TE Vfgh Beschluss 1990/3/13 A146/89

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Veröffentlicht am 13.03.1990
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art137 / Bescheid Wr DienstO 1966 §76 Abs6

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage auf Nachzahlung von während einer Suspendierung einbehaltenen Bezügen; Anspruch des Klägers auf bescheidmäßige Feststellung der - strittigen - Gebührlichkeit dieser Nachzahlung

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Gemeinde die mit S 1.638,24 bestimmten Kosten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu Handen ihres bevollmächtigten Rechtsanwaltes binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger, den Magistrat der Stadt Wien (gemeint wohl: die Stadt Wien) zu verhalten, ihm den Betrag von S 45.928,50 samt 4 % Zinsen aus

S 10.372,-- vom 1. 7. bis zum 31. 7. 1989, aus S 20.744,-- vom 1. 8. bis zum 31. 8. 1989, aus S 31.116,-- vom 1. 9. bis zum 30. 9. 1989, aus S 41.488,-- vom 1. 10. bis zum 13. 10. 1989 sowie aus

S 45.982,50 seit 14. 10. 1989 zu bezahlen und die Kosten dieses Verfahrens zu ersetzen.

In der Klage wird im wesentlichen vorgebracht: Der Kläger stehe als Vorstand der I. Medizinischen Abteilung des Krankenhauses Lainz in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien. Gegen den Kläger sei auf Grund näher bezeichneter Vorfälle in diesem Krankenhaus nach einer Disziplinaranzeige des Magistrates der Stadt Wien vom 12. Mai 1989 ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Mit Bescheid der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 22. Mai 1989 sei der Kläger gemäß §76 Abs1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, LGBl. für Wien 37/1967, idF des Gesetzes LGBl. 13/1988 (im folgenden: Dienstordnung 1966), vom Dienst suspendiert worden; unter einem sei gemäß §76 Abs2 der Dienstordnung 1966 ausgesprochen worden, daß sich der Monatsbezug des Klägers - unter Ausschluß der Haushaltszulage - für die Dauer der Suspendierung auf die Hälfte verkürze. Mit Erledigung vom 17. Oktober 1989 habe die Disziplinarkommission gemäß §79 Abs1 Z4 der Dienstordnung 1966 die Einstellung des Disziplinarverfahrens verfügt. Der Kläger habe die beklagte Partei mit Schreiben vom 23. Oktober 1989 unter Berufung auf §76 Abs6 der Dienstordnung 1966 aufgefordert, unverzüglich die während der Suspendierung einbehaltenenBezüge samt den gesetzlichen Verzugszinsen nachzuzahlen. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1989 habe die beklagte Partei mitgeteilt, dieser Aufforderung nicht nachkommen zu können, da die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen den Kläger noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei; die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß §79 Abs2 der Dienstordnung 1966 habe mit Bescheid zu erfolgen, dem Disziplinaranwalt stehe dagegen das Rechtsmittel der Berufung zu. Demgegenüber vertrete der Kläger die Auffassung, daß die maßgeblichen Bestimmungen der Dienstordnung 1966, insbesondere deren §76, keinen Anhaltspunkt dafür böten, daß die Einstellung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens mit Bescheid zu erfolgen habe; vielmehr sei im §79 Abs2 der Dienstordnung 1966 - lediglich - normiert, daß der Beschuldigte und, wenn das Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission anhängig ist, der Disziplinaranwalt von der Einstellung zu verständigen seien. Die an den Kläger gerichtete Mitteilung der Disziplinarkommission vom 17. Oktober 1989 über die Einstellung des Disziplinarverfahrens sei ein "Scheinbescheid", jedenfalls aber ein rechtswidriger Bescheid. Dem Disziplinaranwalt stehe gegen den Beschluß der Disziplinarkommission auf Einstellung des Disziplinarverfahrens kein Berufungsrecht zu, sodaß die Einstellung des vorliegenden Disziplinarverfahrens in Rechtskraft erwachsen sei und mithin die Voraussetzungen für die Nachzahlung der während der Suspendierung einbehaltenen Bezüge des Klägers - in der aus dem Klagebegehren ersichtlichen Höhe - gemäß §76 Abs6 der Dienstordnung 1966 gegeben seien.

2. Die beklagte Gemeinde Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt. Begründend wird hiezu im wesentlichen ausgeführt, daß das Disziplinarverfahren gegen den Kläger noch nicht rechtskräftig beendet sei; somit ermangle es der rechtlichen Voraussetzungen für die Nachzahlung der während der Suspendierung des Klägers einbehaltenen Bezüge.

3. Der Kläger ist der Auffassung der beklagten Partei in einem Schriftsatz entgegengetreten, in dem er überdies das Klagebegehren um die seiner Ansicht nach in der Zwischenzeit fällig gewordenen Beträge erweiterte, und zwar auf den Betrag von S 83.976,-- samt 4 % Zinsen aus S 10.372,-- vom 1. 7. bis zum 31. 7. 1989, aus

S 20.744,-- vom 1. 8. bis zum 31. 8. 1989, aus S 31.116,-- vom 1. 9. bis zum 30. 9. 1989, aus S 41.488,-- vom 1. 10. bis zum 31. 10. 1989, aus S 51.860,-- vom 1. 11. bis zum 30. 11. 1989, aus

S 62.232,-- vom 1. 12. bis zum 31. 12. 1989 und aus S 72.604,-- vom 1. 1. bis zum 31. 1. 1990.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Klage erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Art137 B-VG enthält demnach für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften eine suppletorische Zuständigkeitsordnung, hat aber nicht den Sinn, neben bereits bestehenden Zuständigkeiten eine konkurrierende Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes einzuführen oder jene abzuändern (s. etwa VfSlg. 11.395/1987; vgl. bereits VfSlg. 3287/1957).

2. Mit der Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen die Gemeinde Wien geltend gemacht. Er gründet sich auf das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu dieser Gebietskörperschaft. Da es sich somit um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, also nicht um eine bürgerliche Rechtssache iS des §1 JN handelt, ist eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung hierüber nicht gegeben (vgl. VfSlg. 10.266/1984). Es ist aber zu prüfen, ob über den mit Klage geltend gemachten Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist.

3. Besoldungsrechtliche Ansprüche eines Beamten werden in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Die letzte Phase (die Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der nur der Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid zu erledigen ist, sodaß für die Entscheidung über ein solches Liquidierungsbegehren die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG gegeben ist (so die ständige, mit VfSlg. 3259/1957 eingeleitete Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes; vgl. etwa VfSlg. 5425/1966, 7846/1976, 8371/1978, 11.395/1987). Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, nämlich den technischen Vorgang der Auszahlung, sondern um die Rechtsfrage der Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden (vgl. die mit den Erkenntnissen VfSlg. 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, neuerdings etwa VfSlg. 10.756/1986 und 11.395/1987).

4. Der geltend gemachte Anspruch auf Nachzahlung der während der Suspendierung des Klägers gemäß §76 Abs2 der Dienstordnung 1966 einbehaltenen Bezüge wird aus dem Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Klägers zur beklagten Partei und aus §76 Abs6 der Dienstordnung 1966 abgeleitet. Es handelt sich mithin um einen Anspruch besoldungsrechtlicher und damit dienstrechtlicher Natur.

§76 Abs6 der Dienstordnung 1966 hat folgenden Wortlaut:

"(6) Wurde das Disziplinarverfahren gemäß §79 Abs1 Z1 bis 3 eingestellt oder lautet das Disziplinarerkenntnis auf Freispruch, so sind dem Beamten neben den infolge der Kürzung einbehaltenen Beträgen auch die gemäß §2 Abs1 des Ruhe- und Versorgungsgenußzulagegesetzes 1966, LGBl. für Wien Nr. 22/1968, anrechenbar erklärten Nebengebühren einschließlich der gesetzlichen Verzugszinsen nachzuzahlen, auf die er Anspruch gehabt hätte, wenn er nicht suspendiert worden wäre."

5. §76 Abs6 der Dienstordnung 1966 knüpft somit die Verpflichtung zur Nachzahlung der während der Suspendierung gemäß §76 Abs2 des Gesetzes einbehaltenen Bezüge an die Voraussetzungen, daß entweder das Disziplinarverfahren gemäß §79 Abs1 Z1 bis 3 des Gesetzes rechtskräftig eingestellt oder ein freisprechendes Disziplinarerkenntnis gefällt worden ist. Daß im vorliegenden Disziplinarverfahren ein auf Freispruch lautendes Disziplinarerkenntnis ergangen sei, wird von keiner Partei behauptet. Strittig ist ausschließlich die Frage, ob das gegen den Kläger eingeleitete Disziplinarverfahren bereits gemäß §79 Abs1 Z1 bis 3 der Dienstordnung 1966 rechtskräftig eingestellt worden ist oder nicht.

Es erweist sich mithin, daß die Frage der Gebührlichkeit der Nachzahlung der gemäß §76 Abs2 der Dienstordnung 1966 während der Suspendierung einbehaltenen Bezüge des Klägers strittig ist. Über die Frage der Gebührlichkeit dieser Nachzahlung aber ist im Streitfall durch Bescheid der zuständigen Dienstbehörde zu entscheiden. Ein Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, ob dem Kläger der Anspruch auf Nachzahlung zusteht, wäre ein taugliches Mittel der Rechtsverfolgung, weshalb der Kläger Anspruch auf Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides hat (vgl. VfSlg. 7172/1973, 8976/1980). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob etwa das vom Kläger bezeichnete - vom Abteilungsleiter der Magistratsabteilung 2 gefertigte - Schreiben vom 24. Oktober 1989 als derartiger Bescheid anzusehen ist.

6. Da somit über den vom Kläger geltend gemachten besoldungsrechtlichen Anspruch mit Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist, sind die Prozeßvoraussetzungen des Art137 B-VG nicht gegeben. Der Verfassungsgerichtshof ist daher nicht zuständig, über das Klagebegehren zu entscheiden.

Die Klage war daher wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

8. Der Spruch über den Kostenersatz stützt sich auf §41 VerfGG. Der durch einen Rechtsanwalt vertretenen beklagten Gemeinde sind nur die Kosten nach TP2 des Rechtsanwaltstarifs zu ersetzen.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Dienstrecht, Bezüge, Kürzung, Disziplinarrecht, Suspendierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:A146.1989

Dokumentnummer

JFT_10099687_89A00146_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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