen unglaubwürdig erscheine.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die nicht weiter begründete Auffassung des Beschwerdeführers, aus seiner Einvernahme und seinem ergänzenden Vorbringen folge, daß er offensichtlich aus politischen Gründen verfolgt worden sei, kann nicht geteilt werden, weil dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen war, daß die von ihm behaupteten Maßnahmen der Polizeibehörden in irgendeinem Zusammenhang mit der politischen Gesinnung oder einer politischen Tätigkeit des Beschwerdeführers stünden. Nach den Darlegungen des Beschwerdeführers seien die behaupteten Verfolgungsmaßnahmen auf seine Kontakte mit Touristen und verbotenen Devisenbesitz zurückzuführen gewesen; dem kann auch bei weitester Auslegung kein Zusammenhang mit der politischen Gesinnung des Beschwerdeführers entnommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genannten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) nicht glaubhaft gemacht. Schon davon ausgehend erübrigen sich Erörterungen im Zusammenhang mit der Frage, ob die vom Beschwerdeführer behaupteten Maßnahmen Umstände darstellten, die aus objektiver Sicht einen weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Heimatland unerträglich hätten erscheinen lassen.

Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nach dem Inhalt der am 9. November 1989 errichteten Niederschrift wurde der Beschwerdeführer vor Eingehen in seine Vernehmung auf folgendes hingewiesen:

"Mir wird zur Kenntnis gebracht, daß meine Antworten auf die nun folgenden Fragen die Grundlage für die erstinstanzliche Entscheidung der österreichischen Behörden, ob mir in Österreich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, darstellen. Es ist daher in meinem Interesse, alle Fragen genau und gewissenhaft zu beantworten. Ich werde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß mir unter Umständen spätere Behauptungen über eine Verfolgung nicht geglaubt werden, da ich jetzt Gelegenheit habe, alle meine Person betreffenden Gründe, die mich zum Verlassen meines Heimatlandes gezwungen haben, vorzubringen."

Der Beschwerdeführer vertritt nunmehr die Auffassung, dies stelle eine "vorgreifende Beweiswürdigung" dar, andererseits widerspreche es dem Grundsatz, daß es im Verwaltungsverfahren grundsätzlich jeder Partei unbenommen bleibe, weiteres Vorbringen zu erstatten.

Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß es sich bei dem erwähnten Hinweis um keinen Vorgang der Beweiswürdigung, sondern um eine vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es nicht als unschlüssig anzusehen ist, die von Asylwerbern bei der ersten Befragung gemachten Angaben als am ehesten der Wahrheit entsprechend zu werten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0459) und es weiters nicht unschlüssig ist, wenn einem sich im Laufe des Instanzenzuges steigernden Vorbringen von Asylwerbern die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0140), zweckmäßige und den Interessen der Asylwerber dienliche Anleitung durch die Verwaltungsbehörde erster Instanz handelte. Welcher Zusammenhang im Beschwerdefall zwischen diesem Verfahrensvorgang und der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde bestehen (insbesondere welche Umstände deren Beweiswürdigung zu einer "vorgreifenden" machen) sollte, ist nicht zu erkennen; auch die Beschwerde zeigt diesen Zusammenhang in keiner Weise auf. Ebensowenig ist zu erkennen, daß der Beschwerdeführer durch die erwähnte Anleitung gehindert gewesen wäre, weiteres Vorbringen zu erstatten.

Auch die weiteren Beschwerdeausführungen, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer ergänzend zu seinem Berufungsvorbringen zu vernehmen, sind schon deshalb nicht zielführend, weil auch in der Berufung kein Sachverhalt vorgetragen wurde, der einen Zusammenhang der behaupteten Verfolgung mit Konventionsgründen hätte erkennen lassen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010284.X00

Im RIS seit

23.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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